Kolumne von Sebastian Schlund : Das uneingelöste Versprechen der additiven Fertigung

Bei der Frage nach zukunftsträchtigen Fertigungsverfahren führt kein Weg am 3D-Druck vorbei. Technisch ist inzwischen vieles möglich. Allein die Materialvielfalt additiver Fertigung erstreckt sich inzwischen weit sich über Kunststoffe und Metalle hinaus bis hin zu Elfenbeinimitaten, Beton und Nahrungsmitteln. Auch aktuelle Herausforderungen wie Fertigungsgeschwindigkeit, Oberflächenqualität und Energieeffizienz werden intensiv beforscht und laufend verbessert. Österreich beherbergt dabei mit seiner Forschungs- und vor allem Startup-Landschaft im Bereich Photonik und additiver Fertigung jede Menge innovative und aktive Akteure.

Während technologisch die Post abgeht, ist die Eröffnung neuer Anwendungsfelder eines der uneingelösten Versprechen der additiven Fertigung. Als eines der prädestinierten Bereiche gilt das Ersatzteilwesen. Um Ausfallzeiten, hohe Beschaffungskosten und Engpässe zu vermeiden, werden häufig große und teure Lagerbestände an Ersatzteilen geschaffen. Hier stellt die additive Fertigung eine Lösung zur effizienten Materialbereitstellung in Kombination mit einer Reduktion von Beständen dar. Jedoch hat nicht jedes Ersatzteil das Potenzial, additiv hergestellt zu werden. Für eine ganzheitliche Bewertung werden wirtschaftliche und technische Daten benötigt. Fehlende oder lückenhafte Daten erschweren die Möglichkeit einer alternativen Beschaffung, wie die der additiven Fertigung.

3D-Druck mit KI auf Schiene bringen

Eine solide Datenbasis ist der Grundstein für eine verlässliche Bewertung der Eignung von Ersatzteilen für die additive Fertigung. Beispielsweise werden im FFG-geförderten Projekt AM4RAIL zunächst Daten von ÖBB und Wiener Linien gesammelt und zu einem einheitlichen Datenpool pro Unternehmen zusammengeführt. Technische Informationen wie Abmaße und Gewicht von Ersatzteilen sind bei älteren Flotten nur aus technischen Konstruktionszeichnungen ablesbar. Daher werden mithilfe von Computer Vision automatisiert Informationen ausgelesen, welche die Gesamtdaten anreichern und die Datenqualität verbessern.

Integrierte Bewertung ökonomischer und ökologischer Auswirkungen

Die ökonomische und ökologische Bewertung erfolgt entlang des gesamten Produktlebenszyklus, von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung des Bauteils. Dabei werden verschiedene Beschaffungsstrategien miteinander verglichen. In Zusammenarbeit mit Partnern aus der Bahnindustrie wurden Kategorien definiert, nach denen die Umstellung der Ersatzteilbeschaffung auf additive Fertigung priorisiert werden soll. Die Kategorien basieren auf ausgewählten wirtschaftlichen, ökologischen und technischen Bewertungskriterien. Die direkte Integration von Informationen wie Innovationen bei Additiver Fertigung und Preisentwicklungen am Ersatzteilmarkt soll zukünftig die Auswahl der Ersatzteilbereitstellungsstrategie beeinflussen.

BILD zu OTS - Sebastian Schlund ?bernimmt Leitung des Centers f?r Nachhaltige Produktion und Logistik bei Fraunhofer Austria
Professor Sebastian Schlund leitet den Forschungsbereich Industrial Engineering am Institut für Managementwissenschaften (IMW) der TU Wien und ist Geschäftsführer der Fraunhofer Austria Research GmbH mit ihren beiden Centern Nachhaltige Produktion und Logistik und Data-Driven Design. - © Fraunhofer Austria