Tech-Crashers : Warum Ohren zuhalten gut ist, wenn das 4.0-Getöse zu laut wird

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© kikujungboy - Fotolia

Jede Gemeinschaft braucht ihre Rituale. Im mir seit gut zwanzig Jahren vertrauten Umfeld der Industrieproduktion ist es beispielsweise üblich, alle paar Jahre einen Elefanten mit möglichst großem Getöse durch die Halle zu treiben. Die flexible Automation, die digitale Fabrik, CIM und die fraktale Fertigung – sie alle kamen und gingen, nicht ohne die eine oder andere Hinterlassenschaft. Aktuell hat mit „Industrie 4.0“ ein besonders stattliches Exemplar die Halle betreten.

Der Pfad der Elefantentreiber folgt einem bestimmten zeitlichen Verlauf, der gut mit der Gartner Technology Hype Curve korreliert: Exponentiell ansteigender Anfangsenthusiasmus, überschießende Erwartungen, Bejubeln der Ultima Ratio. Dann folgt die Phase der Ernüchterung. Im Tal der Tränen kann es sogar passieren, dass sich die Menschen vom elefantösen Götzen abwenden. Im Normalfall aber gewinnen die Pragmatiker, und es blei- ben jene Hinterlassenschaften, die tatsächlich nachweisbaren Fortschritt bringen. Mit Industrie 4.0 befinden wir uns derzeit in der Euphoriephase, Verwirrung inklusive.

Beispiel Hannover Messe: Kein einziger Messestand, der nicht groß „Industrie 4.0“ plakatierte, dazu eine Buzzword-Inflation von „denkende Fabrik“ bis „Cyberphysical Systems“. Bei meinen Fachgesprächen jedoch fand ich nicht einen einzigen Aussteller, der mir seinen Beitrag zu Industrie 4.0 konzise erklären konnte. Dafür traf ich zwei verzweifelte Junior-Manager: Ihr Chef hatte sie ausgeschickt, bis Jahresende eine Umsetzung von Industrie 4.0 zu erledigen – es gehe ja nicht an, da nicht dabei zu sein, meinte er. Mein Mitgefühl für die beiden. Sonst: ohne Worte.

Was muss sich ändern?

Klar ist: Das Elefantentreiben bewirkt ein notwendiges Momentum. Es triggert Innovation, inspiriert neue Blickwinkel und setzt Forschungsmittel frei. Nehmen wir etwa das Positionspapier des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung („Zukunftsbild Industrie 4.0“): Dieses Papier ist exzellent. Ich würde mir solche Initiativen auch von der österreichischen Bundesregierung erwarten, hier stehen wir aber mit der kürzlich erfolgten Gründung eines Vereins „Industrie 4.0“ eher erst am Anfang, vorsichtig ausgedrückt.

Das deutsche „Zukunftsbild Industrie 4.0“ stellt die simple Kernfrage: Was muss sich in unserer Industrie ändern, damit sie 2030 noch wettbewerbsfähig ist? Ich meine, jeder Betrieb hat sich dieser Frage zu stellen. Und die Antwort auf seine Gegebenheiten herunterzubrechen. Es geht um Wettbewerbsfähigkeit hinsichtlich Produkt, Kosten, Marktposition, Agilität und Anpassungsfähigkeit. Denn dort steckt der Profit von morgen.

Das rate ich jedem Produktionsbetrieb.

Ich rate daher jedem Produktionsbetrieb, ständig an seinen Prozessen zu arbeiten und, nach dem Leitbild des Toyota-Produktionssystems, Verschwendung zu eliminieren. Neue Technologien und Methoden können solche Verbesserungen unterstützen oder sogar erst ermöglichen. Das ist das Gute an den Elefanten, dafür sollten wir sie willkommen heißen. Die tatsächlich vorzunehmenden Veränderungen sind aber immer unter dem Prozessfokus zu beurteilen.

Allein konkrete, ökonomisch valide Prozessverbesserungen taugen als Motivation für die Einführung neuer Technologien und Vorgehensweisen. Nicht Modetrends, nicht Untergangsprophezeiungen, nicht Marketingtrompeten. Daher: Business-Augen offen lassen für das Brauchbare am Neuen – aber Ohren zuhalten, wenn das Getöse zu laut wird.