AutomationML : Dieser Industriestandard bekommt neue Schubkraft

Industriestandard AutomationML
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Als Arndt Lüder die Vortragsbühne auf dem 10. Fachkongress Digitale Fabrik@Produktion in Braunschweig betritt, sind über 200 Ohren gespitzt. Der findige Mann ist Vorstandsmitglied des Verbandes Automation Markup Language (AutomationML). Ein Verband hinter dem sich ein Industriestandard versteckt, der endlich einen barrierefreien Datenaustausch ermöglichen soll. Lange war es ruhig um das standardisierte Format, doch jetzt erhält AutomationML neue Schubkraft. Die Gerüchteküche brodelt. Denn das altgediente Zugpferd Daimler bekommt Unterstützung: Automobilriese VW hat sein Interesse angekündigt. Eine gewaltige Marktmacht, die das Schicksal dieser Standardisierungsinitiative maßgeblich verändern könnte. 2006 , initiiert von Daimler, machte sich ein Konsortium bestehend aus dem ABB Forschungszentrum Ladenburg, der KUKA Robot Group, Rockwell Automation, Siemens Automation and Drives, den Unternehmen netAllied und Zühlke, ,sowie den Universitäten Karlsruhe und Magdeburg daran ein Datenformat zu entwickeln, das einen durchgehenden Austausch von Engineering-Daten entlang des Workflows möglich macht. Kostenfrei und basierend auf XML war das endlich jener Standard, nach dem sich so viele Anwender sehnten. Der Kick-Off war perfekt.

Seine Feuertaufe erhielt AutomationML 2007 auf der Industriemesse SPS IPC Drives in Nürnberg. Es hatte geklappt, der Standard schlug erfolgreiche Wellen. Um noch mehr Breitenwirksamkeit zu erhalten, formierte sich die geschlossene Organisation im Jahr 2009 um. Das Ergebnis war der gemeinnützige Verband AutomationML. Als dann im selben Jahr erste Hersteller von Softwarewerkezeugen beitraten – darunter auch die österreichische logi.cals - um ihre Lösungen AutomationML fähig zu machen, war das für einen Partner nicht mehr zielführend. Rockwell Automation sagte dem Verband „Adieu“. Der Grund: „Sie wollten nicht beliebige Werkzeughersteller unterstützen, sondern einen eigene Engineering Suite entwickeln“, erklärt Lüder. Ein No-Go für die Werkzeughersteller.

Auch Heinrich Steininger verfolgte zuerst andere Absichten. „Wir haben uns intensiv mit unserer Anwender auseinandergesetzt“, erklärt der Geschäftsführer von logi.cals. Das Ergebnis damals war eindeutig: Anwendern war es ein Dorn im Auge Daten nicht herstellerübergreifend austauschen zu können. Im Christian Doppler Labor entwickelte daraufhin die logi.cals in Zusammenarbeit mit der TU Wien eine eigene Software, die es erlaubt verschiedenen Werkzeuge miteinander zu verbinden. Aus Sicht der Anwender war der Automation Service Bus ein Segen, nur für die Werkzeughersteller ein absolutes No-Go. „Die wollen untereinander einfach nicht austauschbar sein“, bemängelt Steininger. Um dieses Knackpunktes Herr zu werden, machte er sich auf die Suche nach einer effizienten Lösungen. Gefunden hat er sie in der Schnittstelle AutomationML. „So können wir zum Beispiel Daten aus der Elektroplanung automatisch mit denen der Steuerungsprogramme integrieren“, versichert Steininger. „Das erspart jedem Anwender Monate an manueller Datenübertragung.“ Europäischer Trumpf.

Der AutmationML Hub setzt sogar noch eines drauf. „Bisher nur als Standard für den Engineering Prozess gedacht, wird es ab dem vierten Quartal 2015 auch einen LaufzeitML Hub geben.“ Damit wäre der größte Unterschied zu dem amerikanischen Part -MTConnect - eingeholt. Dass das eine riesen Chance ist, ist sich auch Lüder sicher. Technisch gesehen sei zwar OPC UA die europäische Konkurrenz zu MTConnect, bald könnte aber auch AutomationML den Amerikanern eine schöne Breitseite verpassen. Lüder sieht den größten Makel von MTConnect in seiner Bezahlschranke. „Wir machen kein Geld mit IP-Rechten“, versichert er. „Die Idee von AutomationML war und ist es immer noch als kostenloser, offener Standard aufzutreten.“ Noch hat das Austauschformat "nur" das Ziel die Entwurfsdaten zu übertragen. „Aber die können bereits in Kombination mit einem OPC UA Server oder in Zukunft auch im LaufZeitML Hub verwendet werden, um semantisch angereicherte Informationen zu haben“, erklärt Lüder. Mit Stand November 2014 hat die AutomationML Familie 31 Mitglieder. Was nach wenig klingt, unterschätzt die Dunkelziffer der Anwender, die dahintersteht. „Die Kuh bekommt Flügel“, kündigt Lüder in seinem Vortrag an und soll damit Recht behalten. Springt Volkswagen auf den AutomationML Zug auf - es fehlen nur noch zwei Unterschriften - stehen alle Zulieferer unter Zugzwang. Auch Heinrich Steininger hat schon seine nächsten Projekte in Angriff. Mit gleich zwei neuen Pilotkunden will er ins neue Jahr starten. Zumindest seine Kuh nutzt die Flügel schon.