Additive Werkstoffe : 3D-Druck: Was neue Werkstoffe leisten müssen

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Die Additive Fertigung wird in der Produktion immer bedeutender. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: In kurzer Zeit lassen sich kundenindividuelle Bauteile produzieren - und das ganz ohne Werkzeugformen und Umrüstkosten. Davon profitiert die verarbeitende Industrie immens, denn sie erhält ihr spezifisches Teil schnell und im Vergleich dazu auch noch viel günstiger. Wer additiv fertigen will, muss aber zwei wesentliche Anforderungen beachten: präzise 3D-Drucker sowie leistungsstarke Werkstoffe. „Unseren Fokus setzen wir bei der Fertigung von Sonderteilen auf die Verschleißfestigkeit“, sagt Paul Gomer, Entwicklungsingenieur Additive Fertigung bei igus. „Diese ist das A und O. Vergleichstests in unserem Testlabor haben gezeigt, dass die Verschleißfestigkeit der additiv gefertigten Teile mit den entsprechenden Spritzgussteilen absolut vergleichbar ist.“

Unrealisierbares wird möglich

Dennoch ist die Materialauswahl im 3D-Druck aktuell noch deutlich geringer als im Spritzguss. Bei Letzterem gibt es beispielweise verstärkte Materialien, die derzeit für den 3D-Druck noch nicht verarbeitet werden können. Noch. Grundsätzlich lassen sich aber schon jetzt viele Werkstoffe per 3D-Druck verarbeiten wie zum Beispiel Keramik, Metalle, Standard- und technische Kunststoffe sowie Hochleistungspolymere. „Die Industrie hat erkannt, dass inzwischen auch namhafte Material-Lieferanten in die Thematik eingestiegen sind und speziell für den 3D-Druck angepasste Materialien entwickeln“, so Gomer. „Damit werden bislang für unrealisierbar geglaubte Materialien wie für den Filamentdruck möglich – wie zum Beispiel teilkristalline Kunststoffe.“ Auf diese Weise werden die Materialien leichter zu verarbeiten und die Teile deutlich belastbarer. Ferner erhofft sich die Industrie einen Einsatz der 3D-Technik bald auch in anspruchsvollere Bereiche und Branchen. Die spannende Frage dabei lautet: Ist eine wirtschaftliche (Serien-) Fertigung von Multimaterial-Bauteilen mit noch gezielteren Materialeigenschaften überhaupt machbar? „Im Einzelfall sind Hart-Weich-Kombinationen jetzt schon realisierbar“, erklärt Gomer. „Für eine Skalierbarkeit sind allerdings noch technologische Weiterentwicklungen nötig.“

Die Herausforderungen

Aktuell eignet sich das FDM-Verfahren hierzu besser als das SLS-Verfahren, da die Technik anspruchsloser, aber flexibler ausgelegt ist. Aufgrund der höheren Produktivität des SLS-Verfahrens gilt es hier die Handhabung von Multimaterialien weiterzuentwickeln. „Die Herausforderung besteht für den Anwender und Konstrukteur weiterhin darin, eine etablierte und breitere Werkstoffauswahl mit zuverlässigen und nachverfolgbaren Materialeigenschaften zu bieten“, bekräftigt Gomer. Ein wichtiges Thema ist hierzu für Gomer die Verbesserung der orientierungsabhängigen und verfahrensspezifischen anisotropen Eigenschaftsunterschiede. Ein weiterer Aspekt ist die Einhaltung von spezifischen Qualitätssicherungsstandards, die in vielen Branchen wie zum Beispiel Automotive oder Luftfahrt gefordert werden.

Neue Werkstoffe mit neuen Eigenschaften

Im Hause igus wurde kürzlich ein schmiermittelfreier Werkstoff zu einem Tribo-Filament weiterentwickelt. Dazu musste eigens ein neuer Hochtemperaturdrucker konstruiert werden, der in der Lage war, das Filament zu verarbeiten. „In dem neuen 3D-Drucker setzen wir auf die igus-Standardkomponenten, die auch bei den hohen Bauraumtemperaturen zuverlässig funktionieren“, unterstreicht Gomer. „Dabei benutzen wir eine Düse, die bei einer Temperatur von bis zu 400 Grad Celsius das Filament aufschmelzen kann.“ Der Kunststoff eignet sich insbesondere durch seine sehr hohe Verschleißfestigkeit und niedrige Reibwerte auf Stahl sowie für Rotationen und besitzt eine hohe Dimensionsstabilität bei Temperaturen bis zu 180 Grad Celsius.

Entstehungsprozess neuer Werkstoffe

Im Bereich 3D-Druck müssen Materialien gezielt auf die jeweilige Fertigungstechnologie hin entwickelt werden, da sich die additiven Verfahren im Detail deutlich unterscheiden. „Unser primäres Augenmerk bei der Materialentwicklung ist die Evaluation der Prozessfähigkeit eines Materials und die frühzeitige Analyse der Verschleißfestigkeit“, so Gomer. „Hierzu werden Standardtestbauteile gefertigt und auf unseren Prüfständen ausgiebig getestet.“ Für die Anwendungs- und Werkstoffprüfung steht igus ein Testlabor von über 3.800 Quadratmeter Fläche zu Verfügung. Dies ist innerhalb der Branche nicht nur das flächenmäßig größte Testlabor, sondern auch das mit der höchsten Anzahl an Produkttests und Prüfverfahren. So entstehen im Haus igus auch Sonderlösungen wie zum Beispiel für die hygienisch sensible Kosmetik- und Nahrungsmittelindustrie. In diesem Bereich gibt es besondere Anforderungen wie zum Beispiel durch die EU. Dafür wurde beispielsweise ein Filament entwickelt, das konform mit der EU-Verordnung 10/2011 und besonders leicht im FDM-Verfahren zu verarbeiten ist.