Vertrauen in die Cloud : Was Spinnen mit digitaler Souveränität zu tun haben
Bernd Groß, CTO der Software AG, bemüht immer gerne das englische Kindergedicht The Spider and the Fly“ und zitiert die Passage: "Will you walk into my parlour?" Dieses zeitlose Kindergedicht warnt seine Leser davor, nicht auf die schmeichelnden Worte einer Spinne hereinzufallen, denn am Ende will sie einen nur fressen. „Es erinnert mich an das, was ich die Spider Economy nenne. Damit meine ich eine Wirtschaft, in der große Technologieunternehmen - die Spinnen - die innovativen Newcomer - die "Fliegen" - einfangen und verschlingen. Wenn das nicht möglich ist, bringen sie ihre eigenen Nachahmer auf den Markt, die die Konkurrenz ausschalten“, schreibt Groß in einem Beitrag und erklärt er später im Podcast KI in der Industrie.
Bequemlichkeit siegt über Innovation
Diese Praxis der Nachahmung wurde nicht von den Tech-Giganten erfunden, sondern ist in vielen Branchen seit Jahren üblich. Zum Beispiel im Einzelhandel: Sie ermitteln ein meistverkauftes Produkt und bringen dann ihre eigenen Markenprodukte auf den Markt, um damit zu konkurrieren - zu niedrigeren Preisen. Alle großen Supermarktketten bieten Eigenmarkenprodukte an, die den Markenartikeln sehr ähnlich sind. Sie sind die Spinnen in ihrer Branche.
Globale Tech-Plattform-Giganten haben die Nachahmungstaktik genutzt. „Sie bietet ihnen eine schnelle und einfache Lösung in einem völlig anderen globalen Maßstab. Im Gegensatz zu ihren kleineren Konkurrenten sind die Qualität oder die Fähigkeiten der Nachahmertechnologie für die Kunden nicht ausschlaggebend. Bequemlichkeit und One-Stop-Shopping per Mausklick haben Vorrang vor echter Innovation, was auf lange Sicht schädlich sein kann“, meint Groß.
„Ich nenne das Renovierung - nicht Innovation. Renovierung bedeutet, die Umgebung durch einen neuen Anstrich attraktiver zu gestalten. Doch nichts ist wirklich neu. Renovierung verwässert die Fähigkeit von Unternehmern, auf gleicher Augenhöhe zu konkurrieren, und kann Start-ups den Garaus machen.“
Digitale Souveränität und Vertrauen gewinnen an Bedeutung
Großs Kindergedicht stößt auf viel Interesse in der Industrie. Die digitale Souveränität gewinnt an Bedeutung. In Europa träumen viele Politiker und Industrievertreter von der Gaia-X und ein deutscher Cloud-Dienstleiter mischt da mit, den nur wenige auf dem Schirm haben: Ionos. An sechs Vorhaben aus der Gaia-X ist Ionos beteiligt. Die große Telekom ist nur in einem Projekt vertreten. Ionos will europäische Unternehmen für sich gewinnen. Über die Jahre gab es eine Verschiebung der Gewichtung bei der Auswahl eines Cloud-Anbieters. „Heutzutage wird der Fokus verstärkt auf die nichttechnischen Attribute gelegt. Denn die Nutzung der Cloud schafft Abhängigkeiten vom Anbieter. Daher rückt das Vertrauen in den Cloud-Anbieter als Partner in den Mittelpunkt“, heißt es bei Ionos.
„Mit der Spider Economy meine ich eine Wirtschaft, in der große Technologieunternehmen - die Spinnen - die innovativen Newcomer - die Fliegen - einfangen und verschlingen.“Bernd Groß, Software AG
Ionos nimmt es mit Platzhirschen auf
Und dann holen die Deutschen gegen AWS auf ihrer Website aus: „Hinzu kommt, dass Amazon bekannt für moralisch fragwürdiges Geschäftsgebaren ist. Die Firma hat quasi eine Monopolstellung auf dem Cloud-Markt und übt damit einen enormen Einfluss auf die mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmen aus. Ferner fiel Amazon immer wieder durch unfaire Behandlung der Belegschaft auf. Aufgrund der engen Verflechtung von Amazon mit dem militärisch-industriellen Komplex kommt für ethische Unternehmen eine Zusammenarbeit mit der Firma ggf. nicht in Frage.“
Auch technologisch nehmen es die Deutschen mit den Platzhirschen auf. Das US-Analystenhaus ISG hat in einer Ende vorigen Jahres erschienen Analyse Ionos erstmals neben AWS, Microsoft, Google und T-Systems im Quadranten der Marktführer einsortiert, schreibt der Tagesspiegel in seinem Entscheider-Medium Backround. Die Verantwortlichen scharren mittlerweile viele Unternehmen und Mittelständler um sich. Partner werben aktiv mit der DSGVO-konformen Cloud aus Deutschland.
Open Source als Lösung
Eng verbunden mit Gaia-X ist auch das Thema Open Source. Das Thema hat es bis auf die Schreibtische der EU Politikerinnen und Politiker in Brüssel geschafft. Manch einer wunderte sich, als die EU Kommission Open Source hochjubelte. Open Source ist in vielen Unternehmen schon gesetzt, aber es herrscht vor allem Nachholbedarf beim Mittelstand. Nur noch wenige Unternehmen wollen in proprietären Systemen gefangen sein. Open Source kann eine Lösung sein – auch wenn immer wieder Kritik aufkommt. Die Vorteile liegen aber auf der Hand: Die Unternehmen profitieren von einer weltweiten Entwicklercommunity, die Ideen in die Anwendungen einbringen, sie weiterführen. Viele KI-Anwendungen sind heute ohne Open Source nicht denkbar. Dazu kommt: Die Unternehmen werben um die besten Köpfe in der IT-Welt. Viele EntwicklerInnen sind in den Open Source-Plattformen aktiv. Wer sich dort als Arbeitgeber offen, ideenreich positioniert, kann auch im Recruiting profieren.
Open Source ist darüber hinaus für viele Auftraggeber eine Absicherung. Im Vorfeld von IT-Projekten bemühen Dienstleister und Kunde zahlreiche Anwälte, um im Fall der Insolvenz die Rechte an dem Code abzusichern. Das ist oft teuer, kostet viel Zeit und mit einem Open Source-Ansatz lässt sich das Problem schnell lösen. Dazu kommt: Geht der IT-Dienstleister finanziell in die Knie ist der Kunde oft gezwungen ihn zu kaufen oder nutzt mit einem neuen Partner die Open Source-Anwendung und entwickelt weiter. Offenheit schafft Vertrauen, spart Geld – und schützt vor der Spinne.