Nachgefragt : Wie die Instandhaltung die Produktion von Swarovski wandelt
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FACTORY: Früher galt die D. Swarovski KG als Einzelkämpfer, heute öffnet sich das Unternehmen merklich gegenüber Partnern und Zulieferern. Herr Unterlechner, was spüren Sie von diesem Kulturwandel?
Thomas Unterlechner: Ich denke, dass das Thema Industrie 4.0 dazu beiträgt, dass sich Swarovski mehr öffnet. Wir entwickeln, fertigen, montieren und reparieren nicht mehr, wie früher alles selber, sondern holen uns bewusst Partner an Bord. Heute konzentrieren wir uns viel mehr auf unsere Kernkompetenzen.
Interessant ist, dass Sie einer der wenigen Betriebe sind, wo der Begriff „Industrie 4.0“ noch nicht verpönt ist.
Unterlechner: Warum auch? Dieser Begriff öffnet uns sehr viele Türen, vor allem intern. Fällt dieses Wort im Rahmen eines Projektes, ziehen alle an einem Strang. Keiner fällt in alte Verhaltensmuster und legt sich quer.
Weil die Geschäftsführung hier eine klare Richtung vorgibt?
Unterlechner: Richtig, unserer Gesch.ftsführung liegt das Thema Industrie 4.0 sehr am Herzen. Dadurch hat sich unsere Unternehmenskultur maßgeblich verändert.
Kann man sagen, dass die Instandhaltung bei Swarovski Treiber für Industrie 4.0 war?
Unterlechner: Ja, das war sie definitiv – mitunter sogar der Auslöser für den neuen Weg. Als wir 2011 damit begonnen haben, eine zentrale Instandhaltungsorganisation aufzubauen, ergaben sich daraus weitere Projekte ...
... die Swarovski heute unter „Operation goes Industry 4.0“ zusammenfasst?
Unterlechner: Genau. Alles, wir was im Zuge dieser neuen Projekte im Bereich PLM und ERP gestartet haben, wurde richtungsweisend für unsere neue Ausrichtung und Zusammenarbeit.
War also die Instandhaltung früher von einer Inselkultur geprägt?
Unterlechner: Vor 2011 hatte jede unserer Produktionsabteilungen ihr eigenes Instandhaltungspersonal bzw. wurde von Maschinenbau- und Fluidtechnikern, Elektronikern, usw. aus den verschiedensten Bereichen unterstützt. Jetzt haben wir das zu einer Abteilung zusammengefasst.
Es gab also weder ein zentrales Meldesystem noch eine Maschinendatenbank?
Unterlechner: Richtig. Eine Anlage wurde repariert, wenn sie eben kaputt war. Heute ist es eine zentrale Organisation, bei der über unsere Hotline „Machinery“ sämtliche Störungen rund um die Uhr gemeldet werden. Dahinter steckt ein bunt gemischtes Team, das quasi auf Abruf ist.
Als einer der größten Maschinenbauer Tirols, welchen Arbeitsumfang bewältigt dieses Team?
Unterlechner: Es gibt bei uns circa 3.000 erfasste Anlagen und die mittlerweile 70 Instandhalter wickeln jährlich so rund 12.000 Störungsfälle ab.
Nachdem die Instandhaltung eine zentral verbindende Organisation wurde, hat Swarovski sich an etwas gewagt, wovor viele noch zurückschrecken: SAP als Maschinendatenbank und Abwicklung für Wartungsaufträge.
Unterlechner: SAP mag zwar auf den ersten Blick kompliziert sein, aber wir haben sehr schnell erkannt, dass an der Instandhaltung wesentlich mehr dranhängt als ursprünglich gedacht. Schnell hat sich herausgestellt, dass auch Stammdaten, Materialwirtschaft und Einkauf zentrale Themen bei uns sind. Wir wollten manuelle Schnittstellen vermeiden und ein System haben, das Controlling und Bestandsführung automatisch integriert.
Apropos Bestandsführung: Sie beherbergen Ersatzteile im Millionenbereich. Eine saftige Summe, die Sie reduzieren wollen?
Unterlechner: Nicht nur reduzieren, wir wollen sie optimieren. Circa ein Drittel haben wir schon elektronisch erfasst. Ziel ist ein zentrales Ersatzteilmanagement, wo wir Prozesse optimieren, Mehrfachlagerungen verhindern, Bestellungen automatisieren und Bestände reduzieren können.
Zurück zur Einführung eines durchgängigen IT-Systems: Wenn Schmierölmagnaten auf IT-Götter treffen, gab es keine Reibereien?
Unterlechner: Oh, die gab es – vor allem bei der Verständigung. Denn die IT und die Instandhaltung haben ein sehr unterschiedliches Glossar. SAP hat viele Vorgaben, was Bezeichnungen angeht. Genauso hat die Instandhaltung unterschiedlichste Auftragsarten wie Störungsbehebung, Wartung und Aufarbeitungsaufträge. Das war zu Anfang recht schwierig in die Köpfe zu bringen.
Und wie haben Sie es geschafft, die beiden Welten zu verbinden?
Unterlechner: (lacht) Für einen gemeinsamen Nenner braucht es einfach manchmal einen Diktator. Nein, natürlich nicht. Der Schlüssel zum Erfolg waren eigentlich motivierte Leute, die offen gegenüber dem neuen System waren.
Sie sprachen einmal von „unbefleckten Leuten“ als Geheimwaffe?
Unterlechner: Ja, damit waren jene gemeint, die noch nie mit SAP gearbeitet haben und das von Grund auf lernten. Weil wir einen durchgehenden Standard wollten, haben wir – und das mag vielleicht für manche ungewöhnlich klingen – unsere Prozesse an SAP angepasst und nicht umgekehrt. Und da waren diese „unbefleckten Mitarbeiter“ jene, die klargestellt haben, dass SAP im technischen Bereich absolut einsetzbar ist.
Mit richtigen Blockierern hatten Sie also nie zu kämpfen?
Unterlechner: Doch, aber weniger wegen des neuen Systems, eher wegen der organisatorischen Umstellung.
Wollten also die verschiedenen Abteilungen nicht zusammenarbeiten?
Unterlechner: So ungefähr. Aber das war einfach aus der Historie heraus. Früher organisierte sich jede Abteilung für sich selber. Elektroniker, Maschinenbautechniker, Schmierdienst, Fluidtechnik – alle haben hintereinander an der Maschine gearbeitet. Heute passiert das parallel und abteilungsübergreifend und das bringt enorme Vorteile mit sich.
Wie zum Beispiel?
Unterlechner: Probleme werden heute gemeinsam behoben und Stillstandzeiten damit enorm verkürzt. Generell ist die Instandhaltung dank zentraler Organisation und der Einführung von SAP viel transparenter geworden. Und damit hat sich deren Wert bei den anderen Abteilungen enorm gesteigert. Eben weil es keine intransparenten Monatsabrechnungen mehr gibt, sondern unsere Produktion genau sieht, welche Leistungen die Instandhaltung für uns erbringt. Diese vollständigen Reports sind ein absolutes Highlight.
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Nicht nur Schaeffler bindet mittlerweile eine Maschine nach der anderen an ein digitales Ökosystem an. Wer das kleine Tiroler Maschinenbauunternehmen ECI Manufacturing kennt, weiß, dass die Vernetzung der Swarovski-Maschinen mittlerweile viel tiefer greift.
Unterlechner: Das ist richtig. Unsere Tiroler Kollegen haben uns die digitale Aufrüstung unseres Maschinenbestands schmackhaft gemacht.
ECI Manufacturing hat sich auf den Steuerungs- und Antriebsretrofit von Werkzeugmaschinen spezialisiert …
Unterlechner: ... und seit April testen wir deren sogenannte ECI-Box an zwei Fertigungszellen, um Maschinendaten zu sammeln. Wir betreiben aber kein Retrofit, sondern erfassen zum Beispiel Spindellaufzeiten.
Wenn der Testlauf stimmt, wie viele Maschinen sollen dann über die ECI-Box vernetzt werden?
Unterlechner: Das kann man nicht genau beziffern. Wenn es sich rentiert, wollen wir zumindest unsere vollautomatischen Fertigungszellen damit ausrüsten ...
… und kommen damit dem Wunsch nach einer präventiven Instandhaltung näher?
Unterlechner: Richtig. Schon jetzt geben wir bestimmte Grenzwerte vor. Der Algorithmus erkennt, wann z. B. die Spindellaufzeit diesen Wert überschreitet. Die Maschine löst daraufhin automatisiert einen Instandhaltungsauftrag aus.
Kommen bei Swarovski bald Maschinen, die sich von selbst nachjustieren können?
Unterlechner: Die kommen nicht, die gibt es schon. Wird bei unseren Werkzeugmaschinen in der Metallbearbeitung ein Maß nicht eingehalten, justieren diese sich mittlerweile automatisch nach.
Stimmt es, dass Sie externen Servicetechnikern ausgewählter Werkzeugmaschinenlieferanten, Remote-Zugriff gewähren?
Unterlechner: Das stimmt. Wir haben seit einem Jahre einen Online-Service, wo der Servicetechniker nach einem bestimmten Freigabeverfahren Zugriff auf gewisse Teile der Maschine bekommt. Der Servicetechniker muss damit nicht mehr persönlich vor Ort sein. Reparaturen erfolgen schneller und vor allem günstiger.
Sie meinten einmal, Augmented Reality sei für Sie kein Thema. Warum?
Unterlechner: Wir haben uns das Thema angesehen, aber für uns entschlossen, dass der Aufwand dafür noch zu groß ist. Sie dürfen nicht vergessen, wir sind Sondermaschinenbauer. Jede Maschine ist ein Unikat. Wir verwenden es zwar in der technischen Entwicklung, aber mehr um Möglichkeiten auszuloten.
Vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Elisabeth Biedermann.