Kommentar von Nikolai Ensslen : Chinesische Hersteller zwingen deutsche Industrie zum Umdenken

Asien allgemein löst zwar einerseits Druck auf die heimischen Roboter- und Maschinenhersteller aus, bietet andererseits aber auch Chancen für innovative deutsche Technologieanbieter, mit denen die Chinesen ihre Produkte auf ein höheres Level heben können. Insbesondere für den Export benötigen chinesische Roboter- und Maschinenbauer hochwertige und zertifizierte Komponenten, um in den internationalen Märkten überhaupt inhaltlich wettbewerbsfähig zu sein. Hier haben deutsche Hersteller durchaus eine Chance, die chinesischen Produkte auf das erforderliche Level zu heben, beispielsweise wenn es um die anspruchsvolle Sicherheit von kollaborativen Robotern geht.

Dass deutsche Hersteller aktuell mehr Nachfrage aus dem Ausland als aus dem Inland bekommen, zeigt ja, dass die Produkte zumindest bei Funktion, Leistung und Qualität noch konkurrenzfähig sind. Umgekehrt muss man aber auch anerkennen, dass chinesische Hersteller inzwischen sehr attraktive und qualitativ hochwertige Produkte liefern, siehe Elektromobilität. Anders als bei Consumer-Produkten, kommt es bei Investitionsgütern wie Robotern jedoch vor allem auch auf nachhaltige Zuverlässigkeit an, und hier haben die Chinesen noch nicht bewiesen, dass sie es ganz ohne den Einsatz von Technologie aus Europa und den USA hinbekommen.

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Nikolai Ensslen, CEO und Gründer von Synapticon - © Synapticon

Wettbewerb beflügelt Innovationen

Chinesische Hersteller sind allerdings in der Regel schlichtweg schneller und auch wagemutiger – und werden finanziell stark gefördert. Dabei geht es, entgegen der landläufigen Auffassung bei uns, nicht primär um Subventionen, die von der Zentralregierung kommen. Die Unternehmen sind vielmehr einem viel stärkeren Wettbewerb untereinander ausgesetzt, als wir dies im Westen kennen. Sie profitieren zudem von einem sehr lebhaften und potenten Markt an privaten Investoren, die schneller bereit sind, ein größeres Risiko einzugehen und große Beträge zur Verfügung zu stellen. Außerdem liefern sich die verschiedenen Regionen in China einen für die Unternehmen attraktiven Wettbewerb um die besten Standortbedingungen, die auch mit Subventionen bzw. staatlichen Investments verknüpft sein können.

Grundsätzlich hat der Robotik-Markt eine völlig andere Taktung als der klassische Maschinenbau und andere deutsche Traditionsindustrien. Hier geht es Schlag auf Schlag und ohne Innovationen ist man als Anbieter schnell abgeschlagen. Diese kosten Geld. Geld, das viele deutsche Unternehmen nicht investieren können oder wollen.

Risikobereitschaft fehlt

Rufe in Richtung deutscher Politik zur Reduzierung von Bürokratie kann ich nachvollziehen, und hier liegt viel vor uns, um als Standort wieder wettbewerbsfähiger zu werden. Aber dies ist nur ein Teil des Problems. Es fehlt allgemein nicht an Geld in Deutschland und Europa, aber es wird nicht eingesetzt. Das einzige wirklich funktionierende Ladenetz, das vom früher fast bankrotten Startup Tesla weltweit errichtet wurde, anstatt von der damals im Verhältnis reichen deutschen Automobilindustrie, ist ein beispielhaftes Mahnmal dessen. Wo in Europa größere Summen fließen, sind es eigentlich immer ausländische Investoren, die ins Risiko gehen.

Zudem sehen wir in Deutschland noch sehr häufig, dass auch der Austausch zwischen Universität bzw. der Forschung und der mittelständisch geprägten Wirtschaft ein stark formalisierter Prozess ist. Da gibt es wieder Technologietransfer-Büros, die nie wirklich etwas tun; Forschungs- und Kooperationsprojekte, die in Wirklichkeit nur dazu dienen, Fördergelder abzugreifen. In den technologisch erfolgreichen Ländern ist das wesentlich dynamischer: Ambitionierte Studenten werden zu herausragenden unternehmerischen Talenten, die erst an Spitzenprojekten arbeiten und dann mitsamt ihrem IP von den fähigsten Unternehmen übernommen werden oder bereits als Postdocs mit diesen kooperieren und daher später als Gründerteams von Investoren mit Pre-Seed Summen unterstützt werden, von denen man in Deutschland im Late Stage Bereich träumt.

Es ist wahr: Der aus Asien kommende Preisdruck in Robotik und Automation ist -wie in anderen Branchen wie z.B. der Autoindustrie- real. Der einzige Ausweg: mit Ambition, Risikoagnostik und Innovationen bessere Lösungen anbieten, die der Markt fordert und bereit ist, mit gesunden Preisen zu honorieren. Das geht. Aber Vorsicht: Im Erfolgsfall sind einem die Chinesen jeweils wieder dicht auf den Fersen. Dann muss man bereits wieder einen Schritt weiter sein.“