Interview : Wie neuronal gesteuerte Roboter funktionieren

Exoskelett Roboter Robotik
© Cyberdyne Care Robotics

Factory: Herr Bülhoff, für welche Aufgaben sind Roboter-Anzüge in der Industrie besonders geeignet?

Bülhoff: Der primäre Einsatzbereich von industriellen Exoskeletten wird für körperlich belastende Tätigkeiten bestimmt sein, bei denen programmierte Roboter oder alternative Unterstützungssysteme nicht oder nur umständlich einsetzbar sind. Dies sind individuell durchzuführende Tätigkeiten, insbesondere in der Logistikbranche, Bauindustrie, Automobilindustrie, im Bauhauptgewerbe sowie in Entsorgungsunternehmen. Exoskeletten eignen sich aber auch für eine Vielzahl von Einzelarbeitsplätzen in unterschiedlichen Industriebereichen bei denen größere körperliche Belastungen, insbesondere Rückenbelastungen, auftreten. In den Industrieunternehmen sind diese Arbeitsplätze bekannt. Diese sind zurzeit vor allem für Frauen ungeeignet. Unser Unternehmen hat in den letzten zwei Jahren den so genannten HAL for Task Support an verschiedenen Arbeitsplätzen getestet.

Bei welchen Bewegungsabläufen sollen Menschen unterstützt werden?

Bülhoff: Im Wesentlichen bei Abläufen, bei denen mittelschwere und schwere Gewichte bewegt werden. Aber auch hohe Wiederholungszahlen mit vermeintlich leichten Gewichten können im Laufe der Zeit zu hohen Belastungen des Bewegungsapparates führen. Weiter zu nennen sind „Überkopfarbeiten“, bei denen der Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum die Arme angehoben halten muss, z. B. in der Automobilindustrie bei Montagearbeiten am Fahrzeugboden oder im Baubereich bei Arbeiten an Decken. Hinzu kommen Arbeiten, bei denen mit einer Zwangshaltung des Körpers (gebeugt oder auch verdreht), gearbeitet werden muss und alleine das Gewicht des Körpers die muskulären Strukturen unverhältnismäßig beansprucht.

Gab es besondere Schwierigkeiten bei der Entwicklung?

Bülhoff: Die Verbindung des neuronalen Systems des Menschen mit einem Roboter, der die Bewegungsmuskulatur unterstützen oder sogar ersetzen soll, war ein sehr komplexes Unterfangen. An den in Japan entwickelten neuronalen Prothesen kann man sehr deutlich feststellen, dass keine Unterschiede zum menschlichen Bewegungsablauf erkennbar sind. Die Entwicklung des neuronal gesteuerten Roboters wurde von Professor Sankai an der Universität Tsukuba bereits vor etwa 25 Jahren begonnen.

Ab wann amortisiert sich so ein noch recht teurer Anzug?

Bülhoff: Immer dann, wenn Erkrankungen vermieden werden können, lassen sich gut Kosten–Nutzenbetrachtungen anstellen. Dies ist allerdings sehr unterschiedlich nach den jeweiligen Arbeitsbereichen. Ein einfacher Ansatz könnte sein, die Kosten von Frühverrentungen gegenzurechnen oder, dass mit solchen Systemen ältere qualifizierte Mitarbeiter längere Zeit in den Arbeitsprozessen gehalten werden können.

Wie wartungsanfällig sind diese Roboter-Anzüge?

Bülhoff: Die Systeme sind inzwischen ausgereift. Bei dem „HAL System“ erfolgt die Wartung der Software über Wlan-Schnittstellen.

Wie lange wird es noch dauern, bis die Industrie ordern kann?

Bülhoff: Diese Möglichkeit ist aus unserer Sicht für den „HAL for Task Support“ kurzfristig zu erwarten. Es bestanden nur noch Probleme im Nässeschutz beim Außeneinsatz. Andere Systeme der Firma Cyberdyne Inc. können bereits jetzt nachgefragt werden.

Vielen Dank für das Gespräch!