Erika Lottmann : Warum die Debatte um das Plastiksackerl unsachlich ist

Erika Lottmann
© Melanie Eichenauer/helopal

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das beste Plastiksackerl ist jenes, das nicht produziert wird. Allerdings gilt das auch für das Papier- und das Stoffsackerl. Ungefähr 80 Mal müsste eine Stofftasche zum Einkaufen gebraucht werden, bis sie die Ökobilanz des gerne gescholtenen Plastiksackerls hat. Ist das ein Grund, die Textilindustrie mangelndes Umweltbewusstsein vorzuwerfen? Nein, natürlich nicht.

Hysterischen Schmähung des Plastiksackerls

Das kunststoffverarbeitende Gewerbe leidet allerdings sehr wohl unter der beinahe hysterischen Schmähung des Plastiksackerls. Für unsere Betriebe ist das rufschädigend. Das ist ein Kollateralschaden einer größtenteils unsachlichen Debatte. Gerade im Gespräch mit Jugendlichen merken wir Vorbehalte gegen eine Hightech-Branche, die völlig zu unrecht mit dem Plastiksackerl und der von ihm verursachten Umweltbelastung in Verbindung gebracht wird. Gerade in Oberösterreich ist das kunststoffverarbeitende Gewerbe ein Motor für Innovationen und Arbeitsplätze. Viele unserer Betriebe behaupten sich höchst erfolgreich am Weltmarkt und produzieren Produkte, die aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Diese Unternehmen sind gefragte Partner für hochtechnologische Anwendungen in der internationalenHalbleiter-, Life Sciences-, Lebensmittel- oder Photovoltaikindustrie.

Spitzentechnologie aus Oberösterreich

Wem ist tatsächlich bewusst, dass weltweit jeder zweite Computerchip in PCs und Tablets, Smartphones, Bildschirmen oder Navigationsgeräten mit einem Reinstmedien-Rohrsystem aus Oberösterreich produziert wird? Der dabei geforderte Reinheits-Standard übertrifft jenen, der in Operationssälen gefordert ist, beim weitem. Die Rohre und Formteile aus PolyvinylidenfluoridUltra High Purity (PVDF UHP) sind besonders rein und enthalten im Gegensatz zu vielen anderen Kunststoffen keine Stabilisatoren, Weichmacher, Gleitmittel oder flammhemmende Zusätze, die zu Verunreinigungen führen könnten. Das ist entscheidend, weil bereits Partikel in der Größe eines Bruchteils eines Mikrometers die integrierten Schaltkreise auf Computer-Chips stören könnten.

Für Chip-Produktion und Trägerraketen

Wenn die europäische Trägerrakete Vega C nächstes Jahr zu ihrem Jungfernflug abhebt, hat sie Kunststofftechnologie aus Oberösterreich an Bord. Das so genannte „Zündergehäuse“ für die zweite Raketenstufe (Zefiro 40) ist rund fünf Kilogramm schwer, rund 70 Zentimeter lang, zylindrisch und aus zehn Kilometern Kohlefaser gewickelt. Mit einem Adapterring ist das Zündergehäuse unmittelbar am Raketenmotor fixiert. Gefüllt ist es mit rund fünf Kilogramm Festbrennstoff. Dieser wird elektronisch gezündet. Die Zündergehäuse aus Oberösterreich müssen also eine halbe Sekunde 150 bar Innendruck und 3.000 Grad Celsius standhalten. Wer behauptet, Kunststofftechnik ist keine Raketenwissenschaft, irrt also gewaltig.

Kunststoff ist ein Multitalent und kostbar

Nicht weniger anspruchsvoll sind freilich jene Produkte, die für die weltumspannende Medizintechnik hergestellt werden. Spezial-Produkte für die Kultivierung, Lagerung und Separation von Zellen sind ebenso unentbehrlich wie Blutentnahmeröhrchen oder Einwegspritzen. Dass Kunststoffe gleichzeitig für Propeller und Tragflächen, Cockpits und Verkleidungen von Flugzeugen, Zügen, Bussen oder Autos, und als Gehäuse von Computern, Smartphones und Küchengeräten eingesetzt werden, macht diese zu Multitalenten. Weil auch Fenster und Türen, Dampfbremsen und Dichtfolien, Verrohrungen für Wasser, Abwässer sowie Be- und Entlüftung, Wärmedämmung oder Swimmingpools aus Kunststoff produziert werden, ist der Rohstoff unentbehrlich. Sehr penibel dokumentieren die Betriebe nicht nur die Entsorgung und Deponierung.

Kreislaufwirtschaft als gemeinsames Ziel

Die Wiederverwertung ist nicht nur genauestens nachvollziehbar. Sie ist auch eine große Stärke unserer Branche. Unsere Betriebe entwickeln Technologien für das Recycling, bauen die dafür nötigen Maschinen und schaffen so die Voraussetzungen für die Kreislaufwirtschaft. Sie ist jenes Ziel, dem die Kunststoffverarbeiter schon sehr nahe gekommen sind. Immerhin landet in Österreich nur rund ein Prozent der Kunststoffabfälle auf einer Deponie. Jetzt muss es unser gemeinsames Ziel sein, immer mehr Endkunden und Konsumenten vom Nutzen und der Notwendigkeit der Wiederverwertung zu überzeugen. Alleine in Oberösterreich beschäftigen die 191 Kunststoff verarbeitenden Betriebe 7.000 Mitarbeiter. Schon jetzt wissen die aktuell 170 Lehrlinge, dass die Kunststofftechnik eine Wachstumsbranche mit Aufstiegschancen und Entfaltungsmöglichkeiten für junge Menschen mit Pioniergeist ist. Unsere Branche will noch mehr Lehrlinge ausbilden. Vor allem, weil wir diese Nachwuchskräfte in Zukunft dringend brauchen.

Was hat das alles mit dem Plastiksackerl zu tun? Eigentlich gar nichts! Aber die undifferenzierte Debatte darüber, schadet dem Ruf einer boomenden Hightech-Branche trotzdem.