Kommentar : Materialflussoptimierung – die Illusion der totalen Kontrolle

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Es ist längst kein Science-Fiction mehr: Ein großer Monitor, am besten als Touchscreen, auf dem man als Führungskraft jederzeit in Echtzeit sehen und feststellen kann, wo sich ein Produkt oder ein Teil im Materialfluss befindet. Etwaige Gegenmaßnahmen lassen sich schnell in die Wege leiten. Als zuständige Person muss man sich am Ort der Wertschöpfung eigentlich nicht mehr blicken lassen.

Ein alter Hut

Die Illusion der totalen Kontrolle ist nicht neu. Mein erster Job nach der Uni führte mich in eine IT-Abteilung eines großen deutschen Automobilkonzerns. Als ich 2005 dort anfing, wurde gerade ein Tool eingeführt, das in der Lage war, den Produktionsleitern automatisch generierte und frei parametrierte Berichte über sämtliche Kennzahlen aus dem ERP-System zu erstellen. Man konnte jederzeit in das Web-basierte Tool hineinschauen und den aktuellen Stand der Produktion abrufen. An Zahlen und Messgrößen mangelte es wahrlich nicht. Aber trotz der vielen Berichte wurden dennoch häufig Fehlentscheidungen getroffen. Woran lag das?

Error 40 – der Mensch

Wenn IT-Spezialist:innen über den „Error 40“ sprechen, meinen sie die Anwender:innen der Systeme, denn diese sitzen meist 40 cm davor. Ich habe es immer wieder erlebt, dass Hektik ausbrach, weil benötigte Teile im Produktionsprozess angeblich nicht da waren. Tatsächlich waren sie da, der betreffende Mitarbeitende hatte sie nur nicht ins System zurückgemeldet. Auf der anderen Seite kam es zu fehlerhaften Abfragen im System, was dann zu falschen Rückschlüssen führte. Wie so oft, ist es weniger die Technik, sondern eher der Mensch, der die Probleme macht.

Jetzt mag man denken, das ist fast 20 Jahre her, das geht heute besser. Wir haben heute Echtzeitdaten und Technologien wie z.B. RFID, die händische Eingaben teilweise überflüssig machen. Auch die Darstellung der Daten ist mit heutigen Rechenressourcen denen vor 20 Jahren weit überlegen. Dennoch ist es wieder der Mensch, der mit Maschinen interagiert. Dies lässt sich nicht vermeiden und das ist im Sinne einer Veränderungsfähigkeit einer Organisation auch gut so.

Transparente Prozesse

Der beste Weg zur Fehlervermeidung sind transparente, stabile Prozesse, die mit IT-Ressourcen unterstützt werden. Führungskräfte müssen vor Ort sein, um zu verstehen was in der Wertschöpfung passiert, an welchen Stellen der Prozess hakt oder was verbessert werden kann. Dafür bedarf es einer Interaktion mit den Leuten vor Ort, die – zunehmend mit kollaborativen Maschinen und IT unterstützt – in einem strukturierten Wertstrom agieren. Damit laufen Produkte von allein in der richtigen Zeit durch. Es muss nicht in den Materialfluss eingegriffen werden – erst recht nicht aus der Ferne. Denn ein stabiler Prozess zeichnet sich dadurch aus, dass er keinen operativen Eingriff mehr benötigt.