Pay per Use : „Data First“ – Wie die Industrie neue Geschäftsmodelle schafft
Wenn sich jemand mit neuen Geschäftsmodellen auskennt, dann wahrscheinlich Andreas Pfleger vom Innovationsdienstleister Zühlke. Er ist im Unternehmen unter anderem für die Entwicklung und Implementierung von Marktstrategien verantwortlich und weiß, dass disruptive Innovationen intern nicht immer sofort auf offene Ohren stoßen. „Auch bei einem Maschinenbauer mit höchstem Reifegrad, etwa aus der Automobilindustrie, kann eine neue Softwarestrategie für sehr viel Unruhe sorgen“, argumentiert Pfleger. Daher sollte man auch bedenken, dass sich eine Änderung des Geschäftsmodells möglicherweise auf bestehende Kundenbeziehungen auswirkt.
Überlegen sollte man sich auch, wie weit der Stammvertrieb für den Verkauf neuer, digitaler Produkte geeignet ist. Zudem verschieben sich die Kompetenzen vom Hardware- in den Softwarebereich: Data Scientists und Software Engineers werden zu Schlüsselkräften. Da Finanzdienstleister für die neuen Finanzierungsmodelle benötigt werden, nimmt auch deren Rolle an Gewicht zu.
Wie Fill seinen KundInnen auf den Zahn fühlte
Beim Maschinenbauer Fill sorgt eine eigene Abteilung für Innovationen. Sophie Binder hat sich als Innovationsmanagerin mit ihren KollegInnen schlau gemacht, wo bei bestehenden und potenziellen KundInnen die Pain Points liegen. Sie befragte 15 Firmen, um herauszufinden, ob überhaupt neue Geschäftsmodelle von Fill nachgefragt würden und wenn ja, was diese bieten sollten. „So sind wir draufgekommen, dass bei unseren KundInnen nicht die anfänglichen Investitionskosten das Problem sind. Der Fokus liegt bei ihnen vielmehr auf der Qualität und den Taktzeiten“. Daher habe man sich bei Fill entschieden, nicht die Maschinen im Abo anzubieten, sondern neue, digitale Produkte zu schaffen, die diesem Anspruch gerecht werden.
Neue Einnahmequellen erschließen
Die Vorgangsweise, die man bei Fill gewählt hat, würde auch Andreas Pfleger gutheißen. Für ihn gilt es als ersten Schritt immer, das Nutzenversprechen zu definieren. „Man sollte sich überlegen: welche Probleme wird man bei den KundInnen lösen können? Kann man das KundInnensegment erweitern? Und kann man neue Einnahmequellen erschließen?“. Typische Modelle, mit denen man etwa im Maschinenbau vom Einmalverkauf zu kontinuierlichen Umsatzströmen kommt, sind Pay-per-Use-Modelle, Subscriptions und Serviceverträge.
Mehr über Pay-per-Use erfahren Sie in diesem Artikel: Maschinen abonnieren - für alle ein Gewinn?
Die Basis von unseren digitalen Produkten sind Maschinendaten.Sophie Binder, Innovationsmanagerin bei Fill
Auf Basis seiner KundInnenbefragung hat das Innovationsteam vom Maschinenbauer Fill digitale Geschäftsmodelle entwickelt, die die Qualität seiner Produkte verbessern sollen. Wie das im Konkreten aussieht? „Die Basis von unseren digitalen Produkten sind natürlich Maschinendaten“, erklärt Binder. „Das Nutzenversprechen dahinter ist: der Kunde braucht für unsere Maschinen keine zusätzliche Sensorik zukaufen. Wir gewinnen die Daten aus den Sensoren, die ohnehin schon integriert sind“. Diese Daten werden dann analysiert, um herauszufinden, wo der Fehler liegt. Das Hauptprodukt, das Fill dazu liefert heißt Cybernetics Analyze. Es ist eine Analyseplattform für die Aufzeichnung und Speicherung relevanter Maschinenparameter, um sowohl den Gesundheitszustand als auch die Effizienz der Maschine und Prozesse für Produktion, Instandhaltung und Planung zu visualisieren. Mithilfe selbstlernender Algorithmen sollen Qualität und Effizienz kontinuierlich gesteigert werden können.
Ein neues Geschäftsmodell in drei Phasen
Andreas Pfleger spricht bei der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle von drei Phasen: Zunächst muss man beweisen, dass das Modell Mehrwert schafft. Es braucht also erste Erfolge. Danach folgt die Zwischenphase, in der festgelegt wird, welche Infrastruktur und welche Kompetenzen benötigt werden, etwa im IT-Bereich oder im Vertrieb. Gegebenenfalls können Prozesse auch ausgelagert oder mit dem Aufkaufen einen Start ups ins Unternehmen geholt werden. In der dritten Phase soll das Projekt zum Erfolg geführt werden. „Dafür braucht es die eine Person, die daran glaubt. Diese braucht zusätzlich Unterstützung auf der Senior-Management-Ebene. Außerdem ist es hilfreich, wenn es ein kleines Team gibt, das schnell agieren kann“. Trotz aller Herausforderungen, die solche disruptiven Innovationen mit sich bringen können, ist sich Pfleger sicher: „Neue Geschäftsmodelle können die Zukunft von Unternehmen absichern“.
Dieser Artikel basiert auf dem Industriemagazin-Diskusstionsformat "Zühlke Talk". Das ganze Video und nähere Infos zu den DiskutantInnen finden Sie hier: #Zühlke Talk: Neue Geschäftsmodelle in der Industrie.