Ladeinfrastruktur für die Zukunft : Die Vision für städtische E-Mobilität

VERBUND

Alex Decker ist Leiter Smart Charging Services, VERBUND Energy4Business
Mit einem Hintergrund in Softwareentwicklung und Betriebswirtschaft arbeitete Alex bei Deloitte Consulting im Telco Bereich. Als Business Development und Innovation Manager bei T Systems Austria leitete er innovative und preisgekrönte Projekte in den Kernmärkten der Deutschen Telekom in West- und Osteuropa.

- © VERBUND/Josip Jukic-Sunaric

Welche Rolle spielen Schnelllade- versus Normalladestationen in der Standortpolitik?

Alex Decker:
Für die Auswahl der Infrastruktur sind die Frequenz und die Aufenthaltsdauer der Besucher auf dem Standort die wichtigsten Kriterien. Auf einem normalen Supermarktparkplatz ist der Aufenthalt durchschnittlich 23 Minuten. Hier kommen Ultra-Schnellladepunkte (HPC > 150 kW) zum Einsatz, damit die Besucher auch in kurzer Zeit sinnvoll tanken können. Bei Hotels, Restaurants oder auch großen Einkaufszentren sind elf Kilowatt Wechselstromladestellen ausreichend, da dort die Verweildauer länger ist.

Wie integriert Verbund Nachhaltigkeitsaspekte in die Standortwahl für E-Ladestationen?


Decker:
Wir verfügen über eine signifikante Menge an Grünstrom, mit dem wir unsere eigene Ladeinfrastruktur versorgen. Zusätzlich versuchen wir keine neuen Flächen zu versiegeln, sondern auf bereits versiegelten Flächen, etwa Parkflächen, die ohnedies der Natur geraubt sind, unsere Ladestationen zu errichten. Überdies statten wir die Stationen gerade in ersten Projekten mit Carports aus, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach angebracht haben. Einerseits parken die Fahrzeuge vor der Sonne geschützt, das verhindert Überhitzung, andererseits können wir auch lokal entsprechend Strom produzieren. Wir haben diesen Ansatz bereits an drei Standorten bei einem Kunden umgesetzt. So erzeugen wir über die Photovoltaik Anlage mehr Strom, als wir für die Ladeinfrastruktur tatsächlich benötigen. Der Überschuss-Strom fließt dem Industriebetrieb zu. Als Speicher nutzen wir eine Pufferbatterie, um uns das leider nicht sehr lukrative Einspeisen ins Netz zu ersparen.

Um in Wien zukünftig flächendeckendes E-Laden zu ermöglichen, müsste auf jedem fünften Parkplatz eine Ladestation installiert werden. Das ist keine realistische Option.

Welche speziellen Herausforderungen haben Sie beim Ausbau eines flächendeckenden Netzwerks in Österreich identifiziert und welche Rolle spielen Partnerschaften in diesem Konzept?

Decker:
Für Ladestationen existiert eine Vielzahl von Anwendungen und Geschäftsmodellen. Unser strategischer Rollout-Plan für unsere Tochtergesellschaft Smatrics, an der wir zu 75 Prozent beteiligt sind, fokussiert sich auf den gezielten Ausbau eines flächendeckenden High-Power-Charging-Netzwerks in ganz Österreich. Im Rahmen dieses Projekts arbeiten wir eng mit dem Tourismussektor zusammen. So haben wir etwa die Parkflächen der Austria Trend Hotels umfassend mit modernster Ladeinfrastruktur ausgestattet und damit eine nachhaltige Win-win-Situation geschaffen: Die Hotels können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, während wir die Installation, den Betrieb und die Versorgung der Ladestationen mit Grünstrom übernehmen. Auch im Immobiliensektor, sowohl im Wohnbau als auch im Bürobereich, etablieren wir vergleichbare Partnerschaften. Hier nutzen wir vornehmlich Garagenflächen, um eine zuverlässige Ladeinfrastruktur bereitzustellen. Dies ermöglicht es den Nutzern, ihre Elektrofahrzeuge bequem und effizient an ihren Zielorten aufzuladen.

Welche Rolle spielt die Kooperation mit lokalen und regionalen Behörden in der Standortentwicklung?


Decker:
Das kommt tatsächlich auf die Region an. In Wien sind wir etwa Kooperationspartner der Stadtwerke. In Deutschland zum Beispiel bieten wir über unsere Tochter Smatrics, lokalen Stadtwerken, eine White Label Lösung an. Das heißt, überall dort, wo es nicht rentabel ist, eine eigene Personenschaft auszubauen und sich um den Betrieb und die Abrechnung zu kümmern, können wir diese Aufgaben übernehmen.

In urbanen Ballungszentren zeichnet sich ein bevorstehender Mangel an Ladestationen für E-Autos ab, wie sind da die Zukunftspläne?

Decker: Das Aufladen eines Elektrofahrzeugs hängt von der gefahrenen Strecke ab und erfolgt im Stadtverkehr durchschnittlich alle fünf Tage. Eine flächendeckende Ladeinfrastruktur ist unerlässlich, um die wachsende Anzahl von Elektrofahrzeugen zu versorgen. Derzeit rechnet man mit einer jährlichen Verdoppelung der Anzahl der E-Autos in den nächsten 3 Jahren, sodass ein Anteil von mindestens 30 Prozent in 5 Jahren erreicht wird. Um dies in einer Stadt wie Wien zu realisieren, müssten auf jedem fünften Parkplatz eine Ladestation installiert werden. Dies stellt jedoch aufgrund der räumlichen und logistischen Begrenzungen keine realistische Option dar. Eine Lösung könnten zentrale Ladehubs sein, die eine effiziente Zwischenladung ermöglichen. In naher Zukunft werden Fahrzeuge als integraler Bestandteil des städtischen Verkehrs und der Energiewende in der Lage sein, autonom zu solchen Ladepunkten zu fahren. Insbesondere zu verkehrsarmen Zeiten, wie etwa nachts, könnten sie im Selbstfahrmodus mit reduzierter Geschwindigkeit, beispielsweise 30 km/h, zu Ladehubs navigieren. Diese Vorgehensweise bietet eine praktische Lösung für Menschen, die keinen privaten Ladepunkt zur Verfügung haben. Technisch gesehen ist automatisiertes Valet Parking bereits möglich, was die Realisierbarkeit dieser Strategie weiter unterstützt.