Anwenderreportage : Wie ein Stäubli-Roboter Composite-Bauteile fräst

Stäubli Roboter
© S.A. Isolants Victor Hallet

Wo elektrischer Strom fließt, muss auch isoliert werden. Auf der Basis dieses Grundsatzes entwickelt und fertigt die S.A. Isolants Victor Hallet in Brüssel/ Belgien kundenspezifische Bauelemente für die elektrische Isolation – und das seit 1934. Zu den Kunden des weltweit tätigen Unternehmens gehören namhafte europäische Hersteller von Schienenfahrzeugen sowie von Elektromaschinen, Kraftwerkskomponenten und Windkraftanlagen. Der Exportanteil liegt bei über 80 Prozent.

Das Unternehmen wird heute in vierter Generation geführt und bietet ein breites Produktspektrum, das überwiegend aus verschiedenen Composite-Werkstoffen auf Epoxid- oder Polyesterharzbasis besteht. Dabei kamen bisher ausschließlich die klassischen Verfahren der spanenden Fertigung zur Anwendung. Vertriebsleiter Vincent Hallet: „Wir verwenden zumeist Plattenmaterial, das wir mit Dreiachs- und Fünfachs-CNC-Fräsmaschinen bearbeiten.“

Einfache Komponenten wurden nach China ausgelagert

Die Stückzahlen der Bauteile – von eins bis zu mehreren Zehntausend pro Jahr – sind dabei ebenso unterschiedlich wie die Komplexität. Einfache Komponenten werden im Partnerwerk in China gefertigt, in Belgien entstehen die Teile mit anspruchsvoller dreidimensionaler Formgebung.

In den vergangenen zwei Jahren hat das Unternehmen kräftig investiert, um die Weichen langfristig auf gesundes Wachstum zu stellen. „Wir haben eine neue Halle für die Produktion gebaut und parallel überlegt, mit welcher Technologie wir unseren Maschinenpark sinnvoll ergänzen“, so Hallet. Dabei wurden verschiedene Verfahren evaluiert. Letztlich entschied sich Hallet dafür, eine vielseitigere Bearbeitungsanlage anzuschaffen: „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Fräsroboter das Optimum an Flexibilität und zugleich den größten Zugewinn an Kapazität bietet.“

Fräsroboter mit herausragender Präzision

Nach Erstellung eines Lastenheftes folgten Gespräche mit diversen Roboteranbietern, darunter auch mit der Stäubli Benelux N.V., die wiederum die VDS bvba in Proven/ Belgien als Partner ins Projekt einbrachte. VDS kann auf 25 Jahre Erfahrung in der automatisierten Fräsbearbeitung zurückblicken. Geschäftsführer Lander Debruyne: „Unsere Kernkompetenz ist und bleibt das Fräsen – zuerst mit Dreiachs-, dann mit Fünfachsmaschinen und jetzt mit Robotern. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Präzision der Bearbeitung verwenden wir grundsätzlich Stäubli-Roboter, die Maßstäbe in dieser Disziplin setzen.“

Für Hallet projektierten Lander Debruyne und sein Team eine Bearbeitungsanlage, bei der ein zentral angeordneter Stäubli Sechsachsroboter vom Typ TX200 sechs Stationen bedient. An drei Stationen werden die Bauteile per Vakuum fixiert, an den anderen dreien mit mechanischen Spannvorrichtungen. Ein automatisches Werkzeugwechselsystem mit 20 Werkzeugen leistet dabei gute Dienste. Vincent Hallet: „Pro Bauteil kommen bis zu zehn verschiedene Werkzeuge zum Einsatz.“

Effiziente und hochproduktive Bearbeitung

Ein großer Vorteil dieses Anlagenkonzeptes liegt in der hohen Produktivität des Roboters: Während er fräst, kann an den fünf anderen Stationen gerüstet werden. Und bei „mannlosen“ Schichten kann der TX200 nacheinander mehrere Bauteile bearbeiten. Dabei wird eine sehr hohe Genauigkeit erreicht. Lander Debruyne: „Während der Bearbeitung erhält die Robotersteuerung alle zwei Millisekunden neue Daten. Außerdem kommt bei dieser Anlage nach unserem Wissen der einzige Roboter in Belgien mit einem integrierten Renishaw-Messtastersystem zum Einsatz.“ Die Werkzeugdaten werden in einem eigenen Controller verarbeitet, der Roboter verwendet nur Positionsdaten. In Sachen Steuerungstechnik kooperiert VDS seit Jahren mit B&R, die Visualisierung auf dem Touchscreen des VDS-Schaltschranks gibt Auskunft über den Prozess.

Als Fräsprogramm verwendet VDS die CAM-Software SprutCAM. Dazu Lander Debruyne: „SprutCAM bietet vielseitige automatisierte Bearbeitungsmöglichkeiten und unterstützt uns auch bei der Planung und Konstruktion von robotergestützten Fräsanlagen, z.B. durch Simulation und Kollisionsbetrachtung. Auch bei der Gestaltung der Schutzeinrichtungen lässt sich SprutCAM gut nutzen.“

Die Schnittstelle zwischen der Roboter- und der Anlagensteuerung wird über die von Stäubli entwickelte Echtzeit-Schnittstelle uniVAL drive realisiert. Über dieses offene Interface können die Stäubli-Kinematiken über externe Steuerungen betrieben werden. Als „Master“ wird dabei der Motion Controller der Anlage genutzt. Im Klartext heißt das: Die Projektingenieure von VDS können die gesamte Anlage über eine gemeinsame Steuerung programmieren.

Rückverlagerung von China nach Belgien

Aus Sicht von Hallet war die einfache Bedienung der Anlage eine zentrale Anforderung. „Wir sind keine Roboter-Experten“, betont Vincent Hallet. Diese Anforderung erfüllt die von VDS entwickelte Anlage im vollen Umfang. „Die Anlage lässt sich sehr einfach bedienen, unsere Mitarbeiter haben hier vor Ort eine gute Schulung erhalten.“ Sollte ein Problem auftreten, kann der VDS-Service per Datenfernübertragung Einblick in die Steuerung nehmen.

Schon das erste Bauteil zeigte, das Hallet mit dem Fräsroboter sehr komplexe Komponenten in einer Aufspannung und mit hoher Präzision fertigen kann. „Vor wenigen Jahren haben wir die Fertigung in China verstärkt. Dank dieser Fertigungstechnologie holen wir Teile der Produktion jetzt wieder zurück nach Belgien“, so Hallet.

Ausblick: mannlose Schicht

Kurze Zeit nach der Inbetriebnahme des Fräsroboters hat Hallet eine neue Absauganlage installieren lassen, die mit der Robotersteuerung verbunden ist: Sie saugt jeweils nur an dem Tisch ab, an dem ein Bauteil bearbeitet wird. Als nächsten Schritt plant das Unternehmen, den Roboter für eine mannlose Nachtschicht einzusetzen. Er wird dann nicht nur die Bearbeitungsvorgänge erledigen, sondern auch die Bauteile greifen. Vincent Hallet: „Ganz so weit sind wir noch nicht. Aber wir arbeiten darauf hin.“ Dann wird der Produktivitätsfortschritt nochmals größer sein.