Intelligente Sensorik : Wie Bosch Engineering Güterwaggons vernetzt

Bosch AMRA
© Bosch Engineering

Viele Jahrzehnte lang war es im Schienengüterverkehr nicht möglich den Transportverlauf eines Waggons elektronisch mitzuverfolgen. Der Grund: Im Gegensatz zu anderen Transportmitteln war im eisernen Waggon keine eigene Energiequelle verfügbar, um eine brauchbare Verbindung nach außen herzustellen. Aber das war gestern. Dank Digitalisierung und moderner Sensortechnik hält die totale Vernetzung des Waggons mit dem Rest der Welt auch im Bahngüterverkehr Einzug. Die Lösung der Zukunft: Eine smarte kleine Box, vollgepackt mit High-Tech, wird im Waggon angebracht und zeichnet den gesamten Bewegungsablauf eines Waggons auf, er wird dadurch gläsern und liefert dem Nutzer alle relevanten Informationen in Echtzeit. Dieses kleine unscheinbare Ding nennt sich neudeutsch „Asset Monitoring for Railway Applications“ (AMRA) und wird seit dem Jahr 2012 von Bosch Engineering in Deutschland gemeinsam mit dem Projektpartner Schweizerische Bundesbahnen, genauer gesagt mit der Güterdivision SBB Cargo entwickelt.

Erkennt, ob Ware beschädigt ist

Mit AMRA wird der Güterverkehr auf der Schiene in das digitale Zeitalter geholt, weil damit der genaue Standort, der Zustand und der Inhalt des Waggons jederzeit realtime erfassbar wird. „Dank intelligenter und vernetzter Sensoren erfassen wir Echtzeit-Daten von Güterwagen und verarbeiten sie online. Damit erkennen die Waggons selbst, ob die Kühlkette eingehalten oder wann der Waggon beim Empfänger zeitgenau eintrifft“, erklärt Bernhard Bihr, Geschäftsführer von Bosch Engineering. Doch damit nicht genug: Mit AMRA werden auch alle relevanten Daten den Waggons selbst betreffend aufgezeichnet, wann beispielsweise die nächste Wartung des Waggons notwendig ist oder ob bei der Technik am Waggon ein Mangel festgestellt wird. Wie ein Kilometerzähler im Auto so zeichnet AMRA im Waggon exakt genau die kilometermäßige Laufleistung auf. In der Box befinden sich verschiedene Sensoren, die beispielweise die Temperatur, Erschütterungen des Waggons und der Ware oder Laufleistung akribisch elektronisch aufzeichnen. Gerade beim Rangieren von Waggons kann es starken Stößen kommen die dem Frachtgut nicht gut bekommen und die Gefahr besteht, dass die Ware beschädigt wird. Wird beispielsweise Obst in einem Kühlwaggon transportiert und gibt es kritische Abweichungen bei der Temperatur wird bei der Leitstelle ein Alarm ausgelöst und kann in den Transportlauf eingegriffen werden. AMRA weist alle Tatbestände nach und präsentiert eine lückenlose Dokumentation des Transportverlaufs. Im Schadensfall liegen dann Fakten auf dem Tisch und Versicherer oder Schadensregulierer haben klare Anhaltspunkte bei etwaigen rechtlichen Streitereien.

Kommerzielle Vermarktung gestartet

Mehr als 300 Waggons wurden mit AMRA von Bosch schon ausgestattet und testen die Technik auf Bahnstrecken in Europa, Nordamerika und Australien. „Unser System ist vor kurzem in Serie gegangenen“, kündigt René Höpfner, Senior Product & Sales Manager bei Bosch Engineering in Stuttgart gegenüber Factory an. Soll heißen, dass in absehbarer Zeit die kommerzielle Vermarktung startet. AMRA ist nicht nur für Bahngesellschaften interessant, sondern auch für Handels- oder Industrieunternehmen sowie private Waggonvermieter, die eigene Waggonflotten betreiben und diese ins digitale Zeitalter ziehen, sprich nachrüsten wollen. Dass sich Bosch und SBB Cargo gefunden haben kommt nicht von ungefähr: Bosch als Entwicklungsdienstleister bündelt seine Expertise in der Automobiltechnik in diesem Projekt und SBB Cargo als europäische Bahngesellschaft sieht in AMRA einen großen Sprung in die Zukunft. „Wir müssen das machen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das können wir nur mit Innovationen erreichen, und zwar mit solchen, die wir in Kooperation mit anderen Branchen für die Schiene adaptieren“, ist Nicolas Perrin, CEO von SBB Cargo felsenfest überzeugt.

Das Potenzial ist groß

AMRA ist flexibel anwendbar. In die Box können zusätzliche Sensoren implantiert werden für zusätzliche, neue Funktionen. „Auch sind wir in der Lage AMRA punktgenau auf die Bedürfnisse jedes Kunden anzupassen“, betont Höpfner. Die kleine Box ist mit gerade mal 700 Gramm ein leichtes Ding mit großer Wirkung, wobei die Hardware robust ist und gegen Nässe, Hitze und Kälte resistent ist. AMRA ist sowohl als Nachrüstlösung für jeden Waggontypus als auch für neue Güterwagen in der Erstausführung geeignet; sie arbeitet energieautark mit einer integrierten Batterie, deren Lebensdauer mit sechs Jahren versprochen wird. Es braucht also keine Stromversorgung, die Box im Waggon anbringen und schon ist er digital mit der Welt verbunden. Das Potenzial für AMRA ist ein großes: In Österreich werden jährlich an die 120 Millionen Gütertonnen Fracht mit Waggons durch das Land transportiert. Dafür braucht es viele Waggons, die ÖBB haben beispielsweise mehr als 23.000 Güterwagen in ihrem Fuhrpark. In Deutschland werden jährlich 400 Millionen Tonnen Güter per Bahn auf einem Netz von 40.000 Kilometern transportiert. Es gibt europaweit agierende private Waggonvermieter, von denen etwa einer allein (VTG) 70.000 Güterwagen unterschiedlicher Kategorien vermietet.

Fazit AMRA: Mit der smarten Box von Bosch am Waggon hält die Digitalisierung im Bahngüterverkehr Einzug. Damit lässt sich der gesamte Transportverlauf von Frachtsendungen im Bahngüterverkehr exakt nachverfolgen und wird der Bahntransport so per saldo attraktiver für Verlader aus Handel und Industrie.

SBB Cargo digitalisiert gemeinsam mit Bosch Engineering die Logistik auf der Schiene.