Montage : Airframe: Exoskelett-Hersteller setzt auf Gleitlager von igus

Exoskelett
© igus

Der Airframe von Levitate soll bei Arbeiten zum Einsatz kommen, welche Muskeln schnell müde werden lassen. Denn das Exoskelett unterstützt die Bewegungen der Oberarme. Dadurch steigert das Gerät die Leistungsfähigkeit, schont die Gesundheit und sorgt allgemein für bessere Arbeitsbedingungen – eine ergonomische Dreifachleistung. Marc Doyle hat den Airframe entwickelt und rund um das neue Assistenzsystem im Jahr 2013 die Firma Levitate im kalifornischen San Diego mitgegründet. Levitate heißt übersetzt übrigens „Schweben“. Doyle hat das tragbare Robotergestell in einer Garage entwickelt, dann zur Optimierung an das Designbüro Pathway gegeben, bei der Firma D&K wird das Exoskelett produziert.

Airframe ist wie ein Rucksack aufgebaut

Die Prinzipien des Airframes kennen wir aus der Natur – es handelt sich um eine Stützstruktur, die einem innen liegenden Körper Stabilität und Kraft vermittelt. Daher wird er auch als Exoskelett bezeichnet, das wir von Ameisen, Käfern oder Krebsen kennen. Der Airframe verteilt das Eigengewicht von Armen, Schultergürtel und Nacken auf die Körpermitte. Dadurch verlangsamt die Technologie die Müdigkeitsentwicklung in der Muskulatur und entlastet das Muskel-Skelett-System. Viele Formen von Rückenschmerzen können auf diese Weise vermieden werden. „Der Airframe entlastet die Muskeln und unterstützt die Bewegungssequenzen. Dadurch verhindert er Verspannungen im Hals, im Schultergürtel und im oberen Rücken“, erklärt Marc Doyle. Der Airframe ist wie ein Rucksack aufgebaut und lässt sich mit seinen verstellbaren Trägern flexibel an nahezu jede Körpergröße anpassen. Die Träger sind verbunden mit dem künstlichen Exoskelett, also dem mechanischen Gerüst aus Metallstreben, die die Gelenke und Achsen des Körpers nachbilden. Für das Einlegen der Arme gibt es knapp über dem Ellenbogen eine Schale und parallel zum Oberarm ist am Gestell eine Kassette befestigt. Diese birgt das große Geheimnis des Airframes. Darauf angesprochen schmunzelt der Entwickler Doyle: Das große Geheimnis liege in der präzisen Kraftsteuerung und in der Konfiguration ihres Mechanismus. „Und natürlich in der zugrunde liegenden Mathematik. Mehr wird nicht verraten, ist ja schließlich ein Geheimnis“, sagt Doyle.

"Dass ich so lange durchhalte, hätte ich nicht für möglich gehalten." Ein BMW-Monteur

Der Airframe kann in kurzer Zeit an- und abgelegt werden. Er passt sich mühelos den Bewegungen des Trägers an, ohne dass er in sein Arbeitsfeld eindringt oder seine Geschicklichkeit beeinträchtigt. Der Airframe wird schrittweise aktiv durch das Anheben der Arme und drosselt seine Kraft entsprechend, wenn die Arme gesenkt werden. So liefert er eine immer passende Unterstützung zur passenden Zeit. „Man kann es richtig genießen, länger zu arbeiten und gar nicht müde zu werden. Dass ich so lange durchhalte, hätte ich nicht für möglich gehalten“, freut sich Dirk P., Monteur bei BMW in Spartanburg im amerikanischen Bundesstat South Carolina. Die Steigerung der Ausdauer, die Reduktion von Müdigkeit - beides wird gewährleistet durch die individuelle Anpassung des Exoskeletts an die Physis seines Trägers. Ein technisches System zu entwickeln für die optimale Kraftverteilung bei gleichzeitigem Gewichtsausgleich von Arm und Schulter war die eine große Herausforderung an die Entwickler. Die zweite war, ein tragbares Gestell zu konstruieren, das im Grunde jedem passt, ob er nun groß und kräftig gebaut ist oder von eher kleiner und schmaler Statur.

32 Gleitlager von igus sind im Gestell verbaut

Industrieunternehmen verschiedener Branchen haben ihren Bedarf an Exoskeletten bereits angemeldet - mit klaren Vorstellungen und Anforderungen. Damit reagieren sie auch auf die zunehmende Zahl von Muskel- und Skeletterkrankungen. Natürlich dürfen die Assistenzsysteme den Arbeitsfluss nicht behindern. Darum müssen die tragbaren Gestelle leicht, komfortabel und funktional sein. Der Erfinder des Airframes, Mark Doyle, arbeitet schon seit langem mit igus Produkten, und sie passen für ihn in idealer Weise zum Airframe: „Die igus Produkte sind praktikabel, robust, sie sind konfigurierbar und das Material passt. Mit igus als Unternehmen kann man sehr gut zusammenarbeiten, die Unterstützung ist prima. Die igus Lager haben eine hervorragende Qualität, sind laufruhig und haben eine hohe Lebensdauer.“ Laut Doyle war auch die Schmiermittelfreiheit ein wichtiger Grund, sich für igus zu entscheiden. Schließlich darf der Airframe die Kleidung nicht beschmutzen. Rund eine Million Bewegungszyklen soll der Airframe im Arbeitsmodus garantieren. Da müssen die 32 im Airframe verbauten Gleitlager schon einiges aushalten. Schon bei der ersten Entwicklung von Prototypen des Gestells hat der Erfinder Mark Doyle igus Lager eingesetzt.

Online-Konfigurator und -Lebensdauerrechner von igus halfen bei Auswahl

Damit sich das Exoskelett mühelos den Bewegungen des Trägers anpassen kann und nicht in seinen Arbeitsbereich eingreift, muss es leicht und kompakt sein und auch bei hohen axialen Lasten bis 100 kg reibungslos funktionieren. Diese hohen Ansprüche sind laut Levitate mit den Gleitlagern aus Hochleistungskunststoffen gut zu erfüllen. Darüber hinaus müssen die Lager eine hohe Lebensdauer garantieren und möglichst kostengünstig sein. „Die anfänglichen Versuche mit dem iglidur J Material waren schon recht vielversprechend, wenn auch nicht optimal,“ meint Marc Doyle von Levitate, „aber gemeinsam mit igus haben wir dann mit iglidur X und M250 die optimalen Werkstoffe gefunden.“ iglidur X kommt als Werkstoff an den Stellen zum Einsatz, an denen die Lager besonders hohe Lasten aufnehmen müssen. Das deutlich kostengünstigere iglidur M250 Lager erfüllt die notwendigen Ansprüche bei niedriger Belastung. igus Online-Konfigurator und -Lebensdauerrechner haben laut Doyle dabei geholfen, das optimale Lager für den Airframe zu finden.

Der Airfame – für Chirurgen erdacht – sorgt heute bei BMW für Furore

Die Idee für die Entwicklung des Airframes entstand im Gespräch mit Chirurgen, die nach langen Operationen über Müdigkeit und Schmerzen klagten. Ärzte forderten ein System, um die Arme bei hebenden und streckenden Bewegungen zu entlasten. Gerade die Feinarbeit bei endoskopischen Operationen lassen die Muskeln im Nacken und Schulterbereich schnell ermüden. Zwar sind schon statische Ablagesysteme im Einsatz, aber keine Modelle, mit denen sich der Mediziner im Operationssaal frei bewegen kann. Mit diesen Vorgaben machte sich Mark Doyle 2011 an die Arbeit, entwickelte in seiner Garage den Airframe und stellte ihn für Tests und praktische Arbeiten zur Verfügung. Chirurgen, die das tragbare Gestell bei Operationen einsetzen, bestätigen den positiven Effekt auf ihre Arbeit. Das Internal Review Boards (IRB) der Medizinischen Universität von San Diego konnte dies in einer Studie belegen und zeigen, wie sich die Leistungsfähigkeit von Ärzten bei Operationen mit und ohne Exoskelett unterscheidet. So halbiert sich das Müdigkeitsempfinden bei Operationen nach 12 Minuten nahezu, und die Schmerzrate nimmt um etwa 25 Prozent ab.

Zahl der Schweißverbindungen stieg um über 80 Prozent

Die Studie belegt, dass der Airframe zum einen die Leistungsfähigkeit deutlich fördert und zum anderen das Gesundheitsrisiko deutlich reduziert. Die Ergebnisse für den Airframe im Operationssaal lassen sich leicht auch auf andere Arbeitsstätten übertragen, in denen Menschen Arbeiten ausführen, die für Arme, Rücken und Nacken anstrengend sind. Bei Frisören gehören Muskel-Skelett-Erkrankungen zu den häufigsten Gründen für die Arbeitsunfähigkeit, obwohl mehr als die Hälfte der Frisöre jünger als 35 Jahre alt sind. Ursache dafür ist die Arbeit mit angehobenen Armen bei häufig nach vorne geneigtem Oberkörper. Statistiken von Krankenversicherungen zufolge sind Muskel-Skelett-Erkrankungen die zweithäufigste Ursache für Berufsunfähigkeit, deutlich nach psychischen Erkrankungen, aber noch vor Krebs oder Herz-Kreislaufleiden. Exoskelette können also dazu beitragen, die Gesundheitskosten deutlich zu senken. Daher werden sie heute schon von Krankenkassen angefordert und getestet. Viele Industrien verlassen sich auf menschliche Präzision, um Qualität und Produktivität hochzuhalten. Jedoch kann diese Präzision deutlich leiden, wenn sich Arbeiten stereotyp wiederholen und die Muskeln ermüden. Untersuchungen im eigenen Testlabor von Levitate bei Malern und Schweißern können belegen, dass der Airframe dem entgegen wirkt. Die Anzahl an angestrichenen Teilen stieg in den Tests um mehr als die Hälfte, die Zahl der Schweißverbindungen sogar um 86 Prozent.

Bayern: BMW setzt bereits 68 Airframes ein

Es gibt viele Gründe, warum große Unternehmen aus der Industrie - vom Automobilbau bis zur Flugzeugindustrie - heute schon den Airframe kaufen. BMW hat bekannt gegeben, dass sich der Airframe gegenüber anderen Systemen bewährt hat und als ‚product of choice‘ heute schon die Arbeiter in ihren Werken in den USA deutlich entlastet. Die Bayern setzen in ihrem Werk in Spartanburg, wo fast ausschließlich SUV-Fahrzeuge der X-Serie produziert werden, bereits rund 68 Airframes ein. Dort sind sich die Produktionsleiter sich, dass diese neue Arbeitsweise international Schule macht. „Wir sind die erste Fabrik und der erste Automobilhersteller, der sie benutzt, und ich würde sie gerne jedem Arbeiter zur Verfügung stellen,“ meint Frank Pachiro, Montageplaner bei BMW in Spartanburg. „Auch andere BMW-Werke beispielsweise in München werden jetzt Exoskelette testen.“ Auch Wettbewerber wie Honda, Toyota oder Nissan sind bereits aufmerksam geworden.

Nachfrage aus der Industrie boomt

Fast ausschließlich positive Reaktionen bekommt Levitate von der Industrie zurück. „Wir bekommen Folgeaufträge. Das ist das beste Feedback, das uns die Industrie geben kann“, strahlt Mark Doyle. „Die Arbeiter machen wir mit dem tragbaren Roboter glücklich, sie ziehen ihn nie freiwillig aus, sondern erst, wenn wir sie dazu auffordern“, so Doyle weiter. Aktuell bietet Levitate den Aiframe fast ausschließlich großen Konzernen an, darunter die großen Flugzeugbauer Airbus und Boeing und auch Mischkonzerne wie Siemens und GE. Viele Anfragen kommen auch aus der Schwerindustrie und von Agrarunternehmen. „Es geht darum, die Anzahl der Partner erst einmal gering zu halten“, meint Joseph Zawaideh, Mitbegründer von Levitate und zuständig für das Marketing und die Geschäftsentwicklung. Schließlich sind wir noch ein junges Unternehmen, mit den ausgewählten Partnern können wir das Produkt prima weiter entwickeln, und wir können den Service anbieten, den der Kunde verdient“. Sein Produkt sei ja auch nicht billig, der Preis für ein System liege im unteren vierstelligen Bereich. Als Nutzer im Blick hat man vor allem die wertvollen Facharbeiter, deren Leistungsfähigkeit im Alter abnimmt und die anfälliger werden für Müdigkeit und Schmerzen. Sie können durch das Assistenzsystem länger und produktiver arbeiten. Dadurch steigt die Berufszufriedenheit deutlich.

Hilfe für die Über-Kopf-Montage: Bei BMW in Spartanburg werden Exoskelette eingesetzt um den Arbeitern das Leben zu erleichtern.

Angetriebene Roboter bleiben Konkurrenten

Das große Interesse und die positiven Erfahrungen lassen Levitate darauf hoffen, dass die Auftragszahlen für den Aiframe schon bald in die Höhe schießen. Darauf bereitet man sich vor, gemeinsam mit der Firma D & K, die die Airframes für Levitate am Standort im kalifornischen San Diego gefertigt. Aktuell liegt die Produktion bei rund 40 Systemen pro Woche - fast ausschließlich in Handarbeit. Eine Dame fügt die einzelnen Teile mit großer Präzision zusammen und benötigt für ein System etwa zwei Stunden. Sie ist auch zuständig für den Einbau der igus Gleitlager.

Damit die Kunden nicht zu lange auf ihre Bestellungen warten müssen, will D & K die Produktion deutlich erweitern. Zur Zeit laufen Tests, um die Produktion zu verfünffachen – wobei die Planungen berücksichtigen, dass womöglich schon bald Tausende pro Woche produziert werden müssen. Wenn die großen Unternehmen ihre Tests abgeschlossen haben, könnte es schon bald zu einer Welle von Bestellungen kommen. Schließlich will Levitate den aktuellen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb nicht verlieren. Aktuell gibt es weltweit etwa zwei bis drei vergleichbare Systeme. Sicher sind auch die angetriebenen Roboter Konkurrenten, wenn sie den Arbeiter entlasten und stärker machen, aber häufig sind die Kosten und vor allem das Gewicht höher, was den aktuellen Wünschen der Industrie entgegensteht. Spezifische Normen oder Regelwerke für Exoskelette gibt es noch nicht, die Idee der tragbaren Roboter ist noch relativ jung. Dennoch gilt auch für sie die allgemeine EU-Maschinenrichtlinie 2006, die dafür sorgt, dass in Europa nur sichere Produkte angeboten werden. Natürlich gibt es Vorschriften in einzelnen Branchen, wie etwa die Forderung nach Keimfreiheit in der Medizin. Darum wird im Operationssaal das Exoskelett unter dem sterilen Kittel getragen.

Nachfrage nach Exoskeletten wird zunehmen

Dass der Markt für leistungsfördernde und Gesundheit schonende Exoskelette in Zukunft deutlich steigen wird – darüber sind sich die Experten einig. Die International Federation of Robotics schätzt, dass im Jahr 2015 rund 370 Exoskelette verkauft wurden, im Jahr 2019 sollen es schon 6.500 sein. So wird sich die Arbeit in den Fabriken nicht nur durch die Automatisierung und die Robotertechnik verändern – auch das Exoskelett wird ein ‚Game Changer‘ sein.