Exoskelette in der Industrie : Bringen biomechanische Helfer die Entlastung in der Produktion?

German Bionic Systems

Das deutsche Unternehmen German Bionic ist weltweit führen beim industriellen Einsatz von Exoskeletten und launcht mit Exia das weltweit stärkste Exoskelett unterstützt mit KI-Power.

- © German Bionic Systems

Allein in Deutschland verursachen Erkrankungen jährlich Produktionsausfälle von 17,2 Milliarden Euro und verschärfen zudem den Fachkräftemangel in körperlich anspruchsvollen Berufen. In Anbetracht dessen transformieren Exoskelette von einer Nischeninnovation zum entscheidenden Faktor für die Industrie. Moderne Exoskelette sind heute weit mehr als nur starre Roboterstrukturen. Sie agieren als intelligente Kraftverstärker und lassen sich nahtlos in dynamische Arbeitsabläufe integrieren. Der Marktführer SuitX wird bereits in der Automobilmontage bei Toyota und in den Logistikhallen von DB Schenker eingesetzt. Dort kommen mehrere zehntausend Einheiten des Unternehmens zum Einsatz.

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Das Erfolgsgeheimnis liegt in der passiven Biomechanik. Anstelle schwerer Motoren setzen die Systeme auf elastische Elemente, die Bewegungsenergie speichern und gezielt zurückgeben. Dadurch reduziert sich die Belastung des unteren Rückens um bis zu 56 Prozent, während das System nur wenige Kilogramm wiegt. Bei Überkopfarbeiten, wie sie etwa in der Flugzeugproduktion üblich sind, werden die Lasten über ein Seilzugsystem auf die Hüfte übertragen, während textile Lösungen die Wirbelsäule entlasten, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken.

SUITX
SUITX entwickelt seit mehr als zehn Jahren am Körper getragene Exoskelette, sogenannte "Wearables", um alltägliche Aufgaben an körperlich anspruchsvollen Arbeitsplätzen zu erleichtern. - © SUITX

Von der Forschung zur Serienreife

Der deutschsprachige Raum hat sich zum Epizentrum der Exoskelett-Entwicklung gemausert. Das Fraunhofer IPA in Stuttgart treibt mit Studien wie dem „Exoworkathlon” die Evaluierung voran. Dabei handelt es sich um einen realitätsnahen Testparcours, der verschiedene Einsatzszenarien – vom Heben bis zur Feinmontage – simuliert. Parallel dazu etabliert Ottobock mit Bionic Analytics einen neuen Standard zur Wirkungsmessung: Drei Sensoren erfassen dabei über Wochen hinweg Bewegungsdaten, die KI-gestützt ausgewertet werden, um den ergonomischen Nutzen präzise zu quantifizieren.

Neben den etablierten Playern bringen Start-ups neue Ideen auf den Markt. Ein Beispiel ist Hunic aus dem Schwarzwald, das mit seinen SoftExo-Modellen vollständig auf textile Lösungen setzt. Diese wiegen nur 1,4 Kilogramm und entlasten durch Elastomere die Muskulatur um bis zu 25 Prozent, was besonders bei Aufgaben mit langen Belastungsdauern von Vorteil ist. Schweizer Präzision zeigt Auxivo mit dem Lift Suit. Dieser unterstützt die Hüftmuskulatur bei Hebearbeiten um 40 Prozent und wird bereits von industriellen Kunden wie Wolf System eingesetzt.

Biomechatronische Systeme, Fraunhofer IPA
Beim Festschrauben von Bauteilen überkopf hilft ein Exoskelett, die Muskulatur zu entlasten und Folgeschäden zu vermeiden. - © Fraunhofer IPA

Die nächste Evolutionsstufe: Künstliche Intelligenz und adaptive Systeme

Die Zukunft der Exoskelette wird durch künstliche Intelligenz geprägt sein. Unternehmen wie German Bionic entwickeln mit Exia Systeme, die aus Bewegungsmustern lernen und sich individuell an den Träger anpassen. Solche KI-gestützten Modelle erkennen nicht nur Belastungsspitzen, sondern optimieren auch kontinuierlich die Unterstützungsprofile. Das ist eine Schlüsselfunktion für heterogene Arbeitsteams.

German Bionic hat das Exia von Grund auf neu konzipiert, mit modernster Hardware-Architektur und optimierter Steuerungssoftware. Indem es reale Daten aus echten Arbeitssituationen nutzt, bietet es für ganz unterschiedliche Anwendungsfälle die bislang effektivste Exoskelett-Unterstützung mit bis zu 38 kg dynamischer Entlastung. Doch es ist nicht nur stärker und leichter, sondern auch smarter. Auf Basis realer Daten antizipiert das Exoskelett die Bedürfnisse der Menschen, die es nutzen, und passt die Unterstützung in Echtzeit an. Es lernt aus den Bewegungen der Nutzenden und ihrer Umgebung, erkennt Bewegungsmuster, interpretiert den Kontext und reagiert sofort bedarfsgerecht - durch Unterstützung beim Heben, Gehen, Tragen oder beim Arbeiten in vorgebeugter Haltung. 

"Das Exia ist zukunftweisend im Bereich der Human Augmentation", so Armin G. Schmidt, CEO und Mitgründer von German Bionic. "Unsere Technologie basiert auf jahrelanger Entwicklungsarbeit, den Erfahrungen all der vielen Arbeitskräfte, die bereits mit unserer Technologie arbeiten, und zudem auf Milliarden von Datenpunkten aus dem realen Arbeitsleben. Das Exia reagiert nicht einfach, und es denkt auch nicht nur mit. Es lernt vom Menschen, und zwar gemeinsam mit jeder individuellen Bewegung. So passt es sich immer mehr an und entwickelt sich im Zusammenspiel von Mensch und jeweiliger Tätigkeit weiter."

German Bionic
Armin G. Schmidt, CEO und Mitgründer von German Bionic - © German Bionic

Implementierung im Arbeitsalltag: Zwischen Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit

Der erfolgreiche Einsatz folgt klaren ergonomischen Prinzipien. Wie das Fraunhofer IPA betont, sind Exoskelette nach dem TOP-Prinzip (Technisch-Organisatorisch-Persönlich) erst dann einzusetzen, wenn höherwertige Lösungen wie Automatisierung oder Arbeitsplatzanpassungen ausgeschöpft sind. In nicht-stationären Arbeitsumgebungen – etwa in der Logistikkommissionierung oder auf Baustellen – entfalten sie jedoch ihr volles Potenzial.

Unternehmen wie DB Schenker verzeichnen nach Einführung eine 20-prozentige Steigerung der Arbeitsdauer bei schweren Hebevorgängen. Die Wirtschaftlichkeit überzeugt: Zwar kosten Hochleistungsexoskelette zwischen 3.000 und 8.000 Euro, doch amortisieren sie sich oft innerhalb eines Jahres durch reduzierte Ausfallzeiten.

Typ Funktionsweise Unterstützte Körperregionen Kostenbereich
Passiv Mechanische Kraftumleitung (Federn, Gasdruck) Beine, Rumpf, Arme, Einzelbereiche 3.000 - 8.000 €
Aktiv (Teilunterstützung) Elektrische/pneumatische Antriebe mit einfacher Regelung Kombinationen mehrerer Körperregionen > 8.000 €
Aktiv (Vollunterstützung) Komplexe regelgesteuerte Antriebssysteme Ganzkörperunterstützung Deutlich höher

Kernanwendungen und Wirkungsweise

Die Hauptanwendungsgebiete liegen dort, wo schwere Lasten bewegt oder Zwangshaltungen eingenommen werden müssen:

  • Heben und Tragen: Bei Materialentnahme aus Maschinen, Warenkommissionierung oder im Paketzustelldienst können rückenunterstützende Exoskelette die Belastung des unteren Rückens um bis zu 60 Prozent reduzieren.
  • Überkopfarbeiten: Bei Montagetätigkeiten an Decken oder unter Fahrzeugen entlasten Exoskelette mit Armunterstützung die Schulter-Nacken-Region.
  • Statische Haltungen: Für Arbeiten in vorgebeugter Position oder im Knien bieten beinunterstützende Systeme Entlastung.

Passive Systeme wirken durch biomechanische Kraftumleitung: Sie speichern Energie bei bestimmten Bewegungen und geben sie bei Gegenbewegungen wieder ab – ganz ohne externe Energiequelle. Aktive Systeme nutzen dagegen sensorgesteuerte Elektromotoren oder Pneumatikantriebe.

Exoskelette revolutionieren den Arbeitsschutz durch biomechanische Intelligenz. Sie bieten Antworten auf drängende Probleme unserer Arbeitswelt – von der Demografie bis zum Fachkräftemangel. Wichtig ist eine differenzierte Betrachtung: Nicht jeder Arbeitsplatz eignet sich für Exoskelette, doch wo schwere Lasten oder Zwangshaltungen unvermeidbar sind, schaffen sie entscheidende Entlastung. Die Anbieter zeigen mit wissenschaftlich validierten Lösungen, wie sich menschliche Leistungsfähigkeit und betriebliche Produktivität in Einklang bringen lassen. Die Technologie ist bereit – nun gilt es, sie intelligent in die Arbeitsprozesse zu integrieren.