Aerospace Engineering : FH Wiener Neustadt schickt Nanosatellit in den Orbit

Pegasus - Nanosatelit
FH Wiener Neustadt TU Wien Space Team
Space Tech Group
© Weller

„Es freut mich sehr, dass die letzten drei Jahre intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit unseres Studiengangs ‚Aerospace Engineering‘ Früchte tragen. Studierende wie auch MitarbeiterInnen des Master-Programms haben unermüdlich daran gearbeitet und wesentlich dazu beigetragen, dass nun schon bald ein hochmoderner Satellit die Erde umkreisen wird. Eine Erfahrung, die einem so schnell keiner mehr nehmen kann“, so Josef Wiesler, Geschäftsführer der FH Wiener Neustadt.

Im Rahmen des europäischen Projekts QB50 haben MitarbeiterInnen und Studierende des Master-Studiengangs „Aerospace Engineering“ der FH Wiener Neustadt gemeinsam mit dem FH-eigenen Forschungsunternehmen Fotec und den beiden Partnern, dem TU Wien Space Team und der Space Tech Group, den Nanosatelliten Pegasus entwickelt. QB50 ist eine Weltpremiere, denn bei diesem Projekt handelt es sich um den ersten Versuch, durch ein Netzwerk von insgesamt 36 Kleinsatelliten nähere Informationen über die am wenigsten erforschte Schicht der Erdatmosphäre, die so genannte Thermosphäre, zu erhalten. Diese Satelliten wurden von Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus 23 verschiedenen Ländern rund um den Globus entwickelt. Die FH Wiener Neustadt ist eine davon und auch die erste Institution in Österreich, die nach dem neuen Weltraumgesetz eine Weltraumaktivität durchführt. Hierfür wurde der gesamte Genehmigungsprozess mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) durchlaufen.

Wie Pegasus funktioniert

Pegasus wird im Netzwerk der QB50-Satelliten die Thermosphäre in ca. 200-500 km Höhe erforschen. Über diesen wichtigen Teil der Erdatmosphäre ist derzeit nur wenig bekannt. Jedenfalls schützt er aber vor energiereicher, also gesundheitsschädlicher Strahlung. Nur wenige Forschungsmissionen wurden bis jetzt in dieser Höhe geflogen, da die Reibung der Restatmosphäre die Satelliten bereits nach wenigen Monaten zum Absturz bringen würde. Wird ein großer und daher teurer Satellit eingesetzt, ergibt sich eine kurze wie auch kostspielige Mission. Zusätzlich zur Redundanz bietet der Einsatz eines Netzwerks von Kleinsatelliten gegenüber Einzelmissionen den Vorteil, dass auf gleichzeitige Messdaten von vielen Messpunkten zurückgegriffen werden kann. Das erhöht die wissenschaftliche Aussagekraft der Daten und hilft dabei, etwaige Messfehler auszusortieren. Atmosphärische Modelle, die z. B. für Wettervorhersagen herangezogen werden, sollen durch diese Messdaten spezifischere Informationen liefern können.

„Die Entwicklung des praxisnahen wie auch forschungsintensiven Studiengangs ‚Aerospace Engineering‘, der Ausbau von Unternehmen wie Diamond Aircraft, Austro Engine oder auch Schiebel zu Innovationstreibern in der Luftfahrt, der Forschungsschwerpunkt Raumfahrt im Technologie- und Forschungszentrum Wiener Neustadt – all das hat dem Technopol Wiener Neustadt einen Fixplatz in der internationalen Forschungscommunity eingebracht“, erläutert Bürgermeister Klaus Schneeberger, Aufsichtsratsvorsitzender der FH Wiener Neustadt. „Die wissenschaftliche Qualifikation aller MitarbeiterInnen, die praxis- wie auch zukunftsorientierte Ausbildung der FH Wiener Neustadt und auch die Erfahrung in der Kooperation mit der Industrie und den internationalen Weltraumagenturen erfüllen höchste internationale Qualitätsstandards. Sonst wären solche Entwicklungen gar nicht erst möglich.“

Pegasus-Vibrationstests

„Durch das hohe Engagement aller Beteiligten wird der Technologie-Standort Wiener Neustadt auch international zunehmend als Hotspot für Luft- und Raumfahrt wahrgenommen. Arbeitsplätze wurden und werden laufend geschaffen, Forschung betrieben und junge Talente an der FH Wiener Neustadt ausgebildet. Solche Fakten machen nicht nur den regionalen Standort attraktiv, sondern sind für den gesamten Technologie-Standort Niederösterreich von großer Bedeutung“, freut sich Wirtschafts- und Technologielandesrätin Petra Bohuslav.

Der Master-Studiengang „Aerospace Engineering“ zeichnet sich neben der ausgeprägten Praxisorientierung vor allem durch seinen internationalen Fokus aus. Es wird laufend an (inter-)nationalen Forschungsprojekten in enger Kooperation mit der Industrie gearbeitet, wie z. B. in diesem Fall mit der RUAG Space GmbH, welche sogenannte Environmental Tests (Schock-Test und thermischer Vakuum-Test) als Belastungsprobe für den Satelliten durchgeführt hat. Ein Highlight stellt mit Sicherheit auch das Antriebssystem dar, welches mit der Unterstützung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um einen gepulsten Plasma-Antrieb, der so noch nie zuvor erfolgreich auf einem Nanosatelliten zum Einsatz kam.

Anfang Juni wird Pegasus voraussichtlich mit der indischen Trägerrakete PSLV in den Orbit geschossen, um dort Messungen in der Thermosphäre vorzunehmen. Hier endet das Projekt noch lange nicht, denn es ist zugleich der Anfang eines neuen und vielversprechenden Forschungskapitels.

Die Forschungsteams rund um Pegasus & deren Beiträge

Um einen Satelliten zu entwickeln, benötigt es viele Partner mit ebenso vielen Kompetenzen. Die FH Wiener Neustadt und ihr Forschungsunternehmen Fotec haben sich daher mit ihren Partnern, dem Space Team der TU Wien und der Space Tech Group, zusammengeschlossen, um die herausfordernden Aufgaben zur Entwicklung von Pegasus gemeinsam zu meistern.

FH Wiener Neustadt & Fotec

2012 startete das Projekt Pegasus an der FH Wiener Neustadt und der Fotec mit der Ausarbeitung des Satellitenkonzeptes. Im Anschluss daran wurde die Struktur rund um das Lagerregelungssystem wie auch den Antrieb aufgebaut. Nach Fertigstellung dieser Systeme erfolgte die Integration zu einem Satelliten, welcher in den Testanlagen der FH Wiener Neustadt und der Fotec umfangreichen Tests unterzogen wurde. Die finale Qualifikation des Flugmodells wurde dabei in Zusammenarbeit mit der Ruag durchgeführt. Projektleitung- wie auch Finanzierung liegen bei der FH Wiener Neustadt.

„Pegasus ist das beste Beispiel dafür, dass unsere Studierenden bereits während ihrer Ausbildung optimal auf das spätere Berufsleben vorbereitet werden, da Praxisorientierung und angewandte Forschung einen ausgesprochen hohen Stellenwert an der FH Wiener Neustadt haben. Mit seinen knapp zwei Kilogramm und einer Größe von nur 10x10x20 cm ist Pegasus zwar ein kleiner Satellit, dennoch weist er dieselbe Komplexität wie tonnenschwere Exemplare auf, was ihn zu einem Vorzeigeprojekt der F&E-Arbeit an Österreichs Fachhochschulen macht“, so Carsten Scharlemann, Studiengangsleiter „Aerospace Engineering“ wie auch Pegasus-Projektleiter an der FH Wiener Neustadt.

„Wir erwarten uns wertvolle Erkenntnisse über die Funktionalität der hergestellten Hardware im Orbit, um diese in künftigen FOTEC-Entwicklungen für Wissenschaftsmissionen der ESA und NASA einfließen lassen zu können“, betont Helmut Loibl, Geschäftsführer der Fotec.

Space Tech Group (STG)

Für Pegasus entwickelte STG die Kommunikationseinheit Stacie, ein System zur Pufferung von Spitzenströmen namens Tessa, eine Bodenstation, ein Bodenstationsnetzwerk und das Missionskontrollzentrum. Der selbst entwickelte Space Data Server erlaubt die Speicherung und Weiterverarbeitung der aus dem Bodenstationsnetzwerk gewonnenen Daten. Die Koordination der Programmierung des Bordcomputers sowie Teile der Programmierung selbst wurden ebenfalls von der STG durchgeführt.

„Für Pegasus haben wir mit Stacie die Kommunikationseinheit völlig neu konzipiert und ein redundantes System geschaffen, das für diese Satellitengröße einzigartig ist. Warum sollen in kleinen Satelliten nicht auch hocheffiziente und ausfallssichere Systeme arbeiten wie in großen Satelliten? Die Herausforderung in der Entwicklung bestand im geringen Platzangebot und der wenigen zur Verfügung stehenden Energie. Daher musste zusätzlich Tessa, ein System zur Speicherung von Spitzenströmen, gebaut werden“, so Michael Taraba von der STG.

TU Wien Space Team

Das TU Wien Space Team, bestehend aus Studierenden der TU Wien, konzipierte und fertigte die Power Supply Unit (Herz von Pegasus), das Energiemanagementsystem des Satelliten und den Bordcomputer (Gehirn von Pegasus). Die Power Supply Unit verteilt die Energie aus den Solarzellen optimal auf die Geräte an Bord oder speichert sie in den Batterien. Bei einem Fehlerfall schaltet das Energiemanagementsystem defekte Teilsysteme selbständig aus, um die Funktionsfähigkeit des restlichen Satelliten zu erhalten. Am Bordcomputer laufen die Daten aus den Funkmodulen und den Sensoren zusammen. Außerdem wird hier die Flugsoftware ausgeführt und Missionsdaten verarbeitet. Weiters wurden Module zur Anbindung der wissenschaftlichen Einheit und des GPS Moduls implementiert. Das TU Wien Space Team entwickelte auch die Hardware und Software der Bodenplatte mit einem eigenen Kameramodul, welches für Fotos aus dem All sorgen wird. „Damit entwickelte und lieferte das TU Wien Space Team neben Herz und Hirn, auch das Auge von Pegasus“, erklärt Georg Janisch, Teamleiter Cubesat des TU Wien Space Teams.