Intralogistik : Autozulieferer Brose versuchts ohne Stapler

Als der deutsche Autozulieferer Brose im Vorjahr sein Logistikzentrum am Produktionsstandort Ostrava in Tschechien in Betrieb nahm stand bereits bei der Planung fest: In der Produktion sollen keine Stapler mehr zu sehen sein, die Versorgung der Produktion soll effizienter ablaufen und dafür eignen sich Routenzüge am besten. Gedacht, getan mit dem klaren Ziel vor Augen: Die Materialflüsse sollten optimiert, die Prozesse zur Produktionsversorgung standardisiert und der Durchsatz erhöht werden. Als Partner für die Realisierung des anspruchsvollen Logistiksystems wählte man SSI Schäfer, der eine Inhouse-Lösung für ein fünfgassiges Hochregallager mit einer Gesamtumschlagsleistung von 200 Doppelspielen pro Minute realisierte und zusätzlich die Umpackzone sowie ein siebengassiges automatisches Kleinteilelager implementierte.
Über die Gründe für die Neuorganisation der Logistik und die bisherigen Erfahrungen mit dem innovativen System gibt Claudia Vogel-Daniel, Projektkoordinatorin bei Brose, gegenüber Factory detailliert Auskunft. „Die Routenzüge sind Teil eines neuen ganzheitlichen und nachhaltigen Materialflusskonzeptes, das die Konzentration der Lagerkapazitäten am Produktionsstandort und eine hochdynamische Produktionsversorgung ermöglicht“, erklärt Vogel-Daniel.
Verkehr in den Hallen verringert.
Im Zuge des starken Wachstums des Standorts wurden nicht nur die Produktionsabläufe komplexer, sondern insbesondere auch die logistischen Prozesse und die Lagerhaltung. Mit dem Einsatz von Routenzügen kann man in Ostrava den wachsenden Strukturen besser gerecht werden. Sie stellen die passenden Transportmittel für das eingeführte vollautomatische Wareneingangskonzept dar. Die Wiederversorgungszeiten und somit auch die Bestände in der Produktion wurden mit den Routenzügen deutlich reduziert. Während ein Frontstapler pro Fahrt maximal zwei Großladungsträger befördert, kann der Logistikmitarbeiter mit dem neuen Routenzug bis zu vier Boxen auf vier Hängern gleichzeitig transportieren, ohne in der Montage zusätzliche Stapelprozesse durchführen zu müssen. Vogel-Daniel: „Darüber hinaus war es uns wichtig, das Verkehrsaufkommen in der Produktion zu verringern, um die Arbeitssicherheit zu erhöhen und die Versorgungsprozesse transparenter zu gestalten.“ Fazit: Alles in allem wird die Intralogistik durch die neue Prozessgestaltung effizienter, sicherer und bedarfsgerechter.
Die bisherigen Erfahrungen sprechen für sich: Die Prozesse sind standardisiert, die Versorgungssicherheit wurde enorm gesteigert und die Logistikkosten reduziert. Minimales manuelles Handling, direkte optimierte Materialbereitstellung und eine verbesserte Ergonomie werden damit erreicht. Mit der Anlagenautomation, der Materialflussumstellung und des durchgängigen, integrierten SAP-Ansatzes werden die Abläufe vereinfacht und gestrafft, die Prozesse transparenter gestaltet und der Durchsatz gesteigert.
Innovatives Konzept.
Mit dem neuen Logistikkonzept wird ein externes Lager überflüssig, da mit diesem fast alle intralogistischen Jobs in einem erledigt werden. Vogel-Daniel: „Vor der Einführung der automatischen Hochregal- und Kleinteilelager hatten wir mehr als 24.000 m2 Außenlagerfläche bei drei verschiedenen Dienstleistern, jetzt sind alle Lagerkapazitäten am Produktionsstandort konzentriert.“ Im Rahmen des innovativen Logistikkonzepts wurde der gesamte Prozess vom Wareneingang bis zur Produktionsversorgung vollautomatisiert und wird komplett über das SAP EWM gesteuert. Ein Kleinladungsträger wird das erste Mal bei der Bereitstellung am Arbeitsplatz in die Hand genommen.
Personalkosten sanken.
Die Einführung des neuen Logistiksystems führte zu einer Einsparung der Logistikkosten von über 30 Prozent. Weil die Wiederbeschaffungszeiten bei Kaufteilen sinken, sinken auch die Bestände. Die Kostenvorteile ergeben sich durch die Verknüpfung, sprich intelligente Steuerung der Prozessabläufe. „Dank der Automatisierung sanken der Personalkosten der Logistikkette ebenfalls um 30 Prozent, die freigewordenen Personal-Kapazitäten setzen wir nun an anderer Stelle im Standort ein“, betont Vogel-Daniel. Das reduzierte manuelle Handling und die direkte, optimierte Materialbereitstellung verbessert dabei auch die ergonomischen Bedingungen für die Mitarbeiter.
Die Vorteile einer staplerlosen Fabrik liegen für Brose auf der Hand: Neben der Reduzierung von Logistikkosten liegt ein großer Vorteil des Logistikkonzepts im geringeren Verkehrsaufkommen in den Fertigungshallen. Damit erhöht sich die Sicherheit für Mitarbeiter. Außerdem benötigt das Routenzugsystem im Vergleich zum üblichen Einsatz von Gabelstaplern deutlich weniger Energie. Bereits ab einer durchschnittlichen Transportentfernung von 100 Metern beträgt die Einsparung rund 25 Prozent, ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf die weiter steigenden Energiekosten und die zunehmenden Anforderungen an eine energieeffiziente Produktion. Die direkte, getaktete Produktionsversorgung ermöglicht darüber hinaus einen ruhigeren, geglätteten Materialfluss und die Minimierung des manuellen Handlings.
Automatische Materialbereitstellung via SAP.
Wesentlich für die Effizienz einer Routenzuglösung ist die IT-seitige Vernetzung: Für das neue Logistikkonzept wurde SAP EWM auf die Bedürfnisse von Brose zugeschnitten und ist im Unternehmen als Standardlösung für Lagerverwaltung weltweit einsetzbar. Es ermöglicht die sequenzierte automatische Materialbereitstellung im Routenzug und liefert dem Leitstand detaillierte Kennzahlen zur Prozessüberwachung. Darüber hinaus wird auch die Routenplanung mittels eines Fahrplangenerators darin abgebildet.
Vogel-Daniel beschreibt, wie der Prozess in der Praxis aussieht: Der Mitarbeiter in der Produktion fordert neues Material durch Scannen des Leerbehälter-Labels an, die Bestellung wird an das Lager übertragen. Der Mitarbeiter bringt das Leergut an einen definierten Platz. Die Ein- und Auslagerung im Hochregallager sowie im Kleinteilelager, die Depalettierung und auch die Routenzugbeladung erfolgt vollautomatisch.. Der Mitarbeiter bringt das Leergut an einen definierten Platz. Der Routenzug wird befüllt, fährt getaktet die vorgesehen Haltestellen an, quittiert die Lieferung und nimmt leere Behälter mit. Der mit Leergut beladene Routenzug fährt zum Leergutbahnhof, wird entladen und anschließend automatisch neu beladen, um die nächste Fahrt zu übernehmen.
Staplerlose Produktionsversorgung.
Das Prinzip der staplerlosen Produktionsversorgung wird an immer mehr Brose-Standorten eingesetzt die Routenzuglösung ist bisher nur in Ostrava zu finden. Die Ausgestaltung der Produktionsversorgung ist immer auch abhängig vom vorliegenden Hallenlayout und den Lohnstrukturen des Standortes. Das Ostrava-Konzept ist auf Grund seines hohen Automatisierungsgrades in dieser Form noch einmalig in der Brose Gruppe, seine einzelnen Elemente lassen sich aber weltweit implementieren. Insbesondere das SAP-EWM und das Bestellsystem durch den Produktionsmitarbeiter sind als Standardlösung weltweit einsetzbar.