Shopfloor : Kon-Cept: Wie Mostviertler das Systemchaos der Autoindustrie beenden wollen

Markus Kropik
© Robert Lang

Es ist der Traum jedes IT-Verantwortlichen: eine App Store ähnliche IT-Plattform für Industriesoftware. Was Android und Apple schon lang beherrschen, soll endlich auch das Systemdenken der Produktion aufbrechen. Wo heute monolithisches IT-Chaos unterschiedlichster Systeme und Abteilungen herrscht, kehrt Ordnung ein. Der Traum eines Industrie-App Stores – zum Greifen nah – scheitert aber immer noch an sicherheitsrechtlichen und technischen Hürden. Zunehmende Hackeraktivitäten verschärfen die Situation zusätzlich. Doch das schreckt einen niederösterreichischen Nischenchampion nicht. Kon-Cept arbeitet schon seit Jahren Hand in Hand mit der Automobilindustrie. Genau dort treibt der MES-Profi seine App Store-Entwicklung in zeitlicher Rekordmanier voran. Schon 2017 soll der erste Pilotkunde stehen.

Der App-Store für die Produktion

Zumindest im Fahrzeugbau sind Plattformstrategien für Automobilisten nichts Neues. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung sehen sich die Konzerne aber im Zugzwang diesen Schritt nun auch für die IT am Shopfloor voranzutreiben. Während die Konzernleiter in den Medien von ihrer digitalen Vision als Mobilitätsanbieter sprechen, herrscht am Shopfloor weiterhin IT-technisches Chaos. Systeme sind veraltet und dadurch teuer im Betrieb. Jeder Bereich, ob Planung, Fertigung, Instandhaltung kauft seine eigene IT. Jeder Standort wird damit zur eigenen Insel der Glückseligkeit. Leidtragende sind IT-Verantwortliche, die die Systeme erneuern und am laufen halten sollen. Ein Leid, das Markus Kropik oft von seinen Kunden zu hören bekommt. Sein Credo: „Wir müssen aufhören in Betriebssystemen und Datenbanken zu denken“, fordert der Geschäftsführer von Kon-Cept. „Wer heute eine App aufs Smartphone lädt, denkt nicht daran, welche Datenbank, IT oder Programmiersprache dahinter steckt, den interessiert nur die Funktionalität.“

Problem: Software als Maßanzug

Genauso soll es sich mit dem App-Store für die Industrie verhalten. Allein sind die Niederösterreicher mit dieser Idee natürlich nicht. Der Traum greift bereits tief in die Entwicklungsbudgets von Siemens, Bosch, Schaeffler und Continental. Auch Maschinenbauer Trumpf machte letztes Jahr seine Idee eines App Stores für die Blechfertigung publik. „Software gibt es fast nur als maßgeschneiderte Spezialanfertigung für einzelne Standorte“, beklagte Trumpf-Vizechef Peter Leibinger. „Ein Datenaustausch würde vieles erleichtern.“

Betriebssicherer Roll-Out

Etwas wo die Niederösterreicher ihre kleine Chance wittern. Denn was viele nicht wissen, ihre Kunden kommen genau aus der Automobil-Ecke. Schon seit Jahren arbeiten sie Hand in Hand mit Audi, BMW, Ford und Magna. Sie wissen daher ganz genau auf was es ankommt. Schon jetzt haben sie ihr MES-System in viele kleine Funktionspakete geteilt. Der Kunde soll sich wie in einem App-Store bedienen können. Einen einheitlichen Kommunikationslayer haben sie auch schon entwickelt. Der Shopfloor Service-Bus ist optimiert auf niedrige und konstante Latenzzeiten und bildet das Rückgrat des Datenverkehrs. Einzige Hürde, die es noch zu meistern gibt „ist der betriebssichere Roll-Out“, so Kropik.

Digitaler Zwilling

Aktuell kommen neue Releases und Updates über ein aufwändiges Testprozedere auf ein Integrationssystem, um dann als exakte Kopie des laufenden Produktionssystems den finalen Test zu bestehen. Erst dann geht es in den echten Betrieb. „Genauso soll es sich mit dem App Store verhalten. Was technisch klingt, entpuppt sich als äußerst brisant. Denn eines ist den Mostviertlern bewusst, der App Store wird auch ihr Geschäftsmodell verändern. Die alten Lizenzmodelle werden in Richtung App und Cloud verschwinden.

Wer auf der Siegerseite steht

Alle wollen dem IT-Chaos Herr werden. Obwohl das Thema dank der Digitalisierung gewaltig Fahrt aufnimmt, schlägt es in eine Richtung, die nicht allen bekommt. Denn das Thema Offenheit steht im Mittelpunkt. Genau das was jeder marketingtechnisch propagiert und doch keiner so richtig ist. „Selbst sogenannte offene Plattformen unterstützen immer noch lieber nur ihre eigenen Systeme, anstatt sich für die des Mitbewerbs zu öffnen“, beklagt erst kürzlich ein Anlagenbauer. Er behilft sich notgezwungen mit selbstentwickelten Lösungen. Für Kropik ist klar: „Auf der Siegerseite wird eine wirklich offene Plattform stehen, die ein breites Angebot an Funktionalitäten unterstützt.“ Wer die Android und Apple-Stores der Industrie dann tatsächlich werden, wird sich zeigen. Und das bald.