Carbonrecycling : Warum Windräder 2040 zum Problem werden

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© Jens Büttner / dpa / picturedesk.com

Der Wunderwerkstoff, das Allheilmittel, bejubelt und gehyped. Carbon zieht seine Runden immer schneller, und das nicht nur am Red Bull Ring oder an der TU Graz wo das Racing Team bereits Carbonteile im Pizzaofen backt.. Doch ein paar kritische Stimmen meinen, dass der Segen nur in der Verwendungsphase gegeben ist: Die Vorteile durch Leichtbau und einhergehender Treibstoffersparnis bei Fahrzeugen, sowie die hohe Energieeffizienz bei Windkraftanlagen sind überzeugend, denn die Verwendungsphase hat den größten ökologischen Fußabdruck. Doch wie viel Energie die Produktion verschlingt, und was mit dem multimaterialen Fasergeflecht im „End-of-Life“ passiert, kratzt nur wenige. Die generelle Explosion in der Materialvielfalt bei komplexen Produkten stößt auf Gegenwind, da die Verwertung analog schwieriger wird.

Carbon ist „Future Waste“

Die Carbonverwendung in Produkten steigt exponentiell. Als Abfall werden diese Materialien erst zeitversetzt in Zukunft anfallen. Es gilt schnell rechtliche Rahmenbedingungen zu setzen, um sinnvolle Verwertungsmethoden zu erforschen, sei es Recycling oder zumindest eine spezielle Verbrennungslösung. „Derweil ist die einzige Lösung eine getrennte Sammlung“, erklärt es Roland Pomberger, Lehrstuhlleiter Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft an der Montanuniversität Leoben. Er rät zu einer potentiellen Zwischenlagerung bis eine adäquate Verwertungstechnologie verfügbar ist. „Aktuell sind die Abfallmengen von Verbundwerkstoffen, allen voran Carbon, zu gering, dass sich spezielle Recyclingverfahren wirtschaftlich auszahlen“, so Pomberger.

Warum der Verbundwerkstoff Schwierigkeiten macht

Keiner weiß, was man mit Carbon (CFK) sowie Glasfaserkunststoffen (GFK) im End-Of-Life anstellen soll, speziell im größten Einsatzbereich bei Rotorblättern von Windenergieanlagen. Diese müssen in der Regel alle 20 Jahre getauscht werden. Ein wachsendes Problem nicht nur in Österreich. So schrieb erst kürzlich „Der Spiegel“, dass ab 2040 allein in Deutschland etwa 30.000 Tonnen Rotorblätter jährlich entsorgt werden müssen. Viele Forscher suchen nach Auswegen. Selbst die Experten eines VDI (Verein deutscher Ingenieure) Kongresses im Juni sehen sich einer Wiederverwertungs-Ohnmacht gegenüber. Es gäbe derzeit noch keine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Recyclingtechnik, warnt der Verband. „Neben der thermischen Verwertung“, meint Jakob Wölling vom Fraunhofer-Institut „ist nur Downcycling möglich.“ Dabei werden die Fasern wiederverwertet, doch das Endprodukt kann mit Neuware nicht mithalten. Auch was man mit dem Gewölle macht, das z.B. nach der Pyrolyse übrig bleibt, ist noch unklar.

Rotorblätter als Kinderspielplatz

Daher werden viele Rotorblätter einfach gelagert um abzuwarten. Und solange man noch keine Recyclinglösung hat, kommt es erstmal auf den Spielplatz, so wie die Autoreifen. Deshalb baut man jetzt Rutschen und Tunnel für Kinder aus alten Rotorblättern. „So viel Spielplätze können wir gar nicht bauen, wie wir Rotorblätter haben“, amüsiert Alexandra Pehlken von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg mit viel Kritik. Teilweise wird CFK und GFK bereits in der Produktion gemischt, um unterschiedlichen Krafteinflüssen entgegenzutreten. Das sieht man dem Rotorblatt nicht an, macht aber das Recycling noch schwieriger. Mittels energetischer Demontage, sprich mit Sprengschnüren und Schneidladungen kann man die über 100m langen Rotorblätter mit hohem Aufwand für den Weitertransport vorbereiten. Doch danach wird es auch nicht leichter. Selbst die ökologisch fragwürdige Verbrennung von CFK ist oft ein Risiko.

Wundermaterial legt Müllverbrennung lahm

Harte Kritik übt Peter Stöckler, Geschäftsführer der Energie AG Umwelt Service, denn das geniale Verbundmaterial schaff es sogar, seine Müllverbrennungsanlage (MVA) komplett lahm zu legen. Dies kann passieren, wenn im Verwertungsprozess die leitenden Fasern des Carbons im Elektrofilter einen Kurzschluss verursachen oder den Gewebefilter verstopfen. Und dann steht alles, oftmals mehrere Tage lang um die Anlage herunterzufahren, das Problem zu beheben und die Anlage wieder zu starten. Auch die bloße Zerkleinerung ist laut VDI Experten gefährlich, vor allem für die Arbeiter vor Ort, da der Faseranteil in der Luft sehr stark zunimmt und gesundheitsschädlich ist. Bereits jetzt kommt das problematische Material mit Industrieabfällen, Fahrrädern, Tennisschlägern, und Co. zu den Entsorgern. Da noch keine Vorsortierung des problematischen Materials verfügbar ist, und es über die klassischen Abfallströme in die MVA gelangt, ist eine getrennte Sammlung vor allem der Industrieabfälle direkt beim Produzenten zielführend. Doch wie man das High-tech Material rechtzeitig aus dem Haushaltsmüll herausfischt, ist noch ungewiss.

Wie der Kreislauf wieder angekurbelt wird

Hoffnungsschimmer sind die exzellenten Maschinenbauer und Forschungseinrichtungen, um der Materialvielfalt im Verwertungsprozess Herr zu werden. Dafür braucht es erstens klare Richtlinien und Vorgaben des Gesetzgebers, und zweitens einen starken Dialog zwischen den Unternehmen entlang des gesamten Produktlebenszyklus. Inverkehrbringer und Entsorgungsbetriebe müssen an einen Tisch geholt werden, denn nur so können auch neue Materialien wie Carbon im Kreislauf gehalten werden. Engagement diesbezüglich zeigt auch der Umwelttechnik-Cluster, der nun im Kunststoff- und Verbundwerkstoffrecycling branchenübergreifende Projekte und Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der Leichtbauplattform A2LT ausarbeitet, um frische Impulse für die Kreislaufwirtschaft zu setzen.