Schlitzkabel : Das Geschäft mit dem Funkempfang

Elektriker
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Tunnel kosten die ASFINAG, die österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-AG, nicht nur Geld, sie bringen – selbst auf mautfreien Strecken – auch Geld ein, wenn sie länger als 500 Meter sind: Dann muss nämlich von Gesetzes wegen mindestens ein Radioprogramm mit Verkehrsdurchsagen ausgestrahlt werden, und dafür kann wiederum eine Gebühr eingehoben werden. Erste Einblicke in diese durchaus lukrative Seite des Tunnelfunks eröffnete 2005 eine parlamentarische Anfrage des im Frühjahr verstorbenen Tiroler Bundesrats Helmut Wiesenegg an den Verkehrsminister Hubert Gorbach. Demnach bezahlte der ORF damals für die Ausstrahlung von Ö3 und Ö2 pro Tunnelkilometer knapp 800 Euro – weil er über 151 Kilometer gebucht hatte und damit in den Genuss einer entsprechenden Rabattstaffel kam. Von 0 bis 50 Kilometer betrug der Tarif nämlich gut 300 Euro, von 51 bis 150 Kilometer rund 120 Euro pro Kilometer mehr. Dass einige Privatsender alsbald eine österreichweite GmbH gründeten, liegt so gesehen auf der Hand. Und dass Mobilfunker eine ähnliche Gebühr zahlen, ebenfalls. Kabel als Antennen.

Aber warum kann man in Tunnels überhaupt Radio hören oder Mobilfunk empfangen? Weil die Funksignale am Tunnelportal empfangen, aufbereitet und in der Regel mittels sogenannter Hochfrequenz-Schlitzkabel in den Tunnelröhren ausgestrahlt werden. Derartige Kabel werden auch unter anderen Namen gehandelt, etwa als Leck- oder Strahlerkabel. Im englischen Sprachraum sind sie als Leaky Feeders oder Radiating Cables bekannt. Es handelt sich dabei um Koaxialkabel mit Schlitzen im Außenleiter, durch die HF-Signale über die ganze Länge des Kabels abgestrahlt oder aufgenommen werden können. Während die Signalleistung normaler Kabel am Ende möglichst verlustfrei ankommen soll, verlässt hier ein Teil der eingespeisten Leistung das Kabel kontrolliert an jedem Schlitz – und steht als Funksignal im bestrahlten Raum zur Verfügung, erzeugt also gleichsam eine ununterbrochene Kette von Mini-Antennen längs des Kabels. Die in Tunnels verlegten Schlitzkabel werden nicht nur für Rundfunksignale genutzt, sondern auch für den Feuerwehr-, Rettungsdienst- und Polizeifunk. Unterbrechungsfreie Stromversorgungen und mehrfache Einspeisungen ins Kabel, damit der Funk gerade im Falle eines Unfalls überall funktioniert, gehören daher zum Standard. Verkabelter Gebäudefunk.

Bei der SIEVERS-GROUP, einem mittelständischen IT-Systemhaus mit Hauptsitz im deutschen Osnabrück, verbessern Schlitzkabel neuerdings die WLAN-Abdeckung imLogistikzentrum: Anstelle von Standard-Antennen sorgen sie für eine verbesserte Verteilung der Funksignale im Lager und ermöglichen so Durchsätze von bis zu 150 Mbit/s. Vergleichbar seien sie „mit einem perforierten Gartenschlauch“, so Dieter Adam, Produktmanager Funksysteme: „In Tunneln oder im Bergbau verwendet man diese strahlenden Kabel schon lange. Die interessanten Vorteile, die die Technologie bietet, machen wir auch für die Logistik nutzbar.“ Die Schlitzkabel werden in Osnabrück direkt an handelsübliche Access-Points angeschlossen. Da die Signale auch über die Kabel abgegeben werden, wird mit relativ wenigen Access-Points eine gleichmäßige Netzabdeckung erzielt. „Im Vergleich zur konventionellen Lösung erzeugen wir eine lückenlose Abdeckung, ohne eine übermäßige Belastung durch zu viel Hochfrequenz in Kauf nehmen zu müssen. So vermeiden wir Signalabbrüche und unzufriedene Mitarbeiter“, erläutert Adam. Kanalüberschneidungen und mögliche Interferenzeffekte bleiben ebenfalls aus. Für Endgeräte wie Notebooks, Handscanner oder VoIP-Telefone ergeben sich damit deutlich weniger Roaming-Vorgänge. Anders als bei konventionellen Installationen ist auch eine anfängliche Ausleuchtungsmessung nicht mehr notwendig. Die WLAN-Infrastruktur kann somit bereits vor der Einrichtung des Logistikzentrums fertiggestellt werden. Baubehördlich vorgeschrieben.

Schlitzkabel in Gebäudefunkanlagen sind aber keine Novität, oft sind sie sogar baubehördlich vorgeschrieben. Nämlich in der Regel dort, wo aufgrund der Bauweise oder der Verwendung funkwellenabsorbierender Baustoffe wie Stahlbeton oder bedampfter Glasscheiben die Kommunikation der Einsatzkräfte gestört werden könnte. Typischerweise sind das Hochhäuser mit einem höchsten Aufenthaltsniveau von über 22 Metern, große Tiefgaragen und Gebäude mit großer Kubatur und innenliegenden Stiegenhäusern. So wurde etwa das Einkaufszentrum Lugner City samt Kinocenter von der Wiener Firma Johannes Schroll mit einer Anlage ausgestattet, die mit 2.000 Metern verlegtem Schlitzkabel zu den größten Objektfunkanlagen der österreichischen Hauptstadt zählt. Und die STRABAG-Tochter Center Systems, einer der europäischen Marktführer im Bereich Kommunikationssysteme für Einsatzorganisationen, den öffentlichen Verkehr, die öffentliche Sicherheit und die Industrie, hat zum Beispiel schon mehrere Thermen mit einschlägigen Objektfunkanlagen ausgestattet. In der Therme Wien in Oberlaa wurden etwa rund 1.800 Meter strahlende Antennenkabel verlegt, die nun den gesamten Thermenbereich und die Tiefgarage mit Funkempfang versorgen. Viersprachiger Tunnelfunk in Singapur. Tunnelfunkanlagen von Center Systems finden sich in den meisten österreichischen Autobahn- und Schnellstraßen-Tunnels und im vorwiegend europäischen Ausland. Gemeinsam mit der Efkon AG wurde aber auch schon ein Projekt in Singapur realisiert: Der Verkehrsknotenpunkt Woodsville Interchange, der aus drei Tunnels mit Längen von 160 bis 255 Metern besteht, wurde neben Betriebs- und Einsatzfunk mit einer Sendeanlage für bis zu 20 UKW-Kanäle ausgestattet. Wie üblich bei derartigen Anlagen kann sich die Tunnel-Überwachungszentrale notfalls live in die jeweiligen Programme einschalten, allerdings ist das in diesem Fall durch die Dreiteilung des Tunnels auch selektiv im jeweils betroffenen Abschnitt möglich – und zugleich in der richtigen Sprache, weil hier Radiosender in vier Sprachen (Englisch, Mandarin, Tamil und Maly) senden. Dafür stehen mehr als 100 voraufgezeichnete Texte in jeder der vier Sprachen zur Verfügung. Aber nicht nur in Tunnels werden Schlitzkabel aus Sicherheitsgründen verlegt. Auch im Bergbau steht dieser Aspekt im Vordergrund. Nicht zu Unrecht, wie sich im August 2010 beim weltweit beachteten Grubenunglück im chilenischen San Jose gezeigt hat: Die in einer Tiefe von rund 700 Meter eingeschlossenen Bergarbeiter konnten dank Schlitzleiter-Antennen mit der Oberfläche kommunizieren. Herkömmliche Antennen hätten hier – ähnlich wie in Tunnels – nichts ausgerichtet, weil eine vollständige „Ausleuchtung“ der Stollen angesichts der vielen Kurven und Abzweigungen nicht möglich gewesen wäre.