Energie : Alle Zeichen stehen auf Gas. Noch.

Erdgas
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Während dieser Tage auf der wirtschaftspolitischen Ebene über ein mögliches Gasembargo gegen Russland diskutiert wird, sind vor allem energieintensive Betriebe am Zittern. Umstellen auf erneuerbare Energien? Ja gerne. Aber von heute auf morgen? Laut einer Energieagentur-Studie im Auftrag des Klimaministeriums wäre ein Ausstieg aus dem russischen Gas in Österreich in fünf Jahren möglich. Aber nur, wenn gleichzeitig der Verbrauch um ein Viertel sinkt. Zusätzlich brauche es eine Umstellung auf alternative Energieträger. Hier ist immer öfter „grünem“ Wasserstoff und Gas aus Biomasse die Rede.

Dominoeffekt

Dass sich VertreterInnen der Industrie noch mehrheitlich gegen einen sofortigen Lieferstopp einsetzen, ist aus ihrer Perspektive nachvollziehbar. Auch der Dominoeffekt, den etwa Produktionsstopps in der der Papierindustrie auslösen könnten, ist nicht zu missachten. Zu groß sind die Interdependenzen mit anderen Branchen und den Haushalten, die auf die Verpackungen und Abwärme der Papierproduktion angewiesen sind. Mitnichten stellen sich die industriellen Entscheidungsträger gegen Energiesparmaßnahmen oder die Ausweitung von Erneuerbaren. Nicht nur angesichts der russischen Aggressionen, sondern auch im Hinblick auf die drohende Klimakatastrophe.

"Die Papierindustrie bemüht sich seit Jahren um CO2-Reduktion und die Abkehr von fossilen Brennstoffen", sagt etwa Max Oberhumer, Geschäftsführer vom Papierhersteller Sappi Gratkorn und außerdem Präsident von Austropapier. Sein Unternehmen ist als letzte Papierfabrik Österreichs aus der Kohlebefeuerung ausgestiegen – als Maßnahme zur Dekarbonisierung. In Kürze soll deren Anlage in der Nähe von Graz wieder in Betrieb gehen, und zwar mit Gas und Biomasse als Mischbrennstoff. In einem ersten Schritt haben wir vorgesehen, dass wir im Jahresschnitt etwa ein Drittel an Biomasse einsetzen. Im Moment lautet Oberhumers Resumee dennoch: "Ohne Gas keine Papiererzeugung".

Schaffen wir das?

Walter Boltz, der ehemalige Leiter der österreichischen Energieregulierungsbehörde E-Control, sagt ja. In einem Interview plädiert er für den Ausstieg Europas aus russischem Gas, eine gerechte Verteilung der vorhandenen Gasreserven und die Erschließung alternativer Gasquellen. Für die energieintensive Industrie – Stahl, Papier, Chemie und Glas – hat er sich auch etwas überlegt: Unternehmen aus diesen Sparten sollten fürs Gas-Einsparen belohnt werden.

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"Die Papierindustrie bemüht sich seit Jahren um CO2-Reduktion und die Abkehr von fossilen Brennstoffen", Max Oberhumer, Geschäftsführer Sappi Gratkorn. - © WK
Ein Mindestbezug aus Russland ist in den kommenden Monaten unverzichtbar.
Martina Merz, Thyssenkrupp

Botz‘ „Wir schaffen das!“-Ausruf stehen die Ängste der Industrievertreter entgegen. Denn von außen betrachtet, ist das Gas-Dilemma wohl einfacher zu lösen als aus dem Inneren der Betriebe. Die Position der Industriellenseite scheint also klar: kein Austritt aus russischem Gas. „Die Deutsche Handelskammer in Österreich unterstützt die Entscheidung der deutschen und österreichischen Bundesregierung, einem Energieembargo für Gas nicht zuzustimmen“, hieß es von DHK Präsident Pötsch in einer Aussendung vom 27. April.

Einen abrupten Importstopp für russisches Gas lehnt auch Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz ab: "Ein Mindestbezug aus Russland ist in den kommenden Monaten unverzichtbar“, sagte sie Anfang April. Vor einem „Einbruch der Industrieproduktion in Deutschland und der EU“ warnte auch die deutsche Wirtschaftsvereinigung Stahl. Und der Feuerfesthersteller RHI Magnesita ließ verlautbaren, dass ein Gas-Stopp „weite Teile der Industrie in Österreich und Europa erheblich und rasch beeinträchtigen“ würden. Auch hier würde es zu weitgehenden Auswirkungen kommen, da Feuerfestprodukte die Basis für die Stahl-, Zement-, Glas und Kupferindustrie darstellen.

Alternativen

Ob "grüner" Wasserstoff, der ohne CO2-Emissionen auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird, wie manche hoffen, der Heilsbringer sein wird? Jedenfalls nicht in den nächsten Monaten. „So viel grünen Wasserstoff, wie wir bräuchten, ist in Österreich noch gar nicht verfügbar“, weiß Uwe Schmidt, CCO, des Kupferproduzenten Montanwerke Brixlegg. Sind also die Positionen gegenüber einem Gasembargo klar – gesellschaftliche Kräfte dafür und industrielle dagegen? Leichte Gegentöne vernimmt man von den CEOs for Future. Sie möchten fossiles Gas so rasch dort ersetzen, wo es am ehesten möglich ist: „Damit unsere Industrie für eine Übergangszeit Gas zur Verfügung hat, müssen andere Bereiche schneller umsteigen“. Zudem sollte laut der Organisation schnellstmöglich das heimische Grüngas-Potential aktiviert werden. Die Gebote der Stunde heißen demnach wohl: Einsparen, Umsteigen und zugunsten derer, die auf das Gas am meisten angewiesen sind: Umverteilen.