Additive Fertigung : Zukunftstechnologie 3D-Druck: Warum Stiwa auf den additiven Zug aufgesprungen ist

additive Fertigung

Entpacken des Bauteils, grobe Entpulverung und Aufbereitung für weitere Verwendung

- © STIWA Group

Nach dem ersten Hype um die Vorteile des industriellen 3D-Drucks herrschte bei vielen Unternehmen Unzufriedenheit. Man war mit der Qualität und Maßhaltigkeit in der additiven Fertigung nicht zufrieden. Das hat sich geändert. Neue Technologien im additiven Bereich bieten vielversprechende Möglichkeiten, mittlerweile können die hohen Qualitätsanforderungen erfüllt werden. Mischungen verschiedener Materialien und Pulver, erhöhte Druckgeschwindigkeit und neue Automatisierungsmöglichkeiten wurden durchführbar. „Wir glauben, dass dies erst der Anfang ist und in Zukunft noch schneller, präziser und mit noch mehr Anwendungsmöglichkeiten gearbeitet werden kann“, so Stiwa Manufacturing CEO Josef Brandmayr. Daher ist man bei Stiwa aktiv in die Weiterentwicklung der additiven Fertigung involviert. So wird im Geschäftsfeld Manufacturing neben spanabhebenden Bearbeitungen wie Drehen, Fräsen und Schleifen für den eigenen Maschinen- und Anlagenbau auch ein Kompetenzzentrum für industrielles 3D-Printing aufgebaut.

Keine Allheil-Lösung für die Produktion

„Bestimmte Teile und Anforderungen werden in Zukunft nicht mehr mit der klassischen Zerspanung hergestellt werden können“, ist sich Brandmayr sicher. Er glaubt nicht an eine Allheil-Lösung, sondern will bei Stiwa für jede Anwendung eine spezifische Lösung finden. Das können additive Fertigung, Kunststoffverarbeitung, Stanztechnik oder andere Verfahren sein. Der Maschinenbauer will Komplettanbieter für Fragen rund um die Produktion werden, von der Entwicklung bis zur Serienproduktion. Dieses Ziel bedeute nicht nur finanzielle Investments und Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Die Einführung einer neuen Technologie bringe auch Überzeugungsarbeit bei den Verantwortlichen mit sich, sagt Brandmayr.

Post-Procecssing bei STIWA Additive: Mittels Glasperlstrahlen werden die Oberflächen verdichtet.

Umschulen und Umdenken

„Die additive Fertigung wird nur funktionieren, wenn wir uns intensiv mit den Konstruktionen auseinandersetzen und damit auch mit den Konstrukteuren“, sagt der CEO. 150 Konstrukteure sind in Brandmayrs Gruppe beschäftigt. Die meisten haben bisher mit herkömmlichen Herstellungsverfahren gearbeitet. Sie konstruierten in kleineren Zerspanungsmengen oder in Stanzkonformität. „Es ist wichtig zu verstehen, dass ein Konstrukteur, der 20 Jahre lang nur Zerspanungsteile konstruiert hat, nicht einfach umschalten kann. Man muss ihn auf dem Weg begleiten und unterstützen“, sagt Josef Brandmayr. In unternehmensinternen Workshops wird den Konstrukteuren in der Automation gezeigt, wie sie die 3D-Druck-Technologie nutzen können. Additive Fertigung als weitere Konstruktionsmöglichkeit ins Arbeits- und Gedankenportfolio aufzunehmen, bedeutet eine Umgewöhnung. In Zukunft soll sich der reine Fokus auf die zerspanende Herstellung ändern: In einer HTL, mit der Stiwa zusammenarbeitet, ist additive Fertigung bereits ein optionaler Teil des Ausbildungsprogramms.

  • Josef Brandmayr, CEO Stiwa Manufacturing

    „Bestimmte Teile und Anforderungen werden in Zukunft nicht mehr mit der klassischen Zerspanung hergestellt werden können“

Neue Möglichkeiten

Bauteile werden in der additiven Fertigung anders konstruiert, da andere geometrische Formen möglich sind. „Das ist der Hauptvorteil und den spüren wir jetzt schon in der Automation, aber auch in der klassischen Serienproduktion“, sagt Josef Brandmayr. Kleine Teile, bei denen die Änderungswahrscheinlichkeit noch hoch ist, werden nicht mehr zwingend als Kunststoff-Werkzeug produziert. Bei passenden Geometrien werden die ersten 20 bis 50.000 Stück additiv produziert. Erst wenn die Menge hoch skalieren sollte und die technische Stabilität gegeben wäre, würde man bei Stiwa überlegen, das Teil als Kunststoff-Werkzeug herzustellen. Diese Vorteile nutzt der Maschinenbauer auch in der eigenen Produktion.

Mittels additiver Fertigung ist es möglich, das Gewicht eines Roboter-Greifers beispielsweise von fünf auf 1,7 Kilogramm zu reduzieren. Dadurch ergeben sich zwei Möglichkeiten, sagt Brandmayr: man könne den Roboter kleiner dimensionieren, dann seien die Herstellungskosten günstiger. Oder der Roboter kann schneller fahren, weil er weniger Masse bewegen muss. Diese Verbesserungen haben Folgen. Aber: „Ob der Greifer günstiger ist oder nicht, ist eigentlich nicht das Wesentlichste“, sagt der Stiwa CEO. Vielmehr verbessere sich das Gesamtkontext enorm. Im Sinne der Funktionsintegration werden unter anderem Druckluft-führende Kanäle und Gewinde integriert, die additiv hergestellt wurden. Dadurch hat sich nicht nur die Anwendung von Schläuchen verringert, sie bieten auch keine Angriffsfläche mehr, wodurch sich Abnutzung und die Gefahr des Abreißens reduzieren.

Ersetzen der Zerspanungskapazitäten

Stiwa produziert derzeit 400.000 Fertigungsstunden in variierender Teilegröße und Teilemenge. Man könne sich vorstellen, 60.000 Zerspanungsstunden durch additive Fertigung zu ersetzen, meint Brandmayr. Zur Erreichung dieses Ziels plant das Unternehmen, in der Halle in Gampern 30 bis 40 3D-Drucker aufzubauen. Natürlich gäbe es Einschränkungen bei bestimmten Teilen oder Geometrien, bei denen additive Technologie nicht sinnvoll wäre, „dennoch sind wir überzeugt, dass das Ersetzen von 20 % der Zerspanungskapazität ein realistisches Ziel ist und stellen uns darauf ein“, bekräftigt Brandmayr. Im Ausbau der Technologie sieht er auch die Chance, die Produktion in Europa zu erhöhen und damit zu stärken.

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