Einigung vor der EU-Wahl drängt : Experten kritisieren Zögern bei EU-Lieferkettengesetz
Das österreichische Vorgehen beim EU-Lieferkettengesetz wird von Experten kritisiert. Die für vergangene Woche geplante Abstimmung im EU-Botschafterausschuss wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, nachdem Deutschland und Österreich Bedenken angemeldet hatten. In der bisherigen Form sei das Gesetz "unzumutbar für kleine und mittelständische Unternehmen", wurde aus Regierungskreisen kritisiert. Die Zeit drängt jedoch: Bis spätestens Anfang März muss eine Einigung erzielt werden, damit das Gesetz noch vor den EU-Wahlen verabschiedet werden kann.
Es sei bedauerlich, dass das EU-Lieferkettengesetz nach jahrelangen Verhandlungen auf den letzten Metern nicht zustande gekommen sei, sagt Klaus Weyerstraß vom Institut für Höhere Studien (IHS)."Es sollte nicht möglich sein, dass ein kleiner Regierungspartner eines Landes den Prozess im letzten Moment stoppen kann", so der Ökonom.
Johannes Jäger, Ökonom an der Fachhochschule BFI Wien, versteht die Einwände im Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen nicht. 99,6 Prozent der österreichischen Unternehmen seien KMUs, "wenn man sich die Richtlinie anschaut, ist es aber so, dass KMUs genau nicht erfasst sind", sagte er bei einem Online-Pressegespräch des Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) am Mittwoch. Im Umkehrschluss seien in Österreich gerade einmal 0,4 Prozent der Unternehmen betroffen, EU-weit dürften rund 20.000 Unternehmen vom Lieferkettengesetz erfasst sein.
Auch Julia Otten von der zivilgesellschaftlich orientierten Anwaltskanzlei Frank Bold in Brüssel kann die Kritik nicht nachvollziehen: "KMUs haben ganz klar keine rechtliche Verpflichtung innerhalb der Richtlinie". Kleine und mittlere Unternehmen seien nur indirekt betroffen, etwa wenn sie große Unternehmen beliefern. Hier seien in der Richtlinie aber finanzielle Unterstützungsmaßnahmen vorgesehen, etwa wenn sie detaillierte Daten zur Produktion liefern müssen. Weiters sei klar geregelt, dass große Unternehmen Kosten nicht an ihre Zulieferer weiterreichen dürfen. "Es geht darum, dass große Unternehmen faire Einkaufspraktiken etablieren, davon profitieren letztlich auch KMUs", so Otten.
Standards bisher auf freiwilliger Basis
Mit dem EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen - mit mehr als 500 Beschäftigten oder in Risikobranchen mit mehr als 250 Beschäftigten - zur Rechenschaft gezogen, wenn sie beispielsweise von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Darüber hinaus werden große Unternehmen verpflichtet, einen Plan zu erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind, um die Erderwärmung zu begrenzen.
Die geplanten Sorgfaltspflichten seien für viele Unternehmen nicht neu, so Otten. Der Vorschlag für ein Gesetz zu Lieferketten basiere auf den Leitsätzen der Vereinten Nationen und der OECD, die es bereits seit mehr als zehn Jahren gebe. Die Einhaltung dieser Standards sei bisher auf freiwilliger Basis erfolgt.