Im Gespräch: Carsten Finke : Im Kampf gegen die Obsoleszenz

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Carsten Finke verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Automatisierungsbranche. Mit fundierter technischer und wirtschaftlicher Expertise treibt er als Geschäftsführer Vertrieb und Strategie voran.

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Obsoleszenz – wie sehr hat sich dieses Problem eigentlich in den letzten Jahren verschärft? Sind die Lebenszyklen tatsächlich kürzer geworden oder täuscht der Eindruck?

Carsten Finke: Nein, tatsächlich entstand INspares 2019 aus einer konkreten Kundenanforderung – damals bei der Schwarz Gruppe (Lidl). Ein Werk, das nach sieben Jahren in Betrieb war, konnte schon erste Ersatzteile nicht mehr beschaffen. Heute vernetzen wir Anlagen stärker, was immense Komplexität schafft. Ich veranschauliche das gern an meinem ersten Auto: In meinem Opel Kadett hatte ich ein einfaches Autoradio. Bei Defekt tauschte ich es selbst aus und fuhr weiter. Heute im Audi weiß ich nicht mal, wo das Radio sitzt. Fällt es aus, fährt das Auto nicht mehr, und Austausch ist ohne Fachwerkstatt unmöglich. Genauso ist es in der Industrie: Vor 15 Jahren steuerte man Frequenzumrichter per 4–20 mA und digitalen Ausgängen – heute kommuniziert jedes Bauteil über eigene Protokolle im Netzwerk. Um Komponenten zu tauschen, braucht man exakt die richtigen Typen, idealerweise über den gesamten Maschinenlebenszyklus hinweg. Während also die Komplexität steigt, verkürzen Hersteller die Produktlebenszyklen – das passt nicht zusammen.

Man braucht uns im Idealfall nicht, aber bei Ausfall ist die Hektik groß.

Wenn Teile ausfallen, kommt Panik auf. Wie oft führen abgekündigte Bauteile zu Stillständen?

Finke: Wir hören das sehr häufig. Ich stelle unser Produkt vor, es gefällt, doch realisiert wird es oft erst, wenn erneut ein Bauteil ausfällt und nicht lieferbar ist – dann heißt es: „Wann könnt ihr starten?“ INspares wirkt wie eine Versicherung: Man braucht uns im Idealfall nicht, aber bei Ausfall ist die Hektik groß.

Woher stammen Ihre Daten – von den Herstellern oder selbst aufgebaut?

Finke: In den ersten Jahren haben wir alle Daten per Hand zusammengetragen, weil Hersteller unser Vorhaben anfangs nicht verstanden. Heute sehen Großunternehmen wie Siemens INspares als Service‑Erweiterung: Wir bündeln herstellerunabhängig Daten, die ohnehin existieren, und stellen sie transparent bereit. Da wir keine Ersatzteile handeln oder Retrofits anbieten, gelten wir nicht als Konkurrent, sondern als Partner. Erste automatisierte Schnittstellen zu Herstellern laufen bereits, und sukzessive öffnen sich weitere Konzerne.

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Wie binden Sie die Anlagendaten Ihrer Kunden ein?

Finke: Alle Kundendaten bleiben im Unternehmen. Wir matchen lediglich deren Stücklisten und Inventardaten mit externen Herstellerinformationen. Im Portal sieht der Endanwender seine verbauten Artikelnummern, kombiniert mit Lifecycle‑Status und Abkündigungsinformationen – alles DSGVO‑konform und neutral.

Instandhaltungstage 2025: Ein Muss für Fach- und Führungskräfte

Carsten Finke wird zum Thema Obsoleszenzmanagement einen Vortrag im Rahmen der Instandhaltungstage 2025 halten. Die Veranstaltung bietet an drei Tagen ein abwechslungsreiches Programm, das intensive Fachtrainings, spannende Vorträge, Workshops und Diskussionen umfasst. Zudem präsentieren ausgewählte Aussteller Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, die zur Effizienzsteigerung in der Instandhaltung beitragen. 

Vom 3. bis 5. Juni verwandelt sich das Wyndham Grand Salzburg Conference Centre in den Hotspot für Innovationen und strategischen Austausch rund um Instandhaltung und Asset Management.

Alle weiteren Informationen und Anmeldung: Instandhaltungstage 2025

Achtung: RABATTAKTION für FACTORY-Leser

Mit dem Rabatt-Code IHT25-FACTORY erhalten Sie bei der Ticket-Bestellung eine exklusive Ermäßigung von 5 Prozent.

Early-Bird-Tickets sind ab sofort erhältlich.

Können Sie das Anwenderportal kurz beschreiben?

Finke: Der Kunde erhält eine Übersicht aller verbauten Artikelnummern mit Lifecycle‑Status (LC 1 bis 6) oder einem Hinweis auf fehlende Daten. Ein Ampelsystem signalisiert Markteinführung, Vermarktungsende, Fertigungsende und Lieferstopp. Ein Kunde hatte beispielsweise 223 Artikel im Lieferstopp. Jetzt kann er Retrofit‑Projekte planen und Ersatzteillager anlegen.

Wie lief das bisher ohne INspares?

Finke: Hersteller wie Siemens wissen, welchen Maschinenbauer sie beliefern, aber nicht den Endbetreiber. Informiert der Maschinenbauer den Betreiber nicht über Abkündigungen, fällt dieser ins Dunkel. INspares schließt diese Lücke und ermöglicht die Kommunikation zwischen Hersteller und Endanwender.

Wie funktioniert die Integration in bestehende Systeme?

Finke: INspares ist eine eigenständige Plattform, aber hoch integrationsfähig. Wir sind weder ERP noch Instandhaltungstool, bieten jedoch Schnittstellen zu beiden: Unsere aufbereiteten Daten fließen in ERP‑ oder CMMS‑Systeme, sodass der Kunde nur eine zentrale Datenbank pflegen muss. Entdecken wir beispielsweise 10.000 verbaute Komponenten, pflegen wir deren Abkündigungsdaten und übermitteln sie direkt an Einkauf und Instandhaltung.

Mit der intuitiven App OT360 von INspares haben Kunden Ihre im Werk installierten elektronischen Komponenten immer im Blick. Das Portal bietet Ihnen Zugriff auf alle relevanten Informationen – jederzeit aktuell und schnell per QR-Code abrufbar.
Perspektivisch möchten wir Ersatzteil‑Pooling ermöglichen.

Sie planen die Vernetzung der Plattform mit externen Reparatur-Dienstleistern. Wie wird das funktionieren?

Finke: Ab Mai schalten wir den Bereich „Dienstleistungen" frei. Zu jedem abgekündigten Bauteil zeigt das Portal verfügbare Reparatur‑ oder Ersatzteil‑Anbieter, die innerhalb von zwei bis drei Werktagen liefern. INspares stellt lediglich die Informationen bereit; Anbieter und Endbetreiber wickeln das Geschäft direkt ab. Perspektivisch binden wir weitere Dienstleister ein, damit der Endbetreiber freie Wahl hat und Wildwuchs vermieden wird. Aktuell haben wir in Österreich noch keine festen Partner oder Kunden, aber auch das ändert sich bald.

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Gibt es weitere Services, an denen Sie bereits arbeiten?

Finke: Bauteile fallen aus, das ändern wir nicht. Aber wir kümmern uns um das Szenario drumherum: Ersatzteillager, Retrofit‑Projekte und vorinformierte Dienstleister. So verhindert man hektische Express‑Bestellungen und teure Transporte. INspares ist in diesem Bereich einzigartig. Die Nachfrage wächst stark. Perspektivisch möchten wir Ersatzteil‑Pooling ermöglichen: So könnte ein Unternehmen Teile an seinen Nachbarn ausleihen – ökonomisch und ökologisch ein riesiger Mehrwert.