Industrierobotik : Roboter oder Assistenzsysteme: Wer macht das Rennen?

An engineer developing the industrial robots.

Nicht immer ist die Vollautomatisierung die beste Lösung. Ein Beispiel dafür ist der Thermomix.

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Roboter sind relativ gut per Norm definiert. Industrieroboter haben mindestens drei Antriebe, sind frei programmierbar und universell einsetzbar. Sie sind also typische Arbeitspferde. Daneben gibt es die Service-Robotik, das sind Roboter außerhalb der Produktion. Etwa autonome mobile Roboter bzw. Fahrerlose Transportsysteme, die den Materialfluss automatisieren. Die Service-Roboter gehen fließend über in die Assistenzsysteme. Ein Beispiel für so ein Mittel-Ding ist der da Vinci, einen Teleoperationsroboter, der für Prostataoperationen eingesetzt wird. Er wird vom Menschen gesteuert. Als dritte Klasse gibt es noch die domestischen Serviceroboter, wie zum Beispiel die Staubsaugerroboter, die man von zuhause kennt.

Breiter als die Rotober sind die Assistenzsysteme definiert. Jeder versteht etwas anderes darunter. Der eine denkt im Auto an ein Assistenzsystem, der andere denkt an einen Roboter und der dritte an ein Fahrerleitsystem im Verkehr. Auch ein E-Bike kann ein Assistenzsystem sein, weil es ja den Menschen unterstützt.

Exkurs: Roboter-Sicherheit

Die Mensch-Roboter-Kollaboration ist seit Jahrzehnten ein Hype-Thema. Die Vision ist, dass Mensch und Roboter im selben Arbeitsraum miteinander arbeiten können. Bis heut sind Roboter aber meist eingehaust in einen Zaun. Denn mit schutzzaunlosen Robotern ist es extrem schwierig, die Sicherheit zu gewährleisten. Daher müssen Roboter sehr langsam fahren, um den Menschen nicht zu gefährden.

(Ein weiterer Artikel zum Thema: Cobots: Gut vermarktet, schlecht verwendet?)

Roboter versus Assistenzsystem: Beispiele

Paket-Lieferroboter für die Last Mile wurden einmal mit den E-Bikes von der Deutschen Post verglichen. Die Lieferroboter kamen nur bis zur Bordsteinkante, weil sie nicht fliegen können. Sie können auch nicht läuten oder das Paket beim Nachbarn abstellen, wenn niemand zuhause ist. Bei den elektrisch betriebenen Lastenrädern bekommt der Mensch eine Kraftunterstützung beim Treten. Zusätzlich hat er ein Navigationssystem, also eine Informationsassistenz. Das E-Bike machte also klar das Rennen. Eigentlich kann man sogar sagen, das E-Bike ist der perfekte Cobot, weil es den Menschen optimal unterstützt.

Auch beim Greifen von Blechteilen, die sehr dünn sind, beobachte ich, dass die Vollautomatisierung nicht gelingt. Die Teile können rutschig sein und sind schwer zu erkennen, weil sie spiegeln. Im Labor funktioniert der Prozess vielleicht noch, aber für die Praxis ist er zu wenig robust. Durch das Weglassen des Roboters und die bloße Unterstützung durch die Bildverarbeitung wurde der Prozess optimiert: Die Bildverarbeitung erkennt, welches Bauteil der Mensch gegriffen hat und weist das Bauteil dann dem richtigen Auftrag zu.

Ein schönes Beispiel ist auch der Thermomix. Er ermöglicht kochen für jedermann. Man hat die geling-Garantie, er unterstützt einen mit dem Rezept, sagt, was man zu tun hat, aber belässt wesentliche Handlungsschritte beim Menschen. Insbesondere die Qualitätskontrolle.

Das ist für mich das Moment des Paradigmenwechsels: wir enablen Menschen, sodass sie produktiver werden und komplexe Dinge ohne Einarbeitungszeit beherrschen. Und dafür muss man manchmal einen Schritt zurückgehen von der Vollautomatisierung.

(Der Artikel ist ein Auszug aus dem Gespräch, das Dennis Rathmann mit Werner Kraus im Rahmen unseres Podcasts geführt hat. Die ganze FACTsTORYs-Folge über KI-Anwendungen und Robotikforschung können Sie hier nachhören!)

Werner Kraus ist Gast in der 21. Folge unseres Podcasts FACTsTORYs.