Feldtests : Heidi, Österreichs Drohnenpostler hebt ab
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Bergbauern eines Tages Briefe und Pakete mit einer Drohne zu bringen, ist ein Vorhaben mit dem sich die Österreichische Post seit Jahren beschäftigt und das mit dem Projekt „Heidi“ nun erste reale Züge annimmt. Entlegene Regionen künftig aus der Luft zu bedienen, ist weniger Marketinggag als viel mehr eine clevere Serviceallüre. Denn auch Bergbauern kaufen im Internet ein und wollen die Ware schnell geliefert haben. Der Plan der Post: Die Drohne steigt also auf, fliegt selbständig den Hof an, erkennt dort eine codierte Matte am Boden, landet punktgenau und legt das Paket ab. Der Transport ist erledigt, Heidi fliegt zurück zu „ihrem“ Postboten und wird wieder fertig gemacht für den nächsten Flug. Damit das gelingt, sind die Bilderkennung und -verarbeitung sowie selbstständige Landung der autonomen Zustelldrohne entscheidend. Dass GPS zu ungenau ist, war den Drohnenpostlern klar. Darum holten sie sich Friedrich Fraundorfer von der Technischen Universität (TU) an Bord, der Heidi Augen verleihen soll.
Erste Testflüge in die Berge
Seit letztem Jahr entwickeln Fraundorfer und sein Team eine Drohne, die nicht nur mit Hilfe von GPS gesteuert wird, sondern auch eine Kamera an Bord hat. Diese erkennt den am Boden markierten Landeplatz und landet punktgenau. Gerade bei entlegenen Bergbauernhöfen ein Thema, wie die ersten Probeflüge in die Berge in den vergangenen Wochen zeigten. Die Erfahrung damit: Etwas ernüchternd. „Es funktioniert, muss aber noch bei den Leistungsparametern und in Sachen Zuverlässigkeit für den permanenten Einsatz optimiert werden“, so Fraundorfer. Technisch sei das sicher machbar, es sei mehr eine Frage der Umsetzung. Für den Assistenzprofessor am Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen ist klar: „Wir brauchen mehr Intelligenz.“ Während andere autonome Drohnen sich dank GPS zurechtfinden, hat der Grazer Prototyp Kameras und einen eigenen Computer an Bord, der die Bildauswertung übernimmt. Die Drohne ‚sieht‘ also, wo sie hinfliegt, und bewegt sich dementsprechend“, erklärt Fraundorfer.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
-
Podcasts
- Staubmanagement in der Produktion 16.10.2023
- Automatisierung in der Messtechnik 11.09.2023
- 3D-Druck: Neuigkeiten und Trends 17.01.2023
ELI, der Drohnenheimathafen
Derzeit arbeitet sein Team intensiv an jener Bildauswertungssoftware, die den heiklen Landeprozess optimieren soll. Hier kommen Sicherheitsaspekte zum Tragen: „Heidi muss nicht nur ihren Landeplatz erkennen, sondern auch sehen, ob sich dort Personen, Tiere oder Hindernisse befinden, und entsprechend schnell reagieren“, sagt Fraundorfer. Was sein Team austüftelt sind Sensorik und intelligente Steueralgorithmen. Wirklich herausfordernd dabei sind die Bildauswertealgorithmen, die der Drohne ermöglichen die Umgebung durch die Kamerasensoren zu erfassen um sicher zu navigieren. Fraundorfer: „Das ist sehr komplex. Außerdem benötigen solche Algorithmen hohe Rechenleistungen.“ Auf Drohnen können aufgrund strikter Gewichtslimitierungen nur relativ leistungsschwache Computer zum Einsatz kommen. Eine Herausforderung, die nur mit sehr effizienten Bildauswertealgorithmen zu meistern ist. Übrigens: Startpunkt der autonomen Zustelldrohne ist eine ELI, ein vom steirischen Unternehmen SFL technologies entwickeltes E-Fahrzeug, das künftig auch bei der Postzustellung eine Rolle spielen kann. Denn die von der TU und Post entwickelte Paketdrohne ist dafür ausgelegt von der Ladefläche eines Zustellfahrzeuges aus zu starten und auch dort wieder zu landen. Die Landung muss hochgenau erfolgen und wird durch Echtzeit-Bildverarbeitung auf der Drohne gelöst.
Eine Drohne, die sieht
Dass die Grazer Drohnenexperten sich bewusst von GPS-Navigation distanzieren, hat seinen Grund: „Eine Drohne, die nur mit GPS gesteuert wird, kann einen Landeplatz nicht zentimetergenau anfliegen“, so Fraundorfer. „Es kann zu Abweichungen von mehreren Metern kommen.“ Außerdem muss der Landeplatz vorprogrammiert werden. „Unser Prototyp ist mit einer Kamera ausgestattet, die dazu verwendet wird einen geeigneten Landeplatz zu finden“, erklärt Fraundorfer einen signifikanten Unterschied. Das Grazer System funktioniert so: Der Kunde breitet eine Matte an dem Ort aus, an dem die Drohne landen soll. Heidi fliegt dann zwar GPS-gesteuert den Lieferort an, sucht dort aber mit der Kamera nach der Matte. Mit der Bildauswertesoftware, die in Echtzeit auf der Drohne läuft wird die tatsächliche Landeposition berechnet. Der fliegende Postler kann so zentimetergenau auf der Matte landen. Die Matte kann dabei vom Kunden individuell platziert werden. „Wir arbeiten derzeit an Algorithmen die Hindernisse aller Art, insbesondere aber Objekte wie Personen, Tiere, etc. zuverlässig in Kamerabildern erkennen können. Diese Informationen werden dann für einen sicheren Flug der Paketdrohne verwendet“, so Fraundorfer. „So ein System gibt es noch nicht am Markt zu kaufen.“
Wo Drohnen sich lohnen
Für die Post sind die Testversuche interessant, weil damit die technische Machbarkeit belegt wird. „Aufgrund der aktuellen Situation rechnet sich der Einsatz von Drohnen aber noch nicht“, räumt Post-Sprecher Michael Homola gegenüber Factory ein. Grund dafür sind gesetzliche und technische Rahmenbedingungen. Betriebswirtschaftlich hat die Post den Drohneneinsatz schon durchgerechnet mit dem Ergebnis: Die Nutzung ist derzeit (noch) nicht rentabel. Die Post transportiert pro Jahr 80 Mio. Pakete im Land, davon wären 57 Pakete pro Tag oder rund 20.000 pro Jahr für den Transport mit Drohnen relevant, so Homola. Drohnen mit Kameras in die Lüfte zu schicken ist datenschutzrechtlich problematisch, könne aber aus der Sicht der Post leicht gelöst werden, in dem beispielsweise die Kameraaufnahmen verpixelt werden. Gerade über bewohntem Gebiet müssen Drohnen sicher fliegen. Mehr Sicherheit bedeutet zusätzliches technisches Equipment auf der Drohne, was sie schwerer macht und dadurch den Aktionsradius einschränkt. Die Schweizerische Post testet Drohnen seit zwei Jahren und plant in diesem Jahr den Start eines „Luft-Shuttle-Verkehrs“ für Firmenkunden. Bislang wurden Tests auf einer Lieferstrecke zwischen zwei Hochhäusern durchgeführt. Die Drohnen fliegen vollautomatisch und können bis zu fünf Kilogramm transportieren. Die maximale Geschwindigkeit beträgt 60 km/h, die Reichweite liegt bei 20 Kilometer. Die Deutsche Post lässt Post und Päckchen mit Drohnen auf eine Insel fliegen. In beiden Fällen aber eben nur GPS-gesteuert.
Wer ist Heidi?
Was: Multikopter-Paketdrohne
Wer: Ein Projekt der Österreichischen Post und der TU Graz
Gewicht: 3,8 Kilogramm
Reichweite: 7 Kilometer
Akkulaufzeit: 10 Minuten
Geschwindigkeit: 40 km/h
Besonders weil: Heidi kann sehen. Die Algorithmen und die Kamerasensorik ermöglichen eine viel punktgenauere Landung als GPS-Navigation.