Industrierobotik : Vom Strafvollzug zur Robotik

Neura Robotics David Reger CEO und Gründer
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FACTORY: Robotik boomt – doch wodurch unterscheidet sich Neura Robotics von anderen Robotik-Spezialisten?

David Reger: Definitiv ist die Robotik momentan relevanter als je zuvor, jedoch bin ich auch der Meinung, dass wir noch in den Kinderschuhen in diesem Bereich stecken. Roboter müssen intelligenter und kollaborativer werden, um die nächste Stufe und den wirklichen Durchbruch mit vollem Impact auf unsere Gesellschaft zu erreichen. Zu viele Unternehmen beschäftigen heutzutage Mitarbeiter mit Jobs bei denen unzumutbare Arbeitsbedingungen vorherrschen. Intelligente Roboter sind in diesen Branchen noch nicht zu finden, jedoch haben wir uns auf den Weg gemacht dies zu ändern. Alle Roboter aus unserem Haus folgen einem menschen-zentrierten Designansatz, welcher eine natürliche Kollaboration zwischen Menschen und Maschinen ermöglicht. Hier grenzen wir uns von konkurrierenden Unternehmen ab, da kein anderes Unternehmen die notwendige vertikale Technologieausrichtung besitzt, um ein wirklich kollaboratives System zu entwickeln. Wir entwickeln alle Schlüsseltechnologien komplett selbst oder in enger Zusammenarbeit mit Kollaborationspartnern, halten jedoch das Kern-Know-how der Technologie nah bei uns und setzen auch auf eine extensive Patentstrategie.

Wo liegen die Anfänge Ihres persönlichen Weges zur Robotik?

Reger: Mein Weg zur Robotik begann nach meinem Aufenthalt in San Francisco bei dem ich als Sozialarbeiter im Strafvollzug Obdachlosen, sowie Kriminellen geholfen habe ihr Leben wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Hier wurde mir klar, dass ich mein Leben der Bestimmung widmen möchte, Menschen zu helfen, dass sie nicht in solchen Situationen enden. Daraufhin habe ich verschiedene Technologien evaluiert und den Entschluss gefasst, dass die Robotik ein essenzieller Schlüssel wird, um ein besseres und faireres Leben für jeden zu ermöglichen. Um diese Vision zu verfolgen bin ich zurück nach Europa bzw. in die Schweiz gezogen und habe dort die Robotik, sowie 3D-Druck Sparte eines Hidden Champion übernommen bei dem wir innerhalb eines Jahres einen Cobot, den genauesten Schwerlastroboter der Welt, sowie einen autonomen mobilen Roboter entwickelt haben.

Was muss sich also in der Fertigung verändern, damit Cobots optimal zum Einsatz kommen können?

Reger: Ich betrachte das Problem eher von der anderen Seite, wodurch ich die Frage wie folgt umformulieren würde: Was muss sich an Cobots ändern, damit sie optimal in der Fertigung zum Einsatz kommen können? Wir bewegen uns in einer Welt, die immer mehr durch den menschlichen Einfluss geformt wurde. Jedes Gebäude, jede Straße ist ein Erzeugnis menschlicher Innovationskraft und dadurch auch von Menschen für Menschen gemacht. Das gleiche gilt für die Produktionsstraßen und die dort beinhalteten Produktionssysteme.

Hieraus wird klar, dass die kritische Komponente für eine höhere Produktivität für Roboter in jeglichen Umgebungen eine menschenähnliche Wahrnehmungsgabe ist. Ein Roboter muss sehen, hören und haptisches Feedback fühlen können. Dann kann sich der Roboter flexibel und autonom sich ändernden Umgebungsbedingungen anpassen, wodurch das volle Potential der Robotik ausgeschöpft werden kann. Beispielsweise kann ein solch intelligenter Roboter in Kombination mit einer mobilen Einheit, mehrere Maschinen be- und entladen, sobald sie ihren Prozess abgeschlossen haben und parallel durch auditives Feedback kontrollieren, ob der parallellaufende Prozess ordnungsgemäß abläuft und gegebenenfalls bei Unregelmäßigkeiten einen Supervisor informieren, der dann schnell eingreifen kann, um einen längeren Ausfall zu verhindern.

Stichwort Industrie 4.0 und Smart Factory: Wo sehen sie besonderes Entwicklungspotenzial und wohin wird sich Ihrer Ansicht nach die Industrierobotik entwickeln?

Reger: Die Industrierobotik wird sich sehr polarisiert entwickeln, aber eins steht fest: Alle Roboter, egal ob kleine agile Cobots bis hin zu Schwerlastrobotern die mehrere Tonnen an Payload bewegen, müssen intelligenter werden, damit jeder Sie benutzen kann. Nur hierdurch kann das volle Potenzial der Roboter ausgeschöpft werden, da die Eintrittsbarriere verringert und die Programmierung von Robotern vereinfacht wird. Daher arbeitet Neura Robotics insbesondere an der Intelligenz, die es jedem Roboter ermöglichen wird intuitiv und adaptiv mit Menschen zu interagieren, denn wir glauben daran, dass die Assistenten von morgen Roboter sein werden.

Abschließend: Wie positioniert sich Ihrer Auffassung nach die Robotik-Branche in der DACH Region derzeit und was braucht es für die erfolgreiche Robotik von morgen?

Im Gegensatz zu anderen Industrien, in denen uns leider vermehrt der Rang abgelaufen wird, sind wir im Bereich der Robotik in der DACH Region in einer Pole-Position, welche wir durch politische Maßnahmen und Förderungen sichern sollten. Das wertvolle Produktions-Know-how, welches über Jahrhunderte in dieser Region durch zum Beispiel die Autoindustrie aufgebaut wurde, ist ein Vorteil, der von anderen Nationen kaum noch aufzuholen ist.

Neben den technischen Voraussetzungen für die erfolgreiche Robotik von morgen, gilt es in erster Linie ein innovationshungriges, motiviertes und leidenschaftliches Team aufzubauen. Dies gilt heutzutage für alle hoch innovativen Unternehmungen, da die immer weiter zunehmende Innovationskraft und immer kürzer werdenden Technologiezyklen eine schnelle sowie präzise Entwicklungs- und Markteintrittsstrategie erfordern, was dynamische Anpassungen und eine erhöhte Wachsamkeit bezüglich gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Änderungen nach sich zieht, damit man nicht plötzlich von der Konkurrenz aus dem Markt getrieben wird. Hierfür wird ein Umdenken in der Gesellschaft der DACH-Region erfordert. Leute die mutig vorangehen und Risiko eingehen, um die Zukunft von morgen mitzugestalten, müssen sowohl finanziell als auch gesellschaftlich gefördert werden. Nur so können wir weiterhin unseren Vorsprung halten.

Über Neura Robotics

Der Robotikspezialist startete im Jahr 2019 und entwickelte innerhalb von zwei Jahren drei Roboterserien: die einsteigerfreundliche Cobot-Variante Namens LARA (Light Agile Robotic Assistant), ein fahrerloses Transportfahrzeug mit dem Namen MAV (Mobile Autonomous Vehicle) und dem ersten kommerziell erwerblichen kognitiven Roboter namens MAiRA (Multi-sensing Intelligent Robotic Assistant). Der Name Neura Robotics leitet sich von dem Neuron (Nervenzelle) ab.