Kommentar : Raus aus dem Silo

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Diese Weisheit stammt nicht von mir, sondern von einem meiner Trainer bei dem ich 2007 bei einem großen deutschen Automobilkonzern die Ausbildung zum Kaizen-Experten durchlaufen durfte. Dieser erfahrene Trainer hat viele Jahre bei dem damals etablierten Vorbild für Kaizen-Kultur Toyota gearbeitet und sein Wissen international an junge Nachwuchsexpert:innen weitergegeben. Doch mit seiner Weisheit und dem Überwinden der Hindernisse widerspricht er den meisten Konzernrichtlinien bei Verbesserungsprojekten. Da wird oft nach dem schnellen, kostengünstigen Erfolg gesucht.

Alles muss sich rechnen?

Bei jedem Projekt wird immer die Frage gestellt, wann sich der jeweilige Einsatz rechnet. Doch genau dieser Ansatz ist es, der die Verbesserung in Organisationen behindert. Er führt dazu, dass immer ein lokales Optimum angestrebt wird. Was zunächst gut klingt, ist fatal. Denn die vielen lokalen Optima passen am Ende nicht zusammen. Es ist das Ergebnis der Gesamtkette, das darüber entscheidet, ob Kund:innen ein Produkt oder eine Leistung akzeptieren oder nicht. Daher muss man das Denken und Handeln im lokalen Optimum, also innerhalb des eigenen Silos, überwinden.

Gesamtbild mit Konsequenzen

Um eine Organisation wirklich voranzubringen, müssen Verbesserungsprojekte stets im Gesamtbild betrachtet werden. Doch das hat Konsequenzen. Es kann nämlich passieren, dass im Sinne der Verbesserung des Gesamtsystems in einem Teilbereich, also einem bisherigen Silo, eine Verschlechterung eintritt. Also wenn etwa temporär höhere Lagermengen und damit Kosten akzeptiert werden, um damit den Produktionsprozess zu stabilisieren.

Doch diese Verschlechterung kann akzeptiert werden, wenn der Gesamtprozess davon profitiert. Selbstverständlich kann und soll an der Reduktion oder Eliminierung der zeitweiligen Verschlechterung gearbeitet werden.

Der Blick über den Tellerrand

Um einen wirksamen Verbesserungsprozess zu entwickeln und zu leben, muss man die lokale Optimierung, die oft mit dem Jagen von Kennzahlen einhergeht, überwinden. Hilfreich sind dafür Gesamtstrategien für Organisationen und Standorte, die eine Beschreibung des Zielzustands, Meilensteine und Implementierungsteams enthalten. Für Standorte kann das beispielsweise ein so genanntes „Overall Plant Concept“ (OPC) entwickelt werden. Solche Entwicklungsstrategien stellen sicher, dass lokale Verbesserungen immer in den Kontext des Gesamtsystem gestellt werden.

Dieser holistische Ansatz ist primär eine Herausforderung für das Denken und die Kultur von Menschen in einer Organisation. Er gilt branchenunabhängig und hat auch nichts mit dem privaten Wirtschaftssektor zu tun. Dieses veränderte Denken ist eine hinreichende Voraussetzung für jede erfolgreiche Verbesserung in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.

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