Oberflächentechnik : Wie man unerwünschte Reibung an Werkstoffen reduziert

Ewald Badisch
© Lichtbild Sinawehl

Für die sichere und effiziente Funktion von Maschinen spielt Reibung eine entscheidende Rolle. So ist etwa bei Motoren und Lagern im Hinblick auf Energieeffizienz eine niedrige Reibung erwünscht, während für sicherheitsrelevante Anwendungen, wie Bremsen und Kupplungen eine genau definierte Reibung benötigt wird. Auch im System Bahn spielen Reibung bzw. Traktion beim Anfahren und vor allem beim Bremsen des Zuges eine sprichwörtlich lebenswichtige Rolle.

Am Exzellenzzentrum für Tribologie der AC2T research GmbH – AC²T mit Sitz in Wiener Neustadt erarbeiten ForscherInnen seit mehr als 19 Jahren kundenspezifische Lösungen rund um die Themen Reibung, Verschleiß und Schmierung. Die Tribologie beschreibt die Interaktion von Oberflächen und die dabei resultierenden Phänomene der Reibung und des Verschleißes. Im aktuellen COMET K2 Forschungsprogramm „InTribology“ ist der Thematik Reibung ein eigener Forschungsbereich namens „Reibungsoptimierte Systeme“ gewidmet.

Die Reibzahl als Herausforderung

Ein niedrige Reibzahl oder umgangssprachlich gesagt „wenig Reibung“ wird in technischen Systemen oftmals durch den Einsatz von Schmierstoffen erzielt. Hierbei kommt es zur Trennung der interagierenden Festkörperoberflächen, sodass das relative Gleiten im Schmierstoff stattfindet. Bei direktem Kontakt bzw. direkter Interaktion der Oberflächen steigt die Reibzahl. Es kann zu Verschweißungen der Rauheitsspitzen und in weiterer Folge zu unerwünschtem Verschleiß kommen.

In Anwendungen bei hohen Temperaturen kommen flüssige Schmierstoffe an ihre Einsatzgrenzen. Typischerweise werden bei Temperaturen >300 °C klassische Festschmierstoffe, wie Grafit und MoS2, eingesetzt, um die Reibung zu optimieren. Dem Vorteil hinsichtlich Reibung stehen oftmals aufwändige Reinigungsarbeiten und Mehrkosten gegenüber. Als weitere Herausforderung gilt es, umweltschädliche Bestandteile zu vermeiden. Aus diesen Gründen steigt das industrielle Interesse an intelligenten Werkstoffen, welche in der Oberflächenschicht selbstschmierende Eigenschaften integriert haben.

Hören Sie auch unseren Podcast zum Thema Oberflächenbeschichtung: FactStorys Folge 1: Oberflächenbeschichtung.

Selbstschmierende Oberflächenbeschichtungen für Komponenten und Werkzeuge

Bei AC²T werden in der Forschungsgruppe von Dr. Manel Rodriguez-Ripoll für verschiedene industrielle Anwendungen selbstschmierende Beschichtungen entwickelt. Diese basieren auf einer verschleiß- und korrosionsbeständigen Nickel-Legierung mit Silber-Dotierung. Bei einem Silbergehalt < 5 % und einer Schichtdicke von etwa 1 mm ist dieser Ansatz auch entsprechend kosteneffizient. Als weiches Metall besitzt Silber sehr gute Schmiereigenschaften und ist zudem umwelttechnisch unbedenklich. Die Forscher bei AC²T konnten erfolgreich die technologische Herausforderung der gleichmäßigen Verteilung des Silbers in der selbstschmierenden Gleitoberfläche lösen und auch patentieren.

Für die Fertigung dieser Schichten steht am AC²T ein vollautomatisierter 10 kW Hochleistungslaser zur Verfügung. Dieser Laser ermöglicht die Herstellung von Produktmustern bis hin zu industriellen Prototypen von Komponenten. Dank der hohen Fertigungseffizienz und der kontrollierten Prozessbedingungen eignet sich der Laser zur schnellen und kosteneffektiven Entwicklung von Beschichtungen in industrieller Qualität. Auch erlaubt die Lasertechnologie Reparaturen und Wiederauftragungen bei verschlissenen Komponenten.

Höhere Standzeiten, geringerer Wartungsaufwand

Das bei AC²T entwickelte und patentierte Schichtsystem besitzt enormes Potenzial in vielfältigen industriellen Anwendungen. Aufgrund der hohen möglichen Einsatztemperaturen bis ca. 600 °C bieten Beschichtungen gemäß der genannten AC²T-Technologie eine hohe tribologische Funktionalität bei Umformanwendungen, wo neben Reibungsreduktion auch eine Verbesserung der Produktoberfläche durch verringerte Adhäsion erwartet wird. Die Effektivität wurde anhand von Experimenten nachgewiesen. Die entwickelten Beschichtungen erhöhen die Standzeit der Umformwerkzeuge signifikant und reduzieren somit Wartungsaufwand und Kosten.

Ausblick

Ein aktuelles, vom Land Niederösterreich unterstütztes, Forschungsvorhaben namens „HILP4.0“ hat zum Ziel, 3D gedruckte Komponenten durch speziell gestaltete Oberflächen mit erweiterter Funktionalität auszustatten. Mit dem hybriden integrierten Laserprozess sollen beispielsweise Sensoren wesentliche Eigenschaften während der Anwendung, wie z. B. Reibung und Temperatur, erfassen. Somit lassen sich frühzeitig „negative“, d. h. auffällige bzw. alarmierende Veränderungen detektieren und Rückschlüsse auf Betriebszustände ziehen, bevor ein katastrophaler Schaden eintreten kann.

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