Kolumne von Michael Fälbl : Erfolgreich scheitern: über die Fehlerkultur in der digitalen Industrie

Warum gibt es solche Formate? Jeder macht Fehler. Und niemand macht sie gerne. Wenn man aber bereit ist, seine Erfahrungen mit anderen zu teilen, dann entsteht durch Feedback und Ratschläge potenziell ein Mehrwert für alle Beteiligten. Wenn man einen Fehler vermeiden kann, weil andere ihn schon gemacht haben, dann spart das Zeit und Ressourcen.

Von der Startup-Szene lernen

In der Startup-Szene ist das Bewusstsein zur Wichtigkeit einer Fehlerkultur verbreiteter als in der Industrie. Erfolgreiche Venture Capital Investoren sprechen von 5, 10, 15 gescheiterten Unternehmensgründungen, die einem erfolgreichen Startup gegenüberstehen. Das gehört dazu – es heißt nicht umsonst Risikokapital.

Riskant kann auch der Einsatz neuer Technologien im Kontext von Industrie 4.0 sein. Projekte scheitern, weil z.B. die Technologie noch nicht marktreif ist, die Kosten unterschätzt werden oder weil es schlichtweg komplex ist, ein erfolgreiches Pilotprojekt auf ganze Produktionslinien zu skalieren. Auch der Transfer von Wissenschaft und Forschung in die Produktion gestaltet sich oft als schwierig.

Über gescheiterte Projekte wird im Industrieumfeld jedoch kaum gesprochen. Bei Messen oder Vortragsveranstaltungen werden Positivbeispiele, Best Practices, präsentiert – dass hinter einem gelungenen Produkt oder einer Prozessinnovation eventuell 5, 10, 15 vorgelagerte Versuche stehen, die keinen Erfolg erzielen konnten, geht meistens unter. Das gilt leider auch für Forschungsprojekte. Gerade in der Forschung, wo naturgemäß viele Dinge scheitern müssen, um Erkenntnisgewinne zu erzielen, wird nur selten über Fehlschläge gesprochen. Publikationen mit misslungenen Experimenten muss man lange suchen.

Änderung beginnt im Kleinen

Es würde dem Produktionsstandort mit Sicherheit guttun, wenn wir rund um Industrie 4.0 und Digitalisierung vermehrt Fehler und missglückte Projekte thematisieren. Wie können wir das erreichen? In einem ersten Schritt ist es notwendig, über den eigenen Schatten zu springen.

Um mit gutem Beispiel voranzugehen, ein Beispiel aus meiner Organisation: vor einigen Jahren haben wir versucht, einen Österreichstand für einen gemeinsamen Auftritt bei

der Hannover Messe zu organisieren. Das ist uns nicht gelungen, wir konnten Unternehmen nicht davon überzeugen. Ein weiteres Beispiel betrifft die Umsetzung hybrider Veranstaltungen: nach der Pandemie wollten wir das Modell fokussieren, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Es zeigte sich, dass das in der Praxis nicht funktioniert, wir sind zurück bei physischen und virtuellen Formaten. Lesson learned.

Neues Jahr, neue Chance

2025 kommt immer näher. Auch im neuen Jahr wird die österreichische Industrie mit großen wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert sein. Beim Weg aus der Krise werden Innovationen eine wesentliche Rolle spielen.

Dabei wird vieles nicht funktionieren, das gehört dazu. Aber nicht jeder muss die gleichen Fehler machen – falls Neujahrsvorsätze für Sie noch relevant sind, das könnte einer sein: reden Sie über das, was nicht funktioniert hat. Auch mit Menschen, die Sie nicht so gut kennen. Vielleicht auch bei einem Vortrag oder bei einer öffentlichen Diskussion. Das Beispiel der Fuckup Nights zeigt: das kommt besser an, als Sie denken!

Plattform Industrie 4.0
Michael Fälbl arbeitet als Projektmanager für die österreichische Plattform Industrie 4.0 und beschäftigt sich mit unterschiedlichen Aspekten der Digitalisierung. Full Disclosure: Einige der genannten Unternehmen sind Mitglieder der Plattform Industrie 4.0. - © Plattform Industrie 4.0