Produkt : Aluminiumbearbeitung - darf es auch hybrid sein?

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Hybridwerkzeuge kommen häufig bei Kegelsitzbohrungen zum Einsatz.

- © Walter

Fahrwerksbauteile wie Achsschenkel, Querlenker und Radträger werden zunehmend aus Aluminium hergestellt. Und zwar für alle Fahrzeugklassen, und nicht wie lange Zeit bisher nur für Luxusklassen. Das Ziel davon ist eine Gewichtreduktion der Fahrzeuge, die zu weniger Emissionen bzw. bei E-Autos zu mehr Reichweite führt.

Aluminiumlegierungen erfordern allerdings andere Bearbeitungsstrategien in der Zerspanung als die bisher verwendeten Materialien, gerade unter den Bedingungen von hohem Kostendruck und hohen Anforderungen an Bearbeitungsqualität und Prozesssicherheit. Die eingesetzten Zerspanungswerkzeuge sind dabei ein wichtiger Faktor. Walter ist ein Werkzeugbauunternehmen, das viele Automobilzulieferer beliefert.

Aluminium: nicht einfach zu zerspanen

Fabian Hübner, Component & Project Manager Transportation, sagt: „Aluminiumlegierungen sind leicht, bei ausreichend hoher Festigkeit, und lassen sich mit ganz anderen Geschwindigkeiten als die traditionellen Guss- oder Stahlwerkstoffe zerspanen. Das heißt aber nicht, dass sie einfach zu zerspanen sind. Vor allem die langen Späne sind ein Risikofaktor für einen stabilen Prozess. Außerdem können sich an den Schneidkanten der Werkzeuge schnell Aufbauschneiden bilden. Für das Einhalten der vorgegebenen Toleranzen bei den Passmaßen und der Oberflächenqualität wird es dann schnell schwierig. Genau hier kommt es auf die Qualität des Zerspanungswerkzeugs und die richtige Technologie an.“

Komplexe Bohrungen bei Aluminiumlegierungen

Vor allem das Einbringen von Vollbohrungen stellt bei der Fertigung von Fahrwerkskomponenten aus Aluminiumlegierungen eine technische und wirtschaftliche Herausforderung dar. Während bei größeren Bohrungen, wie zum Beispiel der Radnabenbohrung am Radträger, häufig vorgeschmiedete Vertiefungen aufgebohrt werden, werden kleinere Bohrungen wie am Querlenker dagegen ins volle Material eingebracht. Dazu kommen die oft hohe Komplexität der zu bohrenden Konturen sowie die sehr hohen Anforderungen an die Genauigkeit der Bohrung und an die Oberflächenqualität. Meist dienen die kleineren Bohrungen zur Aufnahme von Gleitlagern und Dämpfern. Das heißt, es ist mehr als das schlichte Setzen einer Bohrung gefragt: Es müssen zum Beispiel auch definierte Planflächen oder Fasen angebracht werden, um im nächsten Produktionsschritt Lagerbuchsen oder Dämpfungselemente überhaupt einbauen zu können. Pro Bohrung fallen so schnell bis zu fünf Bearbeitungsschritte an.

Hybridwerkzeuge für mehrere Bearbeitungsschritte

Mehrere Bearbeitungsschritte an einer Bohrung erfordern ein besonderes Zerspanungskonzept, denn Werkzeugwechsel kosten nicht nur Zeit. Sie erhöhen auch das Risiko, die Vorgaben bei Passgenauigkeit und Oberflächenqualität zu verfehlen. Mit dem Konzept des Hybridwerkzeugs, wie etwa Walter es anbietet, soll dies verhindert werden. Hybrid heißt, dass ein Werkzeugkorpus unterschiedliche Zerspanungsschritte ermöglicht, also eigentlich verschiedene Werkzeuge in einem ist. Dabei werden jedoch nicht einfach nur Wendeschneidplatten unterschiedlicher Form eingesetzt: Hybridwerkzeuge verbinden einen Bereich mit austauschbaren Wendeschneidplatten und fest eingelötete PKD-Schneiden – und damit zwei unterschiedliche Werkzeugtypen. Der Bereich für schnell verschleißende Anwendungen wie das Schruppen arbeitet dabei mit Wendeschneidplatten, die leicht vom Kunden selbst gewechselt werden können, ohne dass das gesamte Werkzeug zum Reconditioning eingeschickt werden muss. Das Schlichten gemäß exakter Passungsmaße mit kleinsten Winkeltoleranzen und hohen Anforderungen an die Oberflächenqualität wird dagegen mit fest eingelöteten PKD-Schneiden durchgeführt. PKD-Schneidstoffe zeichnen sich durch ihre hohe Verschleißfestigkeit und die so erreichbaren Standzeiten aus. Eingesetzt werden Hybridwerkzeuge vor allem beim „Voll“-Bohren sowie bei Kegelsitz- und Kugelsitzbohrungen

Walter Werkzeug mit Wendeplatten
Walter Werkzeug mit Wendeplatten (hier P2840) in der Bohr- und Aufbohrstufe sowie eingelöteten PKD-Schneiden für die Bearbeitung des Fertigdurchmessers (Auf- bzw. Feinbohren). - © Walter

Wendeschneidplatten zur besseren Spankontrolle

Die vor allem im Fahrwerksbereich häufig eingesetzten schmied- und warmaushärtbaren Aluminium-Knetlegierungen mit Magnesium und Silizium als Hauptlegierungselemente stellen durch ihr Zerspanungsverhalten hohe Anforderungen an die Schneide selbst: Bei der Bearbeitung bilden sich Aufbauschneiden, die zu einem schnelleren Verschleiß der Schneidkante führen. Durch die Veränderung der Schneidkantengeometrie wirken höhere Prozesskräfte auf das Bauteil ein, sodass die gewünschten Maße und Winkel oder die Oberflächenqualität nicht mehr eingehalten werden. Die von Walter für die Aluminiumbearbeitung entwickelten Wendeschneidplatten (P2840 und P4840 sowie P6004 für Vollbohroperationen sowie P4460 zum Aufbohren) verfügen deswegen über eine besondere Geometrie und Beschichtung: Eine spezifische Oberflächengeometrie soll die Spankontrolle verbessern. Die von anderen Walter Schneidstoffen bekannte HiPIMS (High Power Impuls Magnetron Sputtering) Beschichtung bietet eine extrem glatte und Droplet-freie Oberfläche und verhindert die Aufbauschneidenbildung effektiv, auch bei der Zerspanung mit Minimalmengenschmierung. Die bei der Bearbeitung entstehenden Späne brechen so kurz, dass sich Fließspäne oder Spanknäuel nicht bilden können. Bei fest eingelöteten PKD-Schneiden wird, sofern nötig, durch gelaserte Spanformer- oder Spanbrechergeometrien für die entsprechend gute Spankontrolle gesorgt.Bei Wendeschneidplatten reduzieren scharf präparierte Schneidkanten die Prozesskräfte, sowie hochpolierte Spanflächen und eine spezielle Beschichtung außerdem die Bildung von Aufbauschneiden: Die so erzeugten sehr glatten Oberflächen an der Wendeschneidplatte bieten dem Werkstoff wenig Angriffsfläche. Die Wendeschneidplatten verfügen so über deutlich höhere Standzeiten als nicht-optimierte Typen.

Anwenderbeispiel

Bei Walter werden Hybridwerkzeuge für den Einsatz im konkreten Prozess konzipiert und gefertigt. Der Werkzeugkorpus ist deswegen im Prinzip eine Sonderanfertigung. Durch die hohe Produktivität, die sie im Fertigungsprozess bringen, sollen sich die Werkzeuge schnell rechnen. Ein Kunde von Walter konnte beim Einbringen von Bohrungen in einen Querlenker mit einem Walter Hybridwerkzeug beispielsweise in der Bohrstufe mit einem Durchmesser von 50 mm Schnittgeschwindigkeiten (vf) von über 1.300 m/min bei einem Umdrehungsvorschub (fu) von 0,11 mm erreichen, beim nachfolgenden Auf- bzw. Feinbohren vf 850 m/min bei einem Zahnvorschub (fz) von 0,12 mm.

Walter Kombiwerkzeug
Wirkungsweise des Spanbrechers von Walter: Die gelaserte Spanbrechergeometrie soll für eine prozesssichere Bearbeitung sorgen. - © Walter