Robotik : Mensch-Roboter-Kollaboration bei BMW

Bosch Rexroth für BMW
© Bosch Rexroth

Menschen und Roboter in unmittelbarer Nähe. Für einige Mitarbeiter im BMW Group Werk Berlin ist das bereits Alltag: Sobald der Montagemitarbeiter die Motorradfelge in die Zentriermaschine eingesetzt hat, übernehmen zwei rechts und links von der Zentrieranlage positionierte APAS-Produktionsassistenten den Verschraubungsprozess. An jedem der beiden Roboterarme ist eine Industrie-Schraubspindel befestigt, Mensch und Maschine wechseln sich ab, nutzen denselben Arbeitsraum – ganz ohne Schutzzaun.

Roboter plus Schraubwerkzeug

Die in dieser Art einzigartige Umsetzung einer Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) kombiniert zwei kollaborative Roboter vom Typ APAS assistant mit je einer hochpräzisen, automatischen Schraubspindel aus dem Schraubsystem 350 von Bosch Rexroth. Die Aufgabe der kreativen Synthese aus Robotik, Schraub- und Sicherheitstechnik besteht darin, die vormontierten Speichen in der richtigen Reihenfolge wiederholgenau mit einem exakt vorgegebenen Drehmoment anzuziehen.

Dass der Industrieroboter ohne Schutzzaun in unmittelbarer Nähe des Montagemitarbeiters agieren darf, liegt an der schwarzen Sensorhaut, die sowohl den APAS assistant als auch die Schraubspindel umgibt und die Umgebung kapazitativ erfasst. Noch bevor es zu einer Berührung kommt, stoppt das System die Bewegung. Ist der Nahbereich wieder frei, fährt der Roboter an derselben Stelle fort.

Kosteneffiziente Teilautomatisierung

Grundlage für die problemlose Zusammenarbeit ist die im APAS assistant integrierte Sicherheitstechnik. Sie schafft einen kollisionsfrei gestalteten Raum, in dem Mensch und Maschine produktiv und sicher interagieren können. „Der große Vorteil hybrider Arbeitsplätze wie diesem besteht darin, dass sie sich mit relativ geringem Aufwand nachrüsten lassen, ohne die umgebende Mikrologistik verändern zu müssen“, sagt APAS-Produktmanager Wolfgang Pomrehn, bei Bosch Rexroth zuständig für den Bereich kollaborative Robotik. „Die MRK stellt folglich eine kosteneffiziente Alternative zur Vollautomatisierung dar. Beispiele wie dieses machen deutlich, wie flexibel sich die Fabrik der Zukunft gestalten lässt und dass Menschen darin weiterhin eine zentrale Rolle spielen.“

Ganzheitliche Lösung aus einer Hand

Eine wichtige Motivation für das Industrie-4.0-Projekt in der Motorradmontage bestand darin, Erfahrungen für andere potenzielle MRK-Anwendungen in der Serienmontage zu sammeln. Den Zuschlag für die Umsetzung erhielt Bosch Rexroth aufgrund seines interdisziplinären Know-hows und Lösungsangebots in beiden Bereichen – kollaborative Roboter und High-End-Schraubtechnik.

Anstelle eines kostspieligen Sondermaschinenbaus erhielt die BMW Group auf diese Weise ein einbaufertiges Komplettsystem, das sich aus erprobten Standardbausteinen zusammensetzt und zudem den geforderten Sicherheitsstandard PL d, Kat. 3 erfüllt.

Dokumentation und Monitoring

Zu den Anforderungen an die Schraublösung zählte neben einer hohen Wiederholgenauigkeit für reproduzierbare Ergebnisse eine lückenlose Dokumentation. Die Schraubspindel und die Steuerung der Generation 350 erfüllen diesen Anspruch, denn sie sind in der Lage, in Echtzeit auf den individuellen Schraubprozess zu reagieren und beispielsweise ein defektes Gewinde sofort zu erkennen. Prozessqualität und -sicherheit bleiben so konsequent gewährleistet.

Da jeweils die komplette Schraubkurve aufgezeichnet wird, lassen sich verschiedenste Kenndaten überwachen – einschließlich des Zieldrehmoments, das für die korrekte Spannung der Speichen im Rad entscheidend ist.

Pilot gelungen, Planung geht weiter

Seit Oktober 2020 läuft die Anwendung produktiv im Zweischichtbetrieb. Die Montagemitarbeiter haben die Lösung gut angenommen, die gesammelten Erfahrungen mit der MRK-Lösung werden in Schulungen intern weitergegeben und helfen bei der Identifikation weiterer potenzieller Anwendungsbereiche bis hin zur Bandmontage mit Fließbetrieb.

Der APAS-Baukasten deckt hierfür eine Vielfalt an Einsatzszenarien ab, zumal sich der Industrieroboter mit Kuka-Technologie und der weitverbreiteten SPS-Schnittstelle mxAutomation schnell und flexibel integrieren lässt. Auch das Engineering ist einfach, da das System in vertrauter Robotik-Umgebung konstruiert und programmiert ist. So lassen sich auch bestehende Anlagen effizient ergänzen oder erweitern.

Blick in die Zukunft

Angesichts der wachsenden Marktvolatilität und gestiegenen Anforderungen an die Fertigungsflexibilität bewähren sich hybride Arbeitsplätze mit Mensch-Roboter-Kollaboration als kosteneffizienter Weg, die Produktivität in der Serienfertigung zu steigern. „Das APAS-Projekt im BMW Group Werk Berlin ist ein gutes Beispiel dafür, wie produzierende Unternehmen neue Problemstellungen mit frischen Ideen angehen können“, sagt Wolfgang Pomrehn. „Auf Grundlage gemeinsamer Technologie- und Ergebnisorientierung ist hier ein Stück Fertigung der Zukunft entstanden, welche die Stärken von Mensch und Technik sinnvoll kombiniert.“