Thema des Monats : Aus weniger mehr machen

Kosten Produktion
© demea

Im Zuge der Diskussion um steigende Energie- und Rohstoffpreise hat sich zuerst der Energiespargedanke durchgesetzt. Fraglos ein wichtiger Aspekt. Strom, Öl und Gas werden laufend teurer – und vife Manager wissen, dass man mit Kostenreduktionen auf diesem Gebiet erkleckliche Summen einsparen und damit die gewinne des Unternehmens erhöhen kann.

Was (zumindest in Österreich) aber bei weitem noch nicht angekommen scheint, ist der Gedanke der „Materialeffizienz“. Dabei hat man errechnet, dass die Materialkosten eines Betriebes im Durchschnitt bei stattlichen 45 Prozent liegen, während die Energiekosten rund 4 Prozent ausmachen. Die Personalkosten hat man erfolgreich auf 17,8% (Stand 2010) gedrückt.

Die „Deutsche Materialeffizienzagentur“, kurz demea genannt, entstanden auf Initiative des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, hilft seit einigen Jahren sparwilligen Unternehmen mit Beratung und Schulung. Jedes Jahr wird außerdem ein Preis für die besten Sparideen ausgeschrieben.

Was demea bezweckt ist rasch umrissen: Das öffentliche Bewusstsein über die Bedeutung der Materialeffizienz schärfen und Informationen darüber zur Verfügung stellen undUnternehmen dazu motivieren, Materialeffizenzpotentiale zu erschließen. Was versteht man unter Materialeffizienz?

Unter Materialeffizienz ist vereinfacht das Verhältnis der Materialmenge in den erzeugten Produkten zu der für ihre Herstellung eingesetzten Materialmenge zu verstehen. Derartige Sparmaßnahmen können sich einerseits in der Reduktion des Materialeinsatzes ausdrücken, wie sie etwa auch durch eine Verringerung des Ausschusses erzielbar ist. Die Reduzierung von Verschnitt, der verringerte Einsatz von Hilfsstoffen, besonders aber auch die Optimierung der Produktkonstruktion sind wesentliche Themen.

Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, sind Einsparungen beim Material ein guter Ansatzpunkt. Wie viel Nachholbedarf hier besteht zeigt eine Berechnung der demea: Während die Arbeitsproduktivität seit 1960 um den Faktor 3,5 gesteigert werden konnte, blieb die Entwicklung der Materialproduktivität mit dem Faktor 2 weit zurück. Die gute Nachricht zum Abschluss der Berechnung: Bis zum Jahr 2015 wären Steigerungen der Materialeffizienz von bis zu 20 Prozent realisierbar. Nabelschau mit Positiveffekt.

Eine Reihe deutscher Unternehmen, die sich dem Thema Materialeffizienz intensiv gewidmet haben, berichten über eine Vielzahl weiterer positiver Effekte. So lässt sich anhand der gesammelten Daten feststellen, dass mit der Senkung der Materialkosten immer auch eine Senkung weiterer Kosten, vor allem bei den Energie- und den Entsorgungskosten, einhergeht. Die Einsparungen liegen daher oft deutlich über den ursprünglich angenommenen Potentialen.

Eine von der demea durchgeführte Verifizierung von 663 Potenzialanalysen zeigt, dass das durchschnittliche Materialeinsparpotential bei gut 218.000 Euro pro Jahr und Unternehmen liegt. Bezogen auf den Umsatz der Unternehmen belaufen sich die Einsparmöglichkeiten auf durchschnittlich 2,4 %-Punkte.

Bedenkt man, dass alleine in Deutschland jährlich Materialien im Wert von 500 Milliarden Euro verarbeitet werden, lässt sich leicht nachrechnen, dass die ermittelten Einsparungen bei bis zu 100 Milliarden Euro liegen. demea-Selbstcheck.

„Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der Kostensenkung beim Materialeinsatz sind vielfältig. Gewinne, Steuern, Produktivität, Einkommen der Haushalte, Einkommen des Staates, Nachfrage und Beschäftigung beeinflussen sich gegenseitig“, sagt demea-Agenturleiter Mario Schneider. „Obwohl eine Quantifizierung der einzelnen Effekte schwierig ist, zeigen volkswirtschaftliche Modellberechnungen, dass durch die Steigerung der Materialeffizienz die Beschäftigung zunimmt und eine Verbesserung des Finanzierungssaldos des Staates erzielt wird.“

Internet sei Dank, können auch österreichische Unternehmen von der Arbeit der Materialeffizienzagentur profitieren. Auf der Website der Agentur gibt es einen Selbstcheck, der sowohl online als auch offline durchgeführt werden kann und der Unternehmen Hinweise auf relativ leicht zu erschließende Materialpotenziale liefert. Durchschnittlich 200.000 Euro Einsparpotenzial wurden für die Unternehmen bisher ermittelt.

Limburger Sparmeister

In der Blechwarenfabrik Limburg haben sogar die Lehrlinge einen deutlichen Anteil daran, dass seit geraumer Zeit in der Fertigung kräftig an Material gespart wird. Bei rund 45 Prozent liegt der Anteil an Material und Energie an den Produktionskosten. Eine geförderte Potentialanalyse ermöglicht dem Unternehmen jetzt für die Herstellung von Behältern für chemisch-technische Produkte eine Einsparung von jährlich 1.000 Tonnen Einsatzstoffen. Darunter sind 810 Tonnen Weißblech und 90 Tonnen Lack.

Dazu wurde seit 2006 ein ganzheitliches Konzept entwickelt und umgesetzt. Portalpressen wurden angeschafft, wodurch Verschnittverluste drastisch reduziert werden konnten. Bei Preisen von 1.200 Euro je Tonne hat sich die Investition rasch amortisiert.

Die Lehrlinge des Betriebes machten sich mit einer genauen Analyse sämtlicher Abläufe und Materialflüsse nützlich. Auf diese Weise ließ sich ein Reihe weiterer Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren, die mittlerweile umgesetzt wurden und weitere 220 Tonnen Weißblech sparen.

Materialverluste weggeblasen.

Die Helmut Diebold GmbH. aus Jungingen hat einen Spindelvorsatz für Fräsmaschinen entwickelt, der den bisher unumgänglichen Einsatz von Bohröl überflüssig macht. 16 winzige Düsen leiten Luft an die Werkzeugschneiden und blasen die anfallenden Späne weg. Die Nachrüstung bestehender konventioneller Werkzeugmaschinen mit dem neuen Tool kostet rund 30.000 Euro; die Investition amortisiert sich jedoch in weniger als einem Jahr.

Bedeutsamer Zusatzeffekt: Die Qualität der Werkstücke kann mit der Innovation von Diebold beträchtlich gesteigert werden. Parallel ergeben sich neue Perspektiven in der Bearbeitung von Kleinst- und Mehrkomponententeilen. So macht es der Mediumverteiler möglich, auch noch Konturen im Mikrobereich zu fräsen.

Die Einsparpotentiale liegen beim Werkzeugverschleiß und bisher nötigen Nachbearbeitungen der Fräskonturen, der Erzeugung der notwendigen Druckluft sowie bei der Entsorgung von Öl, dem aufwendigen Reinigen der Werkstücke oder dem Recycling der anfallenden Späne.

Autodach als Kabelschacht.

Kabelschächte stellt das oberbayerische Unternehmen LIC Langmatz aus Garmisch-Partenkirchen her. Jährlich sind dafür 1.500 Tonnen Polycarbonat nötig. Immer wieder auftretende Lieferengpässe der verschiedenen Lieferanten und Qualitätsschwankungen führten zu einer Investition in neue Technologien.

Herzstück ist eine Shredder-Mühlen-Anlage mit nachgeschaltetem Compounder, mit der das benötigte Granulat nun im Recyclingverfahren im eigenen Haus produziert wird. Ausgemusterte Autodächer und Kunststoffabfälle des eigenen Betriebs werden dazu geshreddert, gemahlen und compoundiert.

Der Effekt ist gewaltig: Dem Investitionsaufwand von rund einer Million Euro stehen Ersparnisse beim Material von 870.000 Euro und bei den Fertigungskosten von 120.000 Euro jährlich gegenüber. Außerdem wurde in der Kunststofffertigung ein Handlingroboter eingesetzt; gepaart mit nun konstanter Materialqualität garantiert das weitere Einsparungen. Zuletzt konnte auch – durch eine Umstellung in der Produktion auf „just-in-time“ – die Lagerhaltung optimiert werden, was weitere Kosten spart.

„In vielen Branchen bestimmen Material- und Energiekosten schon längst maßgeblich den Preis des Endprodukts. Ein Beispiel ist das Verarbeitende Gewerbe: Dort entfielen – laut Statischen Bundesamt – im Jahr 2007 allein 45 Prozent der Herstellungskosten auf den Materialverbrauch. Zum Vergleich: Die Personalkosten machten nur 18 Prozent aus.“

Damit sich deutsche Unternehmen auch künftig auf dem Weltmarkt behaupten können, bedürfe es eines Paradigmenwechsels. „An die Stelle von maximalem Gewinn aus minimalem Kapital muss maximale Wertschöpfung aus minimalen Ressourcen treten“, appellierte Bullinger an die Unternehmen. „Diejenigen, die sich durch Effizienztechnologien heute einen Kostenvorteil erarbeiten, werden diesen in Zukunft überproportional weiter ausbauen.“

Produktion ohne Rohstoffe?

Ressourcenschonende Fertigung ist laut Hans-Jörg Bullinger eine Möglichkeit, in Zeiten knapper Rohstoffe wirtschaftlich zu agieren: „Fraunhofer-Forscher denken aber schon weiter. Ihr Ziel ist es, ganz ohne den Einsatz neuer Rohstoffe zu produzieren. Dazu setzen die Wissenschaftler auf konsequentes Recycling, nicht nur im Privathaushalt, sondern vor allem auch in der Industrie. Indem Sekundärrohstoffe in Kaskaden immer weiterverwertet und in den Produktionsprozess zurückgeführt werden, lassen sich enorme Mengen an natürlichen Ressourcen einsparen.“