Tech-Crasher : Industrie 4.0: Was bringt's jetzt wirklich?

Bosch vernetzte Industire Industrie 4.0
© Bosch

Nachdem Industrie 4.0 sich nun schon seit bald fünf Jahren wacker im allgemeinen Gespräch hält, stellt sich mir die Frage, was sich seither getan hat. In wieweit haben sich die potenziellen Anwender von Industrie 4.0 dem Thema wirklich angenähert? Oder sind wir immer noch im Stadium von vor drei Jahren?

Viele der aktuellen Ansätze kommen mir irgendwie bekannt vor, so als ob wir das alles schon einmal hatten – nur unter anderem Namen. Skurrilerweise werden bekannte Technologien so dargestellt, als bräuchte man Industrie 4.0, um davon zu profitieren – z.B. Barcode oder RFID. Das halte ich für eine nicht zielführende Übertreibung. Ich glaube, das größte Problem ist, dass die potenziellen Anwender immer noch nicht wissen, wie sie mit Industrie 4.0 umgehen sollen. Wir müssen uns endlich über den praktischen Einsatz in der Fertigung und – viel wichtiger noch – endlich über den Nutzen von Industrie 4.0 unterhalten.

In vier Stufen zur „Smart Factory“

In unserem aktuellen Whitepaper „Industrie 4.0 konkret“ schlagen wir ein einfaches Vier-Stufen-Modell vor, das Fertigungsunternehmen als Handlungsempfehlung dienen kann. Erste Stufe ist die transparente Fabrik. Das heißt, dass Unternehmen zeitnah wissen müssen, was in ihrer Produktion gerade passiert. Darauf setzt die reaktionsfähige Fabrik auf – also eine Verdichtung der erfassten Daten, so dass schnell erkennbar wird, welche Konsequenzen eine Veränderung im Shopfloor hat. Ziel ist hierbei, möglichst schnell und zielführend auf Störungen reagieren zu können. Dann kommt die selbstregelnde Fabrik, in der man auf Basis der Reaktionsfähigkeit eine Regelung aufbauen kann. Und schließlich die funktional vernetzte Fabrik, die den Blick auf angrenzende Prozesse und Systeme wie PLM, Energie- und Gebäudemanagement ausweitet.

Datenbasis muss stimmen

Aber sind wir mal ehrlich: Wir wären heute schon erheblicher weiter, wenn ein großer Anteil der Fertigungsindustrie eine transparente Fabrik hätte. Wenn ich sehe, dass allein die Transparenz in der Fertigung zu ersten Produktivitätssteigerungen führt, dann ist das sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wenn man zuerst ganz unten dafür sorgt, dass die Datenbasis stimmt, kann man sich im nächsten Schritt um innovative Technologien für Industrie 4.0 kümmern.

Aber hierzu müssen Industriebetriebe zunächst ihre Hausaufgaben machen. Damit meine ich, dass die Unternehmen Transparenz in Ihrer Produktion schaffen – idealerweise mit einem Manufacturing Execution System MES. Dann müssen die Unternehmen spezifizieren, wo und in welchem Maße Optimierungen und Verbesserungen nötig bzw. gewollt sind. Das hängt immer auch mit den Besonderheiten der jeweiligen Fertigung zusammen. Daran wird sich auch mit Industrie 4.0 nichts ändern. Man muss es einfach nur tun. Und wenn dann auch noch die zweite Stufe mit MES umgesetzt wird, dann sind wir schon einen großen Schritt weiter.

Menschenleer wird es nicht werden

Wichtig ist, dass auch in Zukunft produziert werden soll und dass der Mensch dabei eine wichtige Rolle spielt. Eine menschenleere Produktion werden wir auch in den nächsten Jahrzehnten nicht sehen … das wollen wir auch gar nicht.

Und letztendlich geht es bei MES nicht nur darum, Daten zu erfassen, sondern es geht um komplexe und vielseitige Anwendungen: mitlaufende Qualitätssicherung, Fertigungsplanung und Traceability – um nur einige wenige zu nennen. Darauf müssen die Unternehmen verstärkt ihren Fokus legen und sollten sich nicht von reinen Technologie-Hypes blenden lassen. Zusammenfassend möchte ich also festhalten, dass MES für Industrie 4.0 zwar notwendig, aber wahrscheinlich nicht zwingend hinreichend ist.