Meinung : Oida, checkst du Digitalisierung oda was?

Elisabeth Biedermann
© Christian Joainig

War es vor einem Jahr noch Industrie 4.0, ist es heute die Digitalisierung. Nicht nur Unternehmen sind zunehmend genervt von den großen „Disruptoren der Neuzeit“, die anscheinend ihre digitalen Weisheiten vom silbernen Löffel der Fertigungswelt serviert bekommen haben. Heute vergeht aber auch kein Tag, wo ich nicht mit leblosen Begriffskaskaden, die mich in einen digital-komatösen Zustand versetzen, konfrontiert werde. Wie die Aussendungen eines Allgäuer Maschinenbauers, der behauptet, Tiefziehverpacken aufgrund einer lückenlosen Digitalisierung und Vernetzung zukunftssicher zu machen – und am Ende doch nur zehn Sensoren mehr in seiner Maschine verbaut hat.

Digital-transformatorische Megakonstrukte

Aber das ist noch harmlos, digital famos wird es dann, wenn selbsternannte 4.0-Technokraten versuchen Worthülsen zu kombinieren. Bitte alle Neuwörter einmal abgrasen, ein paar Anglizismen zum Drüberstreuen und fertig ist das ultimativ digital-transformatorische Megakonstrukt, das selbst der Google-Algorithmus nicht mehr übersehen kann. Ich liebe deswegen ja Messen und Kongresse, dort stößt man auf die interessantesten Kombinationen, so wie kürzlich ein Vortragstitel auf einer Messe in Stuttgart: „Smart Service-Ingenieure: Die Enabler der Industrie 4.0“ (Ähm wer jetzt!?) Ein anderes Beispiel: War es 2015 noch „Smart Maintenance“, gelangte dieser Veranstalter 2016 schon zu „Lean Smart Maintenance“ und heuer setzte er noch eins drauf mit „Digital Lean Smart Maintenance“. Wäre naheliegend, oder, war aber dann doch nicht drin. „Mit Erfolg durch Lean Smart Maintenance“ hat der dann doch noch die Kurve gekriegt.

Oida?!

Ich kehre auch gern vor der eigenen Haustür: 20 Mal kommt zum Beispiel das Wort Digitalisierung in der Juni-Ausgabe des Factory vor. (Ja, ich hab extra nachgezählt.) Gibt mir das zu denken? Eigentlich nicht. Freilich ist dieser Begriff generisch in der Ausdrucksweise und damit gewissermaßen unverbindlich im Inhalt. Aber das ist doch auch das Schöne daran. Jeder kann sich individuell alles unter ihm vorstellen. Dachte ich zumindest....

Eine kürzliche Umfrage des Kreditschutzverbandes KSV1870 ließ mich zweifeln: Ein Drittel der immerhin 1.000 befragten Mitglieder sieht derzeit keinen Bedarf für Investitionen zum Thema Digitalisierung, mehr als die Hälfte nur moderaten Investitionsbedarf. Und ganz lustig: Während 92 Prozent der Vorarlberger Firmen erwarten, dass die Digitalisierung ihr Geschäft beeinflussen wird, fühlen sich nur 60 Prozent der Kärntner und nur 70 Prozent der Wiener und Niederösterreicher betroffen. Hat wer kürzlich den YouTube-Hit von Ewa Placzynska mit „Oida“ gesehen? Ja, Minute 0:17 – das perplexe „Oida!?“ – trifft’s dann wohl genau.

Die Frau, die der Welt das "Oida" beibringt.