Mosaiksteine : Big Picture der smarten Fabrik

Sven Hamann GF Bosch Connected Indutry
© Bosch

Innerhalb der Bosch Gruppe ist die Bosch Connected Industry das Softwarehaus für Industrie 4.0-Lösungen im Bereich Fertigung und Logistik. Die Organisation unterstützt einerseits Bosch-Werke bei der Digitalisierung, andererseits werden Kunden und Partner beraten und können die Lösungen einsetzen. Aktuell ist die Software mit dem Namen Nexeed in über 120 Werken weltweit bei Bosch im Einsatz und bei über 100 Kunden. Damit validiert das deutsche Unternehmen Software in den eigenen Werken und geht danach mit erprobten Lösungen zu den Kunden. FACTORY sprach mit Sven Hamann, Geschäftsführer von Bosch Connected Industry, über die Möglichkeiten der Digitalisierung mit Nexeed.

FACTORY: Auf der SPS 2019 wurde das Nexeed Industrial Application System erstmals präsentiert, kürzlich erschien das zweite Release. Was bietet das System den Anwendern?

Hamann: Das gesamte Software-Portfolio geht vom Device-Management – wenn man den unteren Teil der Automatisierungs-Pyramide im Blick hat – bis hoch zur Auftragssteuerung, und dockt damit an das ERP-System an. Das Nexeed Industrial Application System zeichnet sich durch vier Kerneigenschaften aus: Unsere Domänenkompetenz im Bereich Fertigung und Logistik, die Skalierbarkeit des Systems, den kurzen Return on Investment (ROI) und die Offenheit des Systems.

FACTORY: Welche Leistungen bietet Bosch Connected Industry Kunden und Partnern an?

Hamann: Unter dem Dach von Bosch Connected Industry arbeiten Software-Entwickler und Berater. Wenn ein Kunde plant das Nexeed-System im Unternehmen zu implementieren beginnt das Projekt typischerweise mit einer gemeinsamen Begehung der Fertigung. Anschließend erfolgt die Prozessanalyse um den größten Hebel für Kosteneinsparungen zu identifizieren.

FACTORY: Von was für einem Einsparungspotenzial sprechen wir?

Hamann: In Bosch-Werken haben wir eine Produktivitätssteigerung um 25 Prozent geschaffen. Ohne Invest in neue Maschinen, sondern einfach durch den Einsatz von Software und das generieren von neuem Wissen. Bei der Produktion von ABS ESP Systemen in einem Bosch-Werk konnten damit in der Fertigung, unter anderem durch die Reduktion von Ausschussteilen und Taktzeitreduzierung, Einsparungen realisiert werden.

FACTORY: Gibt es auch ein Anwendungsfall von einem Kunden?

Hamann: Ja. Mit BMW gemeinsam haben wir im Kompetenzzentrum für Elektromobilität und Leichtbau in Landshut die Fertigungsprozesse analysiert. Wir haben mit Nexeed Software Transparenz geschaffen und dadurch neues Wissen generiert, um die Prozesse besser zu steuern und Maschinenstillstände zu vermeiden. Bei BMW haben wir es geschafft an den Maschinen ungeplante Ausfälle komplett zu eliminieren und in den Modus von einer vorbeugenden Wartung zu gehen.

FACTORY: Wie schnell rechnet sich eine Investition in die Digitalisierung?

Hamann: Unsere Erfahrung ist, dass sich umgesetzte Projekte innerhalb von 1-2 Jahren rechnen. Im aktuell herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld, lässt sich Digitalisierung nur vorantreiben, wenn sie sich innerhalb kürzester Zeit rechnet.

FACTORY: Und welche technischen Voraussetzungen braucht es für die Implementierung?

Hamann: Die Basisvoraussetzung ist, dass die Daten der Maschinen zur Verfügung stehen. Wenn es Bestandsmaschinen gibt, ist meist der erste Schritt, eine Retrofit-Lösung zu installieren: Sensoren zu ergänzen, Daten aus der Steuerung herauszuziehen. Auf dieser Ebene kann dann die Software-Lösung von Nexeed aufgesetzt werden. Wir bieten dem Kunden beides: wir installieren ihm auch komplett die Retrofit-Lösung um auch die Transparenz und den Zugang zu den Daten zu bekommen um dann im nächsten Schritt die Daten zu analysieren und daraus neues Wissen zu generieren.

FACTORY: Warum sollten Unternehmen bei der Digitalisierung auf Bosch setzen?

Hamann: Der Vorteil, insbesondere für den Mittelstand, ist die volle Kostenkontrolle. Der Anwender kann einzelne Module des Nexeed Industrial Application Systems Schritt für Schritt einsetzen und damit die Digitalisierung in seiner Geschwindigkeit vorantreiben. Trotzdem zahlt jede Lösung, in ein Gesamtsystem ein und der Kunde endet nicht mit einem Flickenteppich an Einzellösungen.

FACTORY: Kann Nexeed auch der Maschinenbauer nutzen?

Hamann: Den Maschinenbauern bieten wir eine Programmierumgebung zur Effizienzsteigerung. Es ist vielmehr ein konfigurieren als ein programmieren: Dem Maschinenbauer stehen vorprogrammierte Funktionsblöcke bereit. Diese Blöcke werden konfiguriert und damit stellt der Hersteller ganze Softwarefunktionalitäten ad hoc bereit. Beispielsweise für die 3D-Dokumentation einer Maschine. Das Produkt über das wir da reden ist Nexeed Automation.

FACTORY: Was bringt es dem Maschinenbauer?

Hamann: Der Maschinenbauer muss weniger Stunden in das Erstellen der Maschinensoftware investieren und dem Endkunden steht eine breitere Funktionalität zur Verfügung.

FACTORY: Mit Blick auf die aktuelle Situation: Haben sich durch die Pandemie die Schwerpunkte in der Softwareentwicklung verlagert?

Hamann: Ja. Die Fabriken schnell wieder hochzufahren und zugleich die Gesundheit der Mitarbeiter nicht zu gefährden, beeinflusst unsere Arbeit. Daraus haben sich drei zentrale Ansätze herauskristallisiert: Erstens, müssen Mitarbeiter Aufgaben lösen, die er vorher nicht alleine lösen musste, beispielsweise eine Wartung. Dabei unterstützen unsere Lösungen den Mitarbeiter und führen ihn durch den Wartungsprozess. Der zweite Ansatz, sind Remote-Lösungen; wenn der Mitarbeiter doch einen Experten konsultieren muss. Der dritte Ansatz, die Arbeit in virtuellen Teams. In der Fabrik und in der Logistik kann zum Beispiel die Morgenrunde virtuell abgehalten werden, um Ansteckungsrisiken beim Schichtwechsel zu vermeiden.

FACTORY: Welche Bedeutung hat Digitalisierung in Zeiten von COVID-19?

Hamann: Durch die Investition in Digitalisierung und Industrie 4.0 lassen sich kurzfristig hohe Kosteneinsparungen heben. Das ist aktuell essenziell um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Fertigungen sicherzustellen. Das ist sicher ein Thema, dass Unternehmen jetzt nicht aus dem Auge verlieren dürfen und konsequent weiterentwickeln müssen.

Danke für das Gespräch!

Zur Person:

Sven Hamann (47) ist Geschäftsführer von Boch Connected Industry. Der Berliner studierte Informatik und Maschinenbau und kam im Anschluss an sein Studium direkt zu Bosch. Der Fokus bei seiner Arbeit lag immer stark auf der Produktionsautomatisierung. Nach einigen Stationen im Konzern führt er heute Bosch Connected Industry. Das IIoT Softwarehaus innerhalb von Bosch. Sein Bereich entwickelt Software-Lösungen für Produktion und Logistik.