Gastkommentar : Bühne frei für Zukunftsgestalter

Überall auf der Welt definieren Visionäre gerade das Mögliche neu. Vor allem die technologischen Innovateure sind wie auf Speed. Über alle Grenzen hinweg entwickeln sie Initiativen, die Ideen, Wissen und Können neu miteinander verknüpfen – und so unser Leben verbessern. Disruptiv kombinieren sie Technologien und vernetzen die virtuelle mit der realen Welt auf immer andere, kühne, noch nie dagewesene Weise.

Neuerungen können aber nur dort entstehen, wo es den passenden Nährboden gibt: die Erlaubnis zum Widerspruch, eine ergebnisoffene Lernkultur und Freiraum zum Experimentieren. Zudem braucht es Menschen die sich als Vorreiter und Pioniere mit Mut, Biss und Tatendrang ins Neuland wagen. Dort, wo noch niemand vor ihnen war, sehen sie vor allem Chancen, weniger das Risiko und die Gefahr.

Solche Menschen werden Quer- und Weiterdenker oder bisweilen auch Game Changer und Corporate Rebels genannt. Sie sind Wachrüttler, Kundschafter, Wegbereiter, Andersmacher, Vorwärtsbringer, Übermorgengestalter. Sie sprühen vor Ideen, wie man das, was in die Jahre gekommen ist, besser machen könnte, sollte und müsste. Sie sind Helfershelfer auf dem Weg in die Zukunft, Lotsen in die kommende Zeit.

Viele von ihnen sind Generalisten. Über ihre eigentliche Expertise hinaus haben sie etliche fachübergreifende Interessen, so dass sie ganzheitlicher handeln und umfassender einsetzbar sind. Sie haben Kompetenzen auf mehreren Arbeitsgebieten und denken in großen Zusammenhängen. Dort, wo ein Experte nur Ausschnitte sieht, bringen sie als interne „Brückenbauer“ das Beste aus vielen Bereichen zusammen.

Ihre Mitarbeiter haben keine großen Ideen?

Will man sich aus der Belanglosigkeit und dem Mittelmaß des bereits Etablierten zügig befreien, braucht es ständig neue Ideen – von Menschen, die außergewöhnliche Dinge denken und tun. Indem man die „Ideenfunken“ seiner internen Freigeister einfallsreich nutzt, macht man sich spannend – und damit begehrlich. Man kann gar nicht genug verrückte Ideen haben, um seine Kunden immer wieder neu zu betören. Und man braucht viele Ideen. Denn nur, wer viel würfelt, der würfelt am Ende auch Sechser.

„Meine Mitarbeiter haben aber keine wirklich guten Ideen“, meinte neulich einer. Manche Obere glauben tatsächlich noch immer, sie müssten alles selbst am besten wissen und ihren Leuten sagen, wie die Dinge zu laufen haben. Sie können sich schlecht auf fremde Sichtweisen einlassen und nur schwer akzeptieren, wenn auch andere mit Einfällen glänzen. Dabei gelingt es am besten gemeinsam, Ideen zu entwickeln, die zuvor noch niemand hatte, und auf die man allein nicht gekommen wäre. Wenn genügend kluge Köpfe zusammenkommen, lässt sich jedes Problem lösen.

Im Rahmen einer Haufe-Studie wurden dazu knapp 12.000 Mitarbeiter aus Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Das Ergebnis:

84 % wünschen sich mehr Mitsprachemöglichkeiten bei operativen Entscheidungen,

77 % wären motivierter, wenn sie mehr einbezogen würden, und

73 % glauben, dass die eigene Firma erfolgreicher wäre, wenn sie sich stärker einbringen könnten.

Mitarbeiter geben ihre Ideen aber nur dann preis, wenn sie glauben, dass diese Wertschätzung erfahren. Und wenn sie wissen, dass Fehler kein Beinbruch sind. Denn Fehler sind der Preis für Evolution und Innovation. Fehler machen bedeutet: Üben, um siegen zu lernen. Mit einer solchen Einstellung können nicht nur Verbesserungsinitiativen, sondern auch bahnbrechende Innovationen gelingen.

Spielraum für Freitagnachmittag-Projekte

Für Innovationen haben Sie eine Abteilung? Besser ist es, die „Weisheit der Vielen“ zu nutzen und jeden hilfreichen Einfall zu integrieren, ganz egal, woher er kommt. Je mehr unterschiedliche Perspektiven eingebracht werden, desto eher werden anstehende Aufgaben wirksam gelöst und gänzlich neue Ideen gefunden. Gerade die ambitionierten Quer- und Weiterdenker haben oft einen Riecher für Chancen am Markt. Geben Sie diesen Personen und ihren anfangs oft vagen Vorstößen Raum zur freien Entfaltung.

„Eigenzeit“ zwecks Fortentwicklung kreativer Gedanken ist unglaublich wichtig. Denn in der Hektik des Tagesgeschäfts ist meist keinerlei Platz, sich ausgiebig mit der Zukunft des Unternehmens zu befassen. Gestatten Sie Ihren Freigeistern also zum Beispiel, dass sie für eine Dauer von vier bis sechs Wochen freitags nach 14 Uhr an ihren eigenen Projekten arbeiten dürfen. Lassen Sie sie in dieser Zeit unbehelligt, verlangen Sie auch keine Zwischenberichte. Am Ende der festgelegten Periode sollen sie unternehmerisch sinnvolle Vorschläge für das weitere Vorgehen machen.

Die „Steckenpferdzeit“

Bei Gore, unter anderem Hersteller von Gore-Tex, nennt man dieses Konzept die Steckenpferdzeit. Von vielen Unternehmen aus der Digitalwirtschaft sind ähnliche Initiativen bekannt. So hat Google mit der 20-Prozent-Spielzeit Furore gemacht. In dieser Zeit durften die Mitarbeiter an Projekten arbeiten, die sie ganz persönlich interessierten. „50 Prozent aller neuen Google-Produkte kamen aus dieser 20-Prozent-Zeit“, berichtete Marissa Mayer, die bei Google federführend tätig war, anlässlich einer Vorlesung an der Stanford University.

Auch der Softwarehersteller Adobe macht Innovationen zu einem gelebten Teil der Unternehmenskultur. Dazu wurde ein Tool namens Kickbox entwickelt, mit dem Adobe seine Mitarbeiter zu Erfindern macht. Wer an diesem Programm teilnehmen will, erhält im Rahmen einer Einführungsveranstaltung eine rote Schachtel. Sie enthält Anweisungen, um selbst einen Innovationsprozess zu starten. Außerdem befindet sich in der Box eine Prepaid-Kreditkarte mit einem Limit von 1.000 Dollar für die Anschubfinanzierung. Zudem können sich die Beschäftigten für bis zu 40 Prozent ihrer Arbeitszeit freistellen lassen, um ihr jeweiliges Projekt zu entwickeln.