Sensorik : Erstmals elektromagnetische Felder von Nanostrukturen in 3D abgebildet

TU Graz Kothleitner Haberfehlner Hohenester
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Ob für die Mikroskopie, die Datenspeicherung oder die Sensorik: Viele fortgeschrittene technologische Anwendungen, die spezifische Funktionen erfordern, beruhen auf der Struktur des elektromagnetischen Feldes in der Nähe der Oberflächen von Materialien. An Nanosystemen tragen sogenannte Oberflächenphononen, also zeitliche Verzerrungen des Atomgitters, entscheidend zu den physikalischen und thermodynamischen Eigenschaften bei.

Könnte man Oberflächenphononen gezielt manipulieren, könnte man eine bessere Wärmeleitung bzw. Wärmeübertragung zwischen zwei Bauteilen mit Nanooberflächen erwirken – was beispielsweise für Detektoren, Sensoren oder für hocheffiziente passive Kühlsysteme genutzt werden könnte. Darüber hinaus konzentrieren Oberflächenphononen elektromagnetische Energie spektral bis in den fernen Infrarotbereich. Das ebnet den Weg für superauflösende Linsen, verbesserte Schwingungsspektroskopie oder weitere faszinierende Anwendungen.

Elektromagnetische Felder in der Nähe von Nanostrukturen

Trotz des enormen Potenzials ist dieses Gebiet der Festkörperphysik noch wenig erforscht. Denn für die Erschließung neuer Nanotechnologien müssen diese Felder erst auf der Nanometerskala sichtbar gemacht werden: „Die Visualisierung dieser lokalen Felder ist der Ausgangspunkt für ein tieferes Grundlagenverständnis und für ein besseres Design von Nanostrukturen“, weiß Gerald Kothleitner, Leiter des Instituts für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik der TU Graz: „Erst vor wenigen Jahren wurden Elektronenmikroskope entwickelt, die leistungsfähig genug sind, um die relativ niedrige Energie von Phononen überhaupt zu registrieren. Bis dato konnten sie aber nur unzureichend, bestenfalls zweidimensional vermessen werden.“

Erste 3D-Abbildungen von Oberflächenphononen

Gemeinsam mit dem französischen Laboratoire de Physique des Solides (LPS) Orsay ist es Gerald Kothleitner, seinem Institutsmitarbeiter Georg Haberfehlner und Ulrich Hohenester vom Institut für Physik der Universität Graz nun erstmals gelungen, Oberflächenphononen dreidimensional abzubilden. „Wir haben diese Gitterschwingungen mit einem Elektronenstrahl angeregt, mit speziellen spektroskopischen Methoden gemessen und anschließend tomografisch rekonstruiert. Dadurch wurden die von den Oberflächenphononen eines Magnesiumoxid-Nanowürfels erzeugten infraroten Lichtfelder erstmals dreidimensional sichtbar und die räumliche Verteilung erkennbar. Insbesondere konnten wir so auch die Orte mit hohen Feldverstärkungen und die damit starken Wechselwirkungen bestimmter Phononen mit der Umgebung darstellen“, erläutert Kothleitner.

Ulrich Hohenester zieht Parallelen zwischen dem bekannten Röntgenbild und dem Computer-Tomografie-Verfahren: „Aus vielen zusammengesetzten 2D-Projektionen lässt sich eine 3D-Rekonstruktion des Objekts erstellen.“ Die Physikerinnen und Physiker verwendeten dazu anstelle des Röntgenstrahls den Elektronenstrahl, der statt mit Knochen und Gewebe mit Infrarot-Lichtfeldern wechselwirkt. „Wie bei einer Violine oder Gitarre“, erklärt Hohenester, „werden die Schwingungen an der Oberfläche des Nanowürfels in eine Reihe von Resonanzen zerlegt. Diese Modi werden dann so gewählt, dass man eine möglichst gute Übereinstimmung mit den experimentellen Daten erhält.“