Interview : Warum KMU in die Cobot-Falle tappen
Herr Rohmann, Ihre Firma Rohmann Automation plant und implementiert Automatisierungslösungen. Was haben Sie mit Roboter-Fehlkäufen zu tun?
Häufig werden wir als Roboter-Spezialisten gerufen, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Meist hat sich der Kunde auf einer Messe durch einen Vertriebler von einem Cobot-System überzeugen lassen.
(Für weitere Infos lesen Sie: Cobots: Gut vermarktet, schlecht verwendet?)
Inwiefern schießen Vertriebs- und Marketingtätigkeiten bei den Cobots manchmal übers Ziel hinaus?
Insbesondere kleine und mittelständige Unternehmen (KMUs) geraten oft in die Cobot-Falle. Überzeugende Verkaufsargumente sind im wesentlichen der geringe Invest für ein schlüsselfertiges Komplettsystem, das von jedermann programmiert werden kann, genauso wie das End-of-Arm Tooling anscheinend schnell und durch jedermann realisiert werden kann. Es ist nicht zu bestreiten, dass diese Argumente zunächst einmal stimmen. Doch muss jedes Robotersystem, egal ob mit Leichtbauroboter oder Industrieroboter, fallbezogen durch einen Robotik-Experten bewertet werden. Ich bekomme oft berichtet, dass die Kunden mit ihren Problemen alleine gelassen werden. Ist erst mal das System für 50.000 Euro gekauft stellt sich heraus, dass noch ein Vision-System für 40.000 Euro benötigt wird und ein Schutzzaun für 5-10.000 Euro. Hinzu kommt gegebenenfalls ein Sicherheitsgutachter. Der Roboterarm ist oftmals nur ein und wesentlicher Teil im Gesamtsystem.
Kann ich mich durch den Endeffektor selbst verletzen, müssen besondere Maßnahmen getroffen werden. Das kann so weit gehen, dass ich als Maschinenbetreiber den Cobot komplett einhausen muss.Jascha Rohmann
Kann fehlgeleitetes Marketing zu Sicherheitsproblemen führen?
Ein wesentlicher Kaufgrund für einen Leichtbauroboter oder Cobot ist die Meinung, dass dieser ohne Schutzzaun direkt mit dem Menschen betrieben werden darf. Doch muss bei einem Cobot, genau wie beim Standard Industrieboter auch, eine Sicherheits-Bewertung von einem Experten durchgeführt werden. Die Geschwindigkeit des Roboters und End-of-Arm Tooling sind hierbei ganz wesentliche Faktoren. Arbeitet der Cobot unmittelbar mit Menschen zusammen, muss dieser sehr langsam betrieben werden. Kann ich mich durch den Endeffektor selbst verletzen, weil dort zum Beispiel eine scharfe Klinge angebracht ist, müssen weitere Maßnahmen getroffen werden. Das kann so weit gehen, dass ich als Maschinenbetreiber den Cobot komplett einhausen muss. Wenn die Produktionsleistung durch die begrenzte Geschwindigkeit dann noch leidet, ist der Anlagenbetreiber verärgert und fragt sich, warum er nicht gleich einen Industrieroboter gekauft hat.
Wie kann es sein, dass Cobots nach dem Kauf bei manchen Firmen in einer Ecke verstauben?
Beim Verkaufsgespräch geht es hauptsächlich um das Robotersystem an sich mit seiner Performance und wie einfach und schnell dieses programmiert werden kann. Die Auslegung einer Gesamtanlage inklusive CE & Sicherheitsbetrachtung kommt dann natürlich zu kurz.
Wo fehlt Ihrer Einschätzung nach auf Käuferseite das Know How?
Man muss wissen, dass Cobots deutlich leichter als andere Industrieroboter gebaut sind, damit sie im Ernstfall den Menschen nicht verletzen können. Dies hat zur Folge, dass die Performance, Steifigkeit und Genauigkeit deutlich geringer ist als die eines echten Industrieroboters. Bestimmte Anwendungen wie zum Beispiel dass Fräsen oder Sägen von Stahl oder Aluminium bekommen Sie mit Cobots überhaupt nicht hin, weil hier die Anforderungen an Mechanik und Steifigkeit sehr hoch sind.
Über Rohmann Automation:
Die Rohmann Automation GmbH ist ein junges Technologieunternehmen aus Rheinhessen. Als Lieferant für innovative Roboterautomation entwickelt, plant und implementieren Jascha Rohmann und sein Team komplexe Automatisierungslösungen, von der einzelnen Zelle bis hin zur kompletten Produktionslinie.
(Lesen Sie auch: Robotik: Wie sich Flexibilität und Autonomie mit Sicherheit vereinbaren lassen)