Industrie-Abfall : Abfall in der Industrie: Lästiger Rest und wertvolles Gut
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Abfall aus Gewerbe und Haushalten wurde in den letzten Jahren immer mehr. Zwischen 2015 und 2019 sind in Österreich die Primärabfälle, also jene, die nicht in der Abfallentsorgung entstehen, um 20 % angestiegen. Diesen Zuwachs von 57,10 auf 68,44 Millionen Tonnen begründet das Umweltministerium in seiner „Bestandsaufnahme der Abfallwirtschaft in Österreich“ vor allem mit den steigenden Mengen an Aushubmaterialien und Abfällen aus dem Bauwesen. Aber auch die Siedlungsabfälle aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen, zu denen Industriebetriebe zählen, haben um 8% zugenommen. Sie setzen sich aus gemischtem Restmüll, Sperrmüll, Problemstoffen, Elektro- und Elektronikaltgeräten, Altstoffen und Biomüll zusammen. Dabei ist das Aufkommen an Elektro- und Elektronikaltgeräten sowie Textilien stark gestiegen, während Verpackungsmüll leicht rückläufig war.
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Umgang mit Abfällen – eine Frage der Prioritäten
Altstoffe wie Pappe, Papier und Karton, Kunststoffe, Glas, Biomüll, Holz, Textilien und Metalle, die in Unternehmen anfallen, müssen per Gesetz getrennt gesammelt werden. Rechtlich liegt der Abfallbewirtschaftung eine Prioritätenfolge zugrunde. Ganz oben in der Hierarchie steht die Abfallvermeidung, an zweiter Stelle die Wiederverwendung, zu deren Zweck Altwaren repariert, gereinigt und so wieder aufbereitet werden. Dritter in der Prioritätenliste ist das Recycling, dem auch die Kompostierung zugerechnet wird. Danach folgt die „Sonstige Verwertung“, die etwa das Verwenden von Reststoffen als Baumaterial oder auch die thermische Verwertung bezeichnet. Ganz unten in der Abfallhierarchie steht die Beseitigung, die einerseits das Deponieren und andererseits das Verbrennen ohne ausreichender Energienutzung bezeichnet. Sie gilt es weitestgehend zu vermeiden.
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Spitz: Rauf mit der Transparenz, runter mit der Restmüllquote
Restmüll kostet in der Entsorgung Geld: aktuell liegt der Marktpreis dafür bei knapp EUR 200 pro Tonne. Er bringt, nachdem Metalle und andere verwertbare Stoffe herausgefiltert worden sind, nur noch thermische Energie, wird also verbrannt. Bei Spitz im oberösterreichischen Attnang-Puchheim ging man das Thema Abfallmanagement vor einigen Jahren aktiv an. Der Lebensmittelhersteller produziert neben Getränken etwa auch Senf, Honig und Backwaren. Den dabei verursachten Abfall trennt man in 30 Fraktionen und führt ihn dem jeweiligem Recyclingweg zu. Dass von der Produktion und Technik, den Infrastruktur-Abteilungen und den Bürogebäuden alle Abfälle in einem effizienten Prozess zusammenlaufen – und zwar während nebenher Lebensmittel produziert werden – ist und war kein Selbstläufer. Die Grundvoraussetzung dafür seien ausreichende, gut erreichbare und deutlich erkennbare Sammelinseln mit eindeutig gekennzeichneten Behältnissen, heißt es von Spitz. Das Unternehmen band dazu ab 2010 die Altstoff Recycling Austria (ARA) sukzessive in die Abläufe ein, bevor es dem Dienstleister schließlich die gesamte Abwicklung des Abfallmanagements übertrug.
Einen wesentlichen Teil des Projekts nahm die Digitalisierung der Abfallströme ein. Denn, so die Prämisse, wenn Produktionsprozesse automatisiert und digitaler werden, werden diese transparenter und genauer. Dazu implementierte die ARA eine Software namens DiGiDO.Web Solution, die die in Fraktionen eingeteilten Abfälle kontinuierlich mengenmäßig erfasst, darstellt und pro Unternehmensbereich auswertet. Über Schnittstellen fließen diese Kennzahlen in das unternehmensweit eingesetzte Berichtstool, was den jeweils verantwortlichen Führungskräften ein genaues Monitoring ermöglicht. „Durch konsequentes Arbeiten mit diesen Zahlen fallen Ausreißer rasch auf“, erklärt Jasmin Rammer, die dort für Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeit zuständig ist. „So können wir Ursachen analysieren und Korrekturmaßnahmen einleiten“. Das optimierte Abfallmanagement zeigt bereits messbare Auswirkungen: In den ersten Jahren der Zusammenarbeit mit der ARA kam der Lebensmittelhersteller auf eine Restmüllquote von unter 10%. Im Geschäftsjahr 2022/23 erzielte er die bisher beste Restmüllquote von nur noch 4,8%.
Haberkorn: Verpackung vermeiden, Altwaren wiederverwenden
Auch Handelsunternehmen verursachen Abfall. Haberkorn aus Wolfurt in Vorarlberg versorgt Industrie- und Bauunternehmen mit Arbeitsschutz, Schmierstoffen und technischen Produkten wie Schläuche, Maschinenelemente und Hydraulik. Die Hauptabfallmengen stammen dabei von Verpackungen und nicht mehr verwendbaren Holzpaletten. Um diese zu reduzieren, hat der technische Händler gewisse Hebel in der Hand: „In den Anliefervorschriften schreiben wir unseren Lieferanten die Verwendung recyclingfähiger bzw. wiederverwendbarer Verpackungen vor und weisen sie auf die Vermeidung unnötiger Verpackung hin“, erklärt Andrea Sutterlüty, Nachhaltigkeitsbeauftragte bei Haberkorn. Ein Hauptaugenmerk legt sie auf Einwegkunststoffe und Kunststoffe, die im Verbund mit anderen Materialien nicht einfach getrennt werden können. Daher setzte das Handelsunternehmen einschlägige Maßnahmen: Kartons und Füllmaterialen bestehen aus recyceltem Papier, Lieferscheintaschen wurden auf Papier umgestellt und Klebebänder mit Metallklammern ersetzt. Dort, wo sich Kunststoff nicht vermeiden ließ, nämlich bei der Verpackung von Waren innerhalb der Kartons, greift man nun zu Säckchen, die zur Hälfte aus Recyclingmaterial bestehen. Somit weist das gesamte Verpackungsmaterial des Unternehmens mittlerweile einen Recyclinganteil von 60% auf.
Wer Ideen sucht, wie man Gebrauchtwaren ein neues Leben schenken kann, wird ebenfalls bei Haberkorn fündig. So viel sei vorweggesagt: Cooperation is the Key. Seit etwa drei Jahren spendet der Handelsbetrieb seine alte Hardware an das gemeinnützige IT-Unternehmen AfB (Arbeit für Menschen mit Behinderung). Die dortigen Mitarbeiter:innen bereiten die Geräte wieder auf und verkaufen sie weiter. Auch für Ladenhüter, Übermengen oder Produkte mit Haltbarkeitsdatum hatten die Vorarlberger eine Zusammenarbeit am Laufen, und zwar mit dem gemeinnützigen Unternehmen Fairmittlerei, die brauchbare Produkte ausgewählt und an NGOs vermittelt hat. Der Kooperationspartner musste leider Konkurs anmelden, Haberkorn sucht seither nach Ersatz. Für Europaletten, die leicht defekt sind, hat der Händler ein weiteres Unternehmen gefunden, das diese kauft, repariert und wieder in den Verkehr bringt.
Strenge Regeln für Entsorger
Bleiben wir in Westösterreich und blicken nach Tirol, zur Freudenthaler Umwelttechnik GmbH in Inzing. Das Ungsunternehmen betreut seit fünfzig Jahren Industriebetriebe, Gewerbe, Gemeinden und öffentliche Einrichtungen mit Entsorgungsdienstleistungen. Dazu zählen auch das Bereitstellen und Reinigen von Containern, sowie die Optimierung von Abfallmanagement-Konzepten. Ingeborg Freudenthaler, Geschäftsführerin des Unternehmens, weiß um die Anforderungen ihrer Branche, die sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert haben. Noch vor 40 Jahren sei es nämlich üblich gewesen, den Müll einfach zu vergraben. „Mittlerweile ist die Abfallbranche eine der am stärksten reglementierten und meist überwachten in der gesamten Wirtschaft“, erklärt sie. In den verschiedenen Industriezweigen, die Freudenthaler betreut, fallen etwa Produktionsabfälle, Lösemittel, Reinigungsmittel, Farben und Lacke an. Sofern diese ordnungsgemäß gekennzeichnet und in den richtigen Gebinden übergeben werden, können Entsorgungsbetriebe damit gut umgehen. Problematisch seien nur Fehlwürfe. „Beispielsweise Lithium-Ionen-Akkus landen leider immer wieder in Baustellabfallcontainern landen und stellen so eine Gefahr für Mensch und Umwelt dar“, so die Entsorgungsunternehmerin. Als Problemstoffe gelten gefährliche Abfälle, bei deren ordnungsgemäßer Behandlung besondere Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit keine schädlichen Stoffe in die Umwelt gelangen. Die Freudenthaler Umwelttechnik behandelt einen Großteil der Problemstoffe in ihren eigenen Anlagen in Inzing. Was nicht behandelt werden kann, geht an befugte Übernehmerfirmen. Auch beim Transport gefährlicher Güter müssen spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Die Mitarbeiter:innen sind dafür extra geschult und verwenden eine entsprechende Sicherheitsausrüstung. Für die Fahrzeuge gelten eigene Sicherheitsstandards, zudem müssen sie häufiger als andere inspiziert und gewartet werden.
Abfallbranche ohne Naserümpfen
Professionelles industrielles Abfallmanagement wurde von einem nice-to-have zum Muss für Betriebe wie Spitz und Haberkorn. Dazu trug nicht nur der immer mächtiger werdende Nachhaltigkeits-Diskurs bei, sondern auch die steigenden gesetzlichen Anforderungen, wie etwa das Kreislaufwirtschaftspaket, das die EU-Kommission 2015 veröffentlicht hat. Es zielt einerseits darauf ab, dass weniger Abfall produziert wird und andererseits, dass sich ein starker Markt um qualitätsvolle Sekundärrohstoffe etabliert. „Wichtig ist Abfall, von einem geringen Restmüllanteil abgesehen, als Wertstoff zu verstehen. Damit ist für jedes Unternehmen ein positiver Kostenfaktor erzielbar“, ist etwa die Unternehmenssprecherin von Spitz überzeugt. Besonders bei Kunststoff gibt es aktuell viele Bestrebungen, den Rezyklat-Anteil zu erhöhen oder seinen Einsatz, wie bei Haberkorn, zu reduzieren. „In unseren Augen ist Kunststoff nicht generell als „böse“ zu betrachten – wichtig ist das richtige Recycling und damit der Erhalt in der Kreislaufwirtschaft“, betont die Nachhaltigkeitsbeauftragte Sutterlüty. Die Umdeutung von Abfall vom lästigen Rest zum wertvollen Gut schmeichelt auch dem Ansehen der Entsorgerfirmen: „Unser Unternehmen hat sich im Laufe der Zeit zu einem Ressourcenmanager entwickelt, der die Kreislaufwirtschaft fördert“, bestätigt Freudenthaler den Imagewandel.
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