Industrie 4.0 : Wie Miba-Chef F. Peter Mitterbauer die Digitalisierung vorantreiben will

F. Peter Mitterbauer Miba
© Factory/Simlinger

FACTORY: Herr Mitterbauer, als Sie 2013 Miba von Ihrem Vater übernahmen, meinten Sie gegenüber der Presse eine andere Handschrift als Ihr Vater zu haben. Wussten Sie damals schon, wie sehr die Digitalisierung Einfluss auf Ihr Unternehmen haben würde?

F. Peter Mitterbauer: Ob es wirklich eine andere Handschrift ist, weiß ich gar nicht. Die großen Themen sind sicher die Digitalisierung der Industrie und in der Antriebstechnik die Elektrifizierung. Daneben arbeiten wir natürlich weiterhin an der Optimierung der bestehenden Antriebstechnologien wie dem Diesel. Wir sind sicher, dass sie noch lange eine große Bedeutung haben werden und dass hier noch viel an Optimierung in Sachen CO2-Aussto., Effizienz und Umweltfreundlichkeit möglich ist.

Würden Sie sagen, die Kernkompetenzen von Miba beginnen sich zu verschieben?

Die Miba steht seit jeher für Innovationen und Technologieführerschaft. Das ist unsere Kernkompetenz und das wird sie auch bleiben. Daneben kommen neue Kernkompetenzen dazu. Mit Daten umgehen lernen, diese als Assets zu sehen, um daraus Informationen gewinnen zu können, ist ein großer Treiber für uns. Aber wir sind dabei, es zu unserer Kernkompetenz zu machen.

Schaeffler mit IBM, ABB mit Microsoft: Immer mehr industrielle Schwergewichte suchen die Nähe zu IT-Konzernen. Liebäugeln Sie auch bereits mit dem einen oder anderen?

Nein, das tun wir derzeit nicht. Aber wir schauen uns um, wer uns mit digitalem Know-how unterstützen kann. Das kann auf der einen Seite über Personen sein und auf der anderen Seite über Kooperationen und strategische Allianzen.

Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (digitaler Profi) – wo steht Miba?

Schwer zu sagen. Ich denke, wir sind mittendrin. Den einen oder anderen Erfolg haben wir schon. Jetzt beginnen wir Daten strategisch zu erfassen und vor allem zu säubern, um sie später richtig auswerten zu können.

Das klingt nach ordentlich Arbeit. Dafür haben Sie also in letzter Zeit gezielt Data-Nerds rekrutiert?

Mitterbauer: Nerds im positiven Sinne. Von der Ausbildung her sind es Data Scientists, also Algorithmiker und Mathematiker, eben jene, die aus den vielen Daten nützliche Informationen gewinnen können.

Wie viele dieser Datenspezialisten sind derzeit bei Miba beschäftigt?

Wir haben ein „Digital Office“ eingerichtet. Dafür haben wir vier Spezialisten rekrutiert, die sich nun mit den Möglichkeiten hinter den Daten beschäftigen.

Vier im Verhältnis zu 22 Miba-Produktionsstandorten, ist das nicht etwas wenig?

Das ist ein Anfang, wir werden da sicher noch einiges mehr an Mitarbeitern brauchen.

Sie meinten einmal, die größten Mitbewerber um diese Köpfe sind Start-ups.

Leute mit diesen Qualifikationen suchen nach einer Herausforderung und die meinen sie oft bei Start-ups und bei den Facebooks, Amazons und Googles dieser Welt zu finden. Denen ist oft gar nicht bewusst, dass gerade Industrieunternehmen wie Miba dringend solche Leute suchen. Wir bieten diesen Menschen eine spannende Herausforderung. Denn bei Miba arbeiten wir ja jeden Tag daran, Antriebstechnologien effizienter und damit umweltfreundlicher zu machen. Wir bieten also nicht nur einen Job, sondern eine Aufgabe mit Sinn.

Vorhin haben Sie mir erzählt, dass Sie erst kürzlich mit diesen Datenspezialisten Mittagessen waren. Warum suchen Sie gezielt den Kontakt zu diesen Leuten?

Um zu verstehen, wie sie denken. Diese Leute kommen aus ganz anderen Branchen und haben damit auch völlig unterschiedliche Herangehensweisen. Dabei geht es nicht darum welche Strategie richtig oder falsch ist ...

... sondern viel mehr, wie man in die gleiche Richtung zieht?

Richtig. Und dafür braucht es viel anfängliche Kalibrierung.

Was zählt für Sie mehr: smarte Produkte oder ein smarter Produktionsprozess?

Sowohl als auch. Aber Produkte zu „smartifizieren“, um damit unseren Kunden einen zusätzlichen Service anbieten zu können, ist unsere oberste Prämisse.

Gerade bei den Gleitlagern stehen Sie kurz vor einem Durchbruch.

Mithilfe von Sensoren versuchen wir Intelligenz in diese Produkte zu bringen. Irgendwann soll das Gleitlager von selber voraussagen können, wann es repariert werden muss bzw. einen Service braucht.

Glauben Sie, dass für neue Geschäftsmodelle die klassische Rentabilitätsrechnung an Bedeutung verlieren wird und dafür mehr das Bauchgefühl entscheidet?

Ich glaube, dass sich diese beiden Dinge nicht wirklich trennen lassen. Meines Erachtens muss jedes Unternehmen ein Grundgefühl für den Markt entwickeln, was Kunden wollen, welche Trends sich abzeichnen. Nur zu sagen, ich probiere aus und nehme dafür zehn Millionen Euro in die Hand, wäre zu kurz gegriffen. Reines Bauchgefühl reicht sicher nicht.

Für Sie ist eine Fehlerkultur viel mehr als ein Schwarz-Weiß-Denken. Wo darf man bei Miba scheitern?

Das kommt immer auf den Bereich an. Dort wo performancekritische Teile produziert werden, darf es einfach keine Fehler geben. Geht es um Innovationen, dann sind Versuch und Irrtum natürlich essentiell.

Um Miba noch stärker als Technologiegruppe zu positionieren, setzen Sie auf neue Technologien. Können wir bald mit gedruckten Gleitlagern on demand beim Kunden vor Ort rechnen?

Gibt es unmittelbare Bestrebungen? Nein. Würde ich es ausschließen? Auch nicht, weil dann w.re ich nicht visionär genug. Sehen wir die Notwendigkeit? Noch nicht, aber wir beschäftigen uns mit vielen Dingen, um nicht Chancen und Optionen für die Zukunft zu versäumen.

Also probiert es Ihre Forschungsabteilung bereits aus?

Das konkrete Beispiel noch nicht. Aber wir sagen niemals nie.

In einem Monat beziehen Sie Ihr neues Gebäude, das „Miba Forum“. Interessant ist, dass es dort keine fixen Arbeitsplätze mehr gibt.

Richtig. Wir haben im Stil eines offenen Großraumbüros gebaut und versuchen damit gezielt Teams zu vermischen ...

... was so einen Hauch von der Google-Philosophie hat.

Das kann sein. Es wird zwar für manche noch fixe Arbeitsplätze geben, aber tendenziell nur für administrative Bereiche. Wir wollen und brauchen eine neue Unternehmenskultur, die es möglich macht, neue Ideen und Lösungsansätze innerhalb unseres Unternehmens zu teilen, zu diskutieren und anzureichern. Das erfordert eine völlig neue Form der Zusammenarbeit.

Und die Datenspezialisten gesellen sich da quasi als Eingreiftrupp 4.0 dazu?

Dass diese fünf IT-Spezialisten nicht im Elfenbeinturm sitzen und für sich allein arbeiten, ist klar. Ob sie ausschließlich mit Projektteams zusammenarbeiten oder auch selbstständig agieren, wird sich zeigen.

Gibt es etwas, das Sie im Zusammenhang mit der Digitalisierung stört?

Ja, zwei Sachen: Erstens, dass sie als Gefahr gesehen wird. Ich kann es zum Teil nachvollziehen, aber die Diskussion darüber stört mich. Ich glaube, dass die Digitalisierung einen Mehrwert bildet. Die größte Gefahr ist nur für jene gegeben, die sich damit nicht auseinandersetzen. Und das Zweite ist die undifferenzierte Diskussion im Sinne von Digitalisierung ist gleich Arbeitsplatzverlust. Das ist völlig unbewiesen ...

... und dennoch haben Sie in Ihrer Produktion vollautomatisierte Anlagen stehen, die heute nur noch eine Person als Überwacher brauchen, wo früher mehrere Mitarbeiter beschäftigt waren.

Digitalisierung vernichtet keine Arbeitsplätze. Sie ändert aber die Art zu arbeiten. In der Vergangenheit finden Sie zahlreiche Beispiele, wie sich solche Verschiebungen zum Positiven wenden. In den 50er Jahren gab es auch noch „das Fräulein vom Amt“. Heute ist von diesen im Fernmeldewesen beschäftigten 10.500 Menschen keiner mehr da, dafür gibt es im IKT-Sektor rund 130.000 Beschäftigte.

Wie wird sich die Digitalisierung auf den Produktionsmitarbeiter auswirken?

Die Mitarbeiter werden zu Dirigenten der Produktionsabläufe.

Gibt es jemanden, der Sie im digitalen Umfeld inspiriert?

Ich finde jene Personen spannend, die es geschafft haben, Trends zu erkennen, und diese auf ihr Geschäft so umgelegt haben, dass sie damit etwas völlig Neues entwickeln konnten. Es fasziniert mich unterschiedliche Technologien in eine Vision zu verpacken, von der man sich nicht abbringen lässt und so lange hartnäckig bleibt, bis diese auch exekutiert, umgesetzt und ein Erfolg ist.

Und so eine Person gibt es auch im realen Leben?

Ja, die gab es. Steve Jobs.

Vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Elisabeth Biedermann

Mibas Weg zum Technologiechampion

Was antreibt: Digitalisierung & Elektromobilit.t

Wer antreibt: 5.800 Mitarbeiter verteilt auf 22 Produktionsstandorte

Die Mission: „Innovation in Motion“ – Technologien für einen sauberen Planeten

Die Vision: Kein Antrieb ohne Miba-Technologie

Das Ziel: Profitables Wachstum auf über 1 Mrd. Euro

Umsatz 2016/17: 752 Mio. Euro

Eher unbekannt: Miba ist Eigentümer von zwei steirischen Spezialisten für Leistungselektronik, die sich unter anderem auf Kühlsysteme für Hochspannungsgleichstromübertragung (DAU) und Widerstände in reinen Elektro- und Hybridfahrzeugen (EBG) spezialisiert haben.