Forschung : Bionik: Kennen Sie den Heuschrecken-Roboter

Roboter Bionik Heuschrecke
© Bild: MPI

Woodward, der sowohl Maschinenbauingenieur, Robotiker als auch Biologe ist, untersuchte die Fußstruktur der Wüstenheuschrecke und ihr Sprungverhalten auf verschiedenen Oberflächen, um die Eigenschaften zu extrahieren, die dazu beitragen, dass das Tier – wenn es ins Rutschen kommt – schnell Halt findet (indem es die Reibung erhöht). Er ließ die Heuschrecke zum Beispiel von wasserabweisendem Glas, von Gitter, Holz oder Sandstein springen.

Ein Roboter, dem Ausrutschen nichts ausmacht

Um zu verstehen, wie das Insekt sowohl von einer glatten als auch von einer rauen Oberfläche springen kann, baute der Wissenschaftler einen von der Heuschrecke inspirierten Roboter (siehe Abbildung 1). Er dient dazu, das Sprungverhalten der Heuschrecke zu imitieren. Woodward baute viel Heuschrecken-inspiration ein, veränderte aber auch den natürlichen Bauplan: Um die Bewegung der Beine auf das zum Springen Wesentliche zu beschränken, spiegelte Woodward die Segmente des Heuschreckenbeins und baute diese Doppelung ein.

Anschließend testete Woodward diesen bio-inspirierten Roboter in seinem Labor am MPI-IS. Aus den Ergebnissen seiner zahlreichen Tests schloss er, dass das Abrutschen der Heuschrecke keine Anomalie ist, sondern Teil der dynamischen Fortbewegung des Insekts. Woodward zog daraus Schlussfolgerungen für seinen Roboter: Auch ohne eingebaute Rechenkapazität kann eine morphologische Intelligenz, eingebettet in die physische Struktur des Roboters, das Ausmaß des Abrutschens reduzieren. Der Roboter mit seiner intelligenten Bauweise kann – auch wenn er ausgerutscht ist – seine Fortbewegungsleistung auf verschiedenen Oberflächen beibehalten. Oder um es kurz zu sagen: Ausrutschen, macht nichts, weiter geht´s.

Die Stacheln der Heuschrecke

Woodward glaubt, dass man Roboter besser machen kann, indem man morphologische Intelligenz in ein physisches System einbringt (das Wort Morphologie kommt aus dem Altgriechischen: Morphé bedeutet Gestalt oder Form). Dies ist ein neues und wachsendes Forschungsgebiet, das sowohl bei Biologen als auch bei Robotikern zunehmend auf Interesse stößt. „Forscher wie ich versuchen, die wissenschaftliche Gemeinschaft zu ermutigen, sich die Struktur eines Systems anzusehen und zu fragen, wie viel die Struktur für sie tun kann. Ich sehe die Robotik wegkommen von der Frage, ob man sich bewegen kann, um stattdessen zu fragen, wie man eine spezifische Bewegung am besten meistert,“ so Woodward. Er gehört damit einer neuen Generation von Forschern an. Er möchte, wie die wenigen anderen in diesem Bereich, die komplexen Fortbewegungsprobleme selbst der fortschrittlichsten Roboter lösen können. So erforscht er die Strategien, die Tiere anwenden, wenn sie dynamisch mit ihrer natürlichen Umgebung interagieren, und die im Laufe der Evolution perfektioniert wurden.

https://youtu.be/ftSKSY1YjmE So funktioniert der Heuschrecken-Roboter.

Woodward beobachtete, dass die Stacheln am Fuß der Heuschrecke gut mit rauen Oberflächen interagieren. Ihre scharfe, spitze, nadelartige Struktur verhindert das Wegrutschen der Heuschrecke, indem sie sich in die raue Oberfläche hineinkrallt. „Wir haben entdeckt, dass die Stacheln bei rauen Oberflächen nützlich sind und die Ballen bei glatten Oberflächen wie Fensterglas. Auch haben wir beim Bau des Roboters festgestellt, dass wenn wir einige der Eigenschaften ändern – was wir mit der Heuschrecke natürlich nicht machen können – die beiden Befestigungsmechanismen Ballen und Stacheln sich gegenseitig aushelfen". Woodward nahm an seinem Roboter z. B. die Ballen an den Füßen ab und erhöhte die Sprungkraft. Auf der von ihm verwendeten Sandsteinoberfläche beobachtete er große Kratzer auf dem Stein, wo die Stacheln durch das Material rissen. „Wenn man die Pads hinzufügt, addiert man tatsächlich genügend Reibung, um die Kraft auf die Stacheln auf ein Niveau zu senken, auf dem sie sich an der schwachen Sandsteinoberfläche festhalten können. So sind nicht nur die Ballen und die Stacheln für verschiedene Oberflächen ausgelegt, sie helfen sich auch gegenseitig."

Rutschen als Teil des natürlichen Bewegungsablaufs

Der Wissenschaftler änderte die Eigenschaften seines Roboters weiter. Er kam zu dem Schluss, dass ein Abrutschen der Heuschrecke keine Anomalie ist, sondern normal. „Menschen wollen einen Ausrutscher beim Gehen oder Laufen um jeden Preis vermeiden. Es gibt eine riesige Schuhindustrie, die versucht, genau dies zu vermeiden. Bei einer Heuschrecke aber wollte die Natur, dass sie abrutscht." Daher arbeitete der Wissenschaftler daran, ein System zu bauen, bei dem Abrutschen durchaus gewollt ist. Denn wenn Rutschen zum natürlichen Bewegungsablauf gehört, und man diese Eigenschaften einbaut in die Struktur von Roboterfüßen, dann sind die Auswirkungen auf die Fortbewegung – sollte es doch einmal so weit kommen – begrenzt.