Vertriebssicht : Wie Sie sich als Vertrieb vor Compliance-Delikten schützen
Vor kurzem besuchte ich eine Konferenz auf welcher sich zwei Repräsentanten großer Industrieunternehmen im Pausengespräch über verschiedene Marktinformationen lautstark austauschten. Insbesondere als man auf kundenspezifische Preise zu sprechen kam, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und wies auf das mit dem Gespräch verbundene Risiken hin. Anfängliche Irritation der Vertriebskollegen wich gegen Ende des Gespräches einer nachdenklichen Betroffenheit. Was mich zu dieser Kolumne motivierte.
Über 20 Milliarden Euro Strafvolumen
Die europäische Kommission verhängte seit 1990 über 20 Milliarden Euro Strafen über Unternehmen und beteiligte Personen im Zusammenhang mit Verstößen gegen Compliance-Agenden (übersetzbar mit Regeltreue). Compliance umfasst die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien bei Anbahnung und Durchführung von Transaktionen im Geschäftsleben. Neben den Gesetzen spielen auch firmeninterne Richtlinien eine immer größere Rolle. Sie definieren was Mitarbeiter dürfen und was nicht.
Wie Sie sich im Vertrieb schützen
Im Vertrieb fungieren Sie als Schnittstelle und Informationsträger. Im Sinne Ihres Unternehmens, Ihrer Kunden, der Allgemeinheit und vor allem Ihrer persönlichen Sicherheit, sollten Sie sich mit dem Thema intensiv beschäftigen. Die Einhaltung von Gesetzen versteht sich von selbst. Schäden an der Gesellschaft durch wettbewerbswidriges Verhalten dürfen nicht toleriert werden. Komplexer wird es bei der Berücksichtigung von umfassenden unternehmensrelevanten Kodizes, welche die Interaktion zwischen Beschaffern und Lieferanten regeln. Diese umfassen beispielsweise akzeptable Geschäftsanbahnungs-Gebarungen (Begrenzung Werte für Weihnachtsgeschenke, oder Verlosung dieser; Annahme geldwerter Vorteile wie Essenseinladungen, Seminarbesuche…). Prüfen Sie daher, ob eine wichtige Vergabeverhandlung bevorsteht und eine Essenseinladung zur Klärung eines anderen Projektes missinterpretiert werden könnte.
Erfahrene Profis werden Sie auf diesen Umstand hinweisen und die Einladung ausschlagen, sofern diese nicht ohnehin untersagt ist. Im Zuge von Untersuchungen werden Daten und Akten gesichtet, möglicherweise auch Telefongespräche analysiert. Achten Sie daher stets auf Ihre Wortwahl. Je größer Ihr Unternehmen ist, umso sorgsamer sollten Sie mit offensiven Formulierungen sein. Sprechen Sie bei sensiblen Situationen offen mit Ihren Kunden, um Grauzonen entsprechend der Gesetzeslage und beidseitiger Richtlinien zu vermeiden. Absolvieren Sie Compliance Kurse und lernen die Kodizes aller Beteiligten kennen (oder lassen sich diese erklären). Tauschen Sie sich im Zweifelsfall vorab stets mit Ihren Vorgesetzten oder organisatorisch verantwortlichen Kollegen aus. Ihre Sicherheit und Souveränität hat oberste Priorität.
Zur Person: Christian Eberhardt-Motzelt ist spezialisiert auf Investitionsgütermarketing, Schwerpunkt Vertrieb. Er berät für die Zwick Roell Gruppe Industriebetriebe aus über 20 Branchen. Mehr Infos unter: www.eberhardt-motzelt-christian.com