Faulhaber : Präzisionsdüngen schützt Grundwasser
Pflanzen benötigen neben Licht, Wasser und Spurenelementen nur sechs Nährstoffe: Phosphor, Kalium, Magnesium, Kalzium, Schwefel und Stickstoff. Letzterer, mit dem chemischen Symbol N bezeichnet, ist nach der Menge der wichtigste. Er wird unter anderem für die Bildung von Eiweißverbindungen und Chlorophyll sowie für das Wachstum von Trieben und Blättern gebraucht.
Stickstoff ist der Hauptbestandteil der Erdatmosphäre. Dort ist er in seiner elementaren Form (N2) als Gas im Überfluss vorhanden. Dummerweise können die meisten Pflanzen so nichts mit ihm anfangen. Sie können Stickstoff nur durch ihre Wurzeln aus der Erde aufnehmen und benötigen ihn in Form von Ammonium (NH4+) oder als Nitrat (NO3–).
Nitratverbindungen machen den größten Teil der mineralischen Düngemittel aus, mit denen die moderne Landwirtschaft üppige Erträge erreicht. Zur richtigen Zeit und in der richtigen Menge ausgebracht, können sie von den Pflanzen annähernd vollständig aufgenommen und in Nahrungsmittel und Biomasse verwandelt werden. Nur wenn zu viel Nitrat auf den Äckern landet, gibt es Folgeprobleme. Überschüssiges Nitrat sickert früher oder später mit dem Regen ins Grundwasser.
Streubild schärfen
Die herkömmliche Methode, um Mineraldünger auf dem Feld zu verteilen, besteht in der Verwendung sogenannter Zweischeibenstreuer: Das Düngemittel fällt aus dem Vorratsbehälter hinter dem Traktor auf zwei waagerecht rotierende Scheiben. Ihre Drehbewegung schleudert die Körner bis zu 25 Meter nach links und rechts, während die Maschine über den Acker fährt. So lassen sich zwar große Flächen in kurzer Zeit düngen, doch die Verteilung erfolgt pauschal und auf die Gesamtfläche berechnet. Das „Streubild“ ist unscharf; bei unregelmäßigen Feldformen, in Kurven und an Wegrändern entstehen unweigerlich Streifen, die zu wenig oder zu viel Dünger abbekommen. Außerdem funktioniert das Schleudern nur mit Düngerkörnern von gleichmäßiger Größe und Qualität zuverlässig.
„All diese Nachteile können wir mit unseren Exakt-Düngerstreuern der Aero-Reihe umgehen“, sagt Maximilian Zimmer. Er ist Teamleiter für Elektronik-Entwicklung bei der RAUCH Landmaschinenfabrik im badischen Sinzheim. „Das Granulat wird hier nicht weitflächig geschleudert, sondern gelangt durch ein Rohrsystem in der richtigen Menge und fein verteilt aufs Feld. Dabei kann die Maschine gezielt Stellen aussparen, an denen kein Dünger benötigt wird.“
Dosiersystem mit schaltbaren Sektionen
Die Grundlage für solches Präzisionsdüngen ist das MultiRate-Dosiersystem, laut Hersteller „das weltweit erste Dosier- und Verteilsystem für granulierte Dünger zur kleinräumigen und punktgenauen Pflanzenernährung“ für Pneumatik-Düngerstreuer. Es erlaubt, dreißig Streusektionen einzeln zu- und abzuschalten. Zugleich kann die ausgebrachte Menge für jede Sektion einzeln geregelt werden. Damit lässt sich gleichzeitig der Düngerverbrauch pro Fläche um bis zu 23 Prozent reduzieren und der Ertrag erheblich steigern.
Das Düngergranulat gelangt durch dreißig einzelne Rohre zielgenau dosiert auf 1 bis 1,2 Meter breite Streifen auf dem Feld. Hinter der individuellen Zuführung steckt eine ausgeklügelte Technologie: Das Düngemittel wird durch mehrere Trichter zu sechs Dosierwellen mit je fünf Segmenten geführt. Diese sind CAN-Bus-gesteuert und verfügen über Nockenräder, welche das Granulat in kleine Portionen unterteilen. Danach wird es per Gebläse mit einem Luftstrom beschleunigt und zum Auslass befördert.
Motordrehzahl regelt Düngermenge
Jedes Nockenrad-Segment wird von einem bürstenlosen Flachmotor der Reihe 4221…BXT von FAULHABER mit einem kundenspezifischen Sondergetriebe bewegt und kann einzeln angesteuert werden. „Die Drehzahl des Motors regelt die Menge des ausgebrachten Düngers“, erläutert Maximilian Zimmer. „So kann die Maschine zum Beispiel dafür sorgen, dass in einer Kurvenformation die Menge pro Fläche immer gleich ist, obwohl jeder Auslass einen anderen Radius abfährt. Wenn sich bei schrägen Feldgeometrien Reihen überschneiden oder die Maschine an den Wegrand kommt, können einzelne Auslässe automatisch ab- und später wieder zugeschaltet werden. Hier kommt es sehr auf die Dynamik des Motors an. Er muss praktisch ohne Zeitverzug die genau vorgegebene Drehzahl erreichen und ein hohes Drehmoment liefern.“
Diese Leistung stammt aus einen äußerst kompakten Antrieb mit nur 42 Millimeter Durchmesser und einschließlich Getriebe 49 Millimeter Länge, die in robusten Stahl- und Aluminiumgehäusen untergebracht sind. Damit widersteht die Einheit den in der Landwirtschaft unvermeidlichen mechanischen Erschütterungen. Auch Wetterextreme machen ihnen nichts aus: Der Temperaturbereich erstreckt sich von minus 10 bis plus 60 Grad.
Variable Bodenqualität berücksichtigen
Das vom FAULHABER-Motor angetriebene MultiRate-Dosiersystem ermöglicht „Precision Farming“ im Sinne des Wortes. Die Fahrgassen – also die Spuren der Traktorräder – werden beim Düngen ebenso ausgespart wie kleine Biotope oder andere nicht-agrarische Flächen, die sich inmitten von Feldern befinden können. Außerdem kann man die Düngermenge auch exakt an unterschiedliche Böden innerhalb eines Ackers anpassen. „Die Bodenqualität ist kleinteilig in digitalen Applikationskarten verzeichnet“, erklärt Maximilian Zimmer. „Anhand solcher Karten und GPS-Daten kann die Maschinensteuerung die Düngerabgabe vollautomatisch an den Gegebenheiten ausrichten.“
Neben dem Dünger kann man mit den Aero-Düngerstreuern auch Zwischensaaten wie Raps oder Senfgras ausbringen. Sie binden Nährstoffe, schützen den Boden und tragen zu seiner Verbesserung bei. Die Qualität des Düngergranulats spielt eine wesentlich geringere Rolle als bei den Scheibenstreuern: Die Maschine kann selbst bei einem hohen Anteil an Bruch und Staub fein dosieren und zielgenau ausbringen. Maximilian Zimmer fasst zusammen: „Diese Präzisionstechnologie schont nicht nur die Umwelt und insbesondere das Grundwasser, sondern senkt auch die Ausgaben. Der Landwirtschaftsbetrieb kommt bei höherem Ertrag mit weniger Dünger aus. Und der kann bei geringerer Granulatqualität auch noch deutlich weniger kosten.“ Der Aero-Düngerstreuer wurde im November 2021 mit dem Umwelttechnikpreis, Kategorie Mess-, Steuer- und Regeltechnik, Industrie 4.0, des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.
Mehr Infos über Flachmotoren der Serie 4221 finden Sie hier.