Hauchdünn : Atomdünne Nanobeschichtungen für die industrielle Fertigung

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„Nanobeschichtungen werden künftig die industrielle Fertigung in beinahe allen Branchen revolutionieren“, behauptet Frank Verhage, CEO des niederländischen Startups SALD (Eindhoven). Der Firmenname steht als Abkürzung für die Nanobeschichtungs-Technologie „Spatial Atom Layer Deposition“ (SALD). In der Halbleiterindustrie wären die heutigen hochintegrierten Chips ohne das Vorgängerverfahren „Atom Layer Deposition“ (ALD) mit beispielsweise 11,8 Milliarden Schaltkreisen in Apples neuestem A14-Prozessor bei einer Strukturbreite von 5 Nanometern unmöglich, sagt der SALD-Chef. Sein Unternehmen bringt die nanodünnen Beschichtungen im wahrsten Sinne des Wortes in eine neue Dimension: „Spatial“ steht für „räumlich“ und bezeichnet dreidimensionale Atomschichten. Mit SALD lässt sich die Produktions­geschwindigkeit bei gleichbleibender Beschichtungsqualität um das Fünf- bis Zehnfache steigern gegenüber dem heute verwendeten ALD-Verfahren. Im Folgenden wird erklärt, was es mit dieser vom Anbieter „bahn­brechend“ genannten Technologie auf sich hat und welche Anwendungen sich daraus ergeben können.

Dreidimensionale atomare Nanobeschichtungen

Beim Verfahren „Spatial Atom Layer Deposition“ werden atomare Nanobeschichtungen dreidimensional auf Oberflächen aufgetragen. Jede Schicht ist so dick oder besser dünn wie ein einzelnes Atom, die nebeneinander liegend die Oberfläche umschließen. Eine einzelne Ebene ist etwa 1,1 Angström dünn, das entspricht 0,00000011 Millimetern. Der Clou ist die Mischung: Mit jeder Schicht können jeweils andere Materialien aufgebracht werden, so dass es zu einer chemischen Reaktion mit der zuvor aufgetragenen Substanz kommt. Bei den Oberflächen­materialien kann es sich beispielsweise um Metalle, Oxide, Nitride, Sulfide, Fluoride oder andere Stoffe handeln. Die jeweilige chemische Reaktion verändert die Funktionalität der Gesamtoberfläche.

Beinahe unendliches Funktionsspektrum

Durch die Vielzahl der möglichen Kombinationen ergibt sich ein beinahe unendliches Funktions­spektrum, je nachdem, welche Materialien in welcher Reihenfolge und in wie vielen Schichten aufgetragen werden. In dem dreidimensionalen Multilayerverfahren lassen sich auf beinahe beliebigen Oberflächen funktional völlig unterschiedliche Substanzen, komplexe Verbindungen, Polymere und hybride organische und anorganische Materialien erzeugen. Daraus resultiert das extrem breite industrielle Einsatzfeld der SALD-Technologie von der Chipfertigung über Batteriezellen, Solarpanels, Textilien und Medizinprodukte bis hin zu hauchdünnen reißfesten Folien für Verpackungen in der Lebensmittel- und Konsum­güterindustrie. Trotz der hohen Funktionalität sind die entstehenden Oberflächen extrem dünn: Neun aufeinander aufgebrachte Schichten besitzen eine Dicke von etwa 1 Nanometer (0,000001 Millimeter), sind also immer noch fünfmal kleiner als die Chipstrukturen in Apples neuester Prozessorgeneration.

Atomare Nanotechnologie bestimmt die Marktführerschaft

„Apple ist in seiner Branche auch deshalb ganz vorne, weil es die Chipentwicklung besser beherrscht als die meisten Wettbewerber. Das wird für viele andere Industrien ebenfalls gelten: Wer den Einsatz atomarer Nanotechnologie als erster in seiner Branche beherrscht, wird die Branche dominieren“, ist SALD-Chef Frank Verhage sicher. Als Beispiel nennt er die Elektromobilität: „Mit unserer Technologie lassen sich Batterien herstellen, die in einem Smartphone eine ganze Woche lang ohne Nachladen halten und einem E-Auto mehr als 2.000 Kilometer Reichweite bescheren.“ Als weiteres Anwendungsbeispiel nennt er Textilfasern, die durch Nanobeschichtungen völlig neue Funktionen und neuartige Erscheinungsformen erhalten können.

Entwicklung von Fraunhofer und TNO

Allerdings gibt Frank Verhage bescheiden zu: „Wir haben das neuartige SALD-Verfahren nicht allein entwickelt. Ganz im Gegenteil ist es von Wissenschaftlern in den staatlichen Forschungs­einrichtungen Fraunhofer in Deutschland und TNO bzw. The Netherlands Organisation über zehn Jahre hinweg gemeinsam erfunden und erprobt worden.“ Er fügt stolz hinzu: „Wir sind das aus dieser Entwicklung ausgegründete Startup, dem die industrielle Anwendung dieser revolutionären neuen Technologie obliegt.“ Seinen Angaben zufolge laufen bereits Verhandlungen mit zahlreichen Investoren sowie namhaften Industriefirmen mit Interesse am Einsatz atomarer Nano­beschichtungen.

SALD soll in europäischer Hand bleiben

Es sei „auch ein wirtschaftspolitisches Ziel, die in Europa entwickelte Schlüsseltechnologie SALD in der Vermarktung in europäischer Hand zu belassen“, sagt Frank Verhage. Er fügt hinzu: „Wir wollen das Desaster bei MP3 unter allen Umständen vermeiden.“ Das Musikspeicherformat MP3 war von Fraunhofer, dem größten Institut für angewandte Forschung in Europa, erfunden worden, doch die kommerzielle Vermarktung hatten im Wesentlichen US-amerikanische Firmen wie etwa Apple mit dem Musikplayer iPod für sich vereinnahmt. Der iPod gilt bis heute als Schlüssel für den Start des kometenhaften Aufstiegs von Apple, indem das Gerät die Musikbranche revolutionierte und damit den bis heute scheinbar unaufhaltsamen Geldstrom in Apples Kassen einleitete.