Hannover Messe 2019 : Universal Robots Gründer fordert mehr Human Touch in der Robotik

Ostergard
© Universal Robots

Heute stehen Universal-Robots-Produkte weltweit in den Fabriken. Ihre Vision geht noch weiter. Stehen in fünf Jahren UR-Cobots beim Juwelier oder Kunstschreiner in der Fußgängerzone?

Esben H. Østergaard: Warum nicht? Wir erleben gerade eine Veränderung im Konsumverhalten der Menschen. Unsere Generation ist so wohlhabend und so auf Individualisierung bedacht, dass die Menschen verstärkt Produkte nachfragen, die von Menschen geschaffen wurden. Wir müssen in der Fertigung nicht mehr nur über Kostenreduktion nachdenken, sondern uns die Frage stellen: Können wir den doppelten Preis verlangen, wenn wir die Bedürfnisse noch besser befriedigen können?

In der Fabrik kehrt in Zukunft der Human-Touch ein?

Østergaard: Ja, weit entfernt von eingezäunten Industrierobotern, die menschliche Arbeitskräfte durch automatisierte Prozesse ersetzen, erweitern kollaborative Roboter die menschliche Intelligenz um die Geschwindigkeit, Genauigkeit und Präzision, die erforderlich ist, um moderne Produkte mit menschlicher Note herzustellen. Darum werden wir mehr Cobots in neuen Anwendungen sehen.

Brauchen diese Unternehmen überhaupt Cobots?

Østergaard: Konsumenten wollen und zahlen in Zukunft noch mehr für Produkte, in denen sie menschliche Fürsorge, Engagement und Kreativität erkennen können. Beispiele sind Uhren, Craftbier, Tische, Stühle, Designerartikel oder eben auch mit Kohle gefärbtes Steinsalz aus Island. Diese Kunden akzeptieren neue Technologien wie Cobots im Herstellungsprozess, fordern aber vom Hersteller auch den Human Touch.

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Das heißt, die industrielle Produktion verändert sich extrem?

Østergaard: Das erleben wir doch schon. China versucht weiter, die Fertigung im Land zu halten, aber viele Unternehmen wandern auch wieder ab – in ihre Märkte. Die Digitalisierung, der 3D-Druck und auch Cobots machen das möglich. Die Produktion wird wieder lokaler. Wir werden in Zukunft einige große Fabriken haben, die beispielsweise Aluminium produzieren, aber dann haben wir viele kleine Produktionszentren, die für den lokalen Markt produzieren.

Sie nennen das Industrie 5.0 …

Østergaard: Ja, es ist keine Fortsetzung von Industrie 4.0, sondern eine neue Definition von Arbeit und Konsum – eher ein gesellschaftlicher als ein technischer Ansatz. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen, die bedeutender, sinnstiftender sind als Fabrikjobs, die über Jahrhunderte entstanden sind. Industrie 5.0 ist eine Rückkehr zur vorindustriellen Produktion, aber eine, die durch die fortschrittlichsten Technologien ermöglicht wird.

Ihre Cobots?

Østergaard: Unsere Cobots sind ein Teil dieses Megatrends. Und wir haben aus unseren Anfängen in Dänemark gelernt, wie sich Märkte verändern und Produkte anpassen müssen.

Wie meinen Sie das?

Østergaard: Cobots konnten eigentlich nur in einem Land wie Dänemark entstehen, denn wir haben keine großen Industriekonzerne mit Roboterstraßen, sondern viele kleine, mittelständische Unternehmen, für die wir damals Lösungen entwickelt haben. Diese Geschichte könnte sich jetzt wiederholen.

Auch große Unternehmen haben Ihre Produkte gekauft und tun das noch.

Østergaard: Der Markt entwickelt sich rasant, auch bei unseren großen Kunden. Bis zu 60 Prozent Wachstum prognostizieren unsere Experten und wir rechnen mit einem Wachstum von zwei Milliarden Euro in Europa in den nächsten Jahren – bei Cobots.

Und immer mehr Wettbewerber betreten den Markt …

Østergaard: Es ist ganz normal, dass andere Unternehmen auch in dem Markt Geld verdienen wollen. Mittlerweile sind es über 40 Wettbewerber.

Was unterscheidet denn die Cobots in Zukunft voneinander?

Østergaard: Klar, die Safety-Anforderungen müssen alle Cobots erfüllen, wenn sie überhaupt eine Chance am Markt haben wollen. Aber in der Programmierung und Flexibilität lassen sich schnell Unterschiede entdecken. Der Anwender muss selber die Programmierung verändern können, um den Cobot sinnvoll zu nutzen. Daran arbeiten wir seit Jahren – auch mit unserer Universal Robots Academy. Wir schulen die Anwender und machen sie fit für die Zukunft. Darüber hinaus brauchen die Unternehmen Flexibilität. Roboterstraßen werden wir seltener sehen.

Weil lokal und in kleineren Einheiten produziert wird?

Østergaard: Vielleicht. Die Planung wird immer schwieriger für die Unternehmen. Deshalb müssen die Roboter flexibel und schnell sein, um zusammen mit dem Menschen neue Produkte in neuen Prozessen fertigen zu können.

Quelle und Herausgeber dieses Interviews ist die Deutsche Messe AG im Rahmen des Magazins "Industrial Pioneers" zur Hannover Messe 2019. Mehr unter: http://www.hannovermesse.de/de/news/industrial-pioneers/