Deep Learning : Wie Protiq mit künstlicher Intelligenz Bauteile leichter macht

Ralf Gärtner Protiq
© Protiq

Dass die additive Fertigung kein Exot mehr ist, ist klar. Dass die Serienfertigung näher rückt, wohl auch. Das erklärte Ziel vieler Dienstleister: Die Automatisierung der Produktionsprozesse. Was es dazu braucht? Richtig, die viel zitierte Künstliche Intelligenz (KI). Genauer gesagt Algorithmen, die die Brücke schlagen zwischen digitaler und realer Prozesskette. Einen großen Schritt Richtung Ziel hat kürzlich der Blomberger-Druckdienstleister Protiq gemacht. Mittels KI schaffen Sie es einerseits Bauteile automatisiert leichter zu machen und andererseits diese Bauteile automatisiert dem jeweiligen Kundenauftrag zuzuordnen.

Der digitale Zwilling ist entscheidend

Protiq ist eine Ausgründung des Automatisierungsspezialisten Phoenix Contact. Ralf Gärtner und seine Kollegen können etwas, wovon viele Branchenkollegen noch träumen: Sie drucken hochleitfähige Strukturen aus Kupfer, Spulen – und das in nur fünf Werktagen. „Im traditionellen Verfahren dauert es noch bis zu zehn Wochen“, erklärt Gärtner. „Wir bedienen viele Branchen mit unterschiedlichen Druckmaterialien, aber in der Elektronikfertigung sehen wir große Wachstumschancen“, so der Geschäftsführer von Protiq. Die Additive Fertigungsbranche baut weltweit riesige Druckkapazitäten auf, „Milliardenmärkte“ – prognostizieren Analysten immer wieder. Die Spezialisierung ist aus Sicht von Gärtner deshalb gefragt. Als Factory 2018 zum ersten Mal über Protiq berichtete hatten die Blomberger große Ziele: “Die digitale Prozesskette, die wir im Werkzeugbau geschaffen haben, müssen wir jetzt in die Realität übertragen. Der digitale Zwilling ist entscheidend“, so Gärtner. Ein Jahr später sind die Blomberger diesem Ziel schon deutlich näher.

Ein Leichtbau-Algorithmus

Stichwort Online-Topologieoptimierer. Protiq hat ein intelligentes Tool für kundentechnische Leichtbau-Allüren auf den Markt gebracht. Gärtner erklärt es wie folgt: „Der Kunde stellt seinen Datensatz auf unsere Plattform, markiert Design-Areas und Non-Design-Areas, definiert die auftretenden Kräfte, die auf die Konstruktion wirken können. Die intelligenten Algorithmen dahinter reduzieren dann innerhalb von 24 Stunden den Materialbedarf.“ Dass dies tatsächlich funktioniert, beweisen bereits einige Kundenprojekte. Doch die Blomberger treiben nicht nur auf Kundenseite ihre Prozessdigitalisierung voran.

Teilezugehörigkeit mittel KI ermitteln

Protiq produziert sehr viele individuelle Teile in seinen Druckern. Die Blomberger nutzen dafür das Selective-Laser-Sintering (SLS)-Verfahren. Der Vorteil dieser Technologie: Anwender können in einem Bauraum nicht nur ein Bauteil, sondern eine beliebige Anzahl unterschiedlicher Bauteile herstellen. Da diese dreidimensional im Raum geschachtelt sind, kann der Bauraum besser ausgenutzt werden. Vom Kundeninterface im Netz bis zum Drucker ist bei Protiq eigentlich alles automatisiert. Nur eben den Bauraum muss noch ein Mitarbeiter freigeben. Sprich das fertige Produkt herausnehmen, nachbearbeiten und in den Versand geben. Die Zuordnung dieser Teile zum jeweiligen Kundenauftrag war in der Vergangenheit mit einem hohen Aufwand verbunden. Auch hier hat ein Algorithmus das Problem gelöst.

Ein System, das lernt

Zusammen mit der Universität Paderborn entwickelten die Ingenieure eine neuartige Technologie, die diese Bauteilerkennung mittels Deep-Learning-Methoden automatisiert. Tobias Nickchen war von Seiten der Forschung für das Projekt mitverantwortlich. „Unser System muss jeden Tag neue Bauteile erkennen“, unterstreicht er im Podcast „KI in der Industrie“ die Herausforderung in dem Protiq-Projekt. Die Bauteilerkennung in der klassischen Serienfertigung muss im Vorfeld meist händisch definierte Produkte oder Bauteile erkennen. Indem die KI bei Protiq sich in jeder Produktion, selbstständig an die neuen Bauteile anpassen müssen, lernt das System ständig dazu. Die Datenbasis dazu sind übrigens ganz normale 3D-Abbildungen aus CAD-Daten. „Damit wird das System trainiert“, so Nickchen. In der Produktion gleicht also die KI die realen Bauteilbilder mit den Aufträgen ab und erkennt so deren Zugehörigkeit. Anschließend können für jeden Auftrag die entsprechenden Bauteile auf der Scanfläche visuell markiert werden. Der Vorteil: Das System sortiert schnell, minimiert den manuellen Aufwand und reduziert Fehler – ein Gewinn in der digitalen wie realen Prozesskette.