Oberflächenbeschichtung : Wie Inocon Krankenhäuser keimfrei machen will

Inocon
© Wolfgang Simlinger

„Man muss leider davon ausgehen, dass Krankenhauskeime mehr Menschen töten als im Straßenverkehr sterben.“ Vielleicht eine etwas drastische Aussage von Fritz Pesendorfer Aber der Inocon-Geschäftsführer und Gesellschafter will diese alltägliche Gefahr nicht beschönigen und hat auch seine Gründe dafür. Wie schnell sich diese Keime verbreiten, hat Inocon gemeinsam mit der Meduni Graz in einem Experiment nachgewiesen. Dafür wurden völlig harmlose Keime an einem einzigen Lichtschalter eines Spitals aufgebracht. Am Abend waren diese Keime praktisch im ganzen Krankenhaus nachweisbar. Würde man es also schaffen Türklinken, Armaturen, Lichtschalter und Tasten, die von vielen Menschen berührt werden, keimfrei zu halten, wäre deren Gefahr größtenteils gebannt. Der Schlüssel dazu sind ultradünne Oberflächen aus Zink und Zinkoxid, die in einem besonderen Plasma-Beschichtungs-Verfahren aufgetragen werden. Eine einzigartige Technologie, die aus Attnang Puchheim kommt.

Selbstentwickelte Plasmatechnologie

In der Nanotechnologie spielen die Oberflächeneigenschaften von Materialien eine größere Rolle als deren Volumeneigenschaften. Genau diese oftmals verblüffenden Oberflächeneigenschaften – wasserabweisend oder -anziehend, bakterientötend, haftend, nichthaftend, fettlösend oder transmissionserhöhend – machen Nanomaterialen wirtschaftlich nutzbar. „Bisher sind diese Materialen nur im ebenso aufwändigen wie teuren Vakuum-Verfahren herstellbar“, sagt Inocon-Geschäftsführer Patrick Willner. „Die von uns entwickelte Technologie arbeitet mit einer Plasmaquelle, die ein offenes, frei zugängliches Plasma erzeugt“, präzisiert Willner, der als Automatisierungstechniker und Mechatroniker wesentlich daran mitgearbeitet hat.

Für die Beschichtung von Türklinken und Co wird also feinstes Metall als Pulver oder Dampf in den oft mehrere 10.000 Grad heißen Plasmastrahl eingebracht. Das erlaubt bei der Verwendung von Pulver Beschichtungsstärken von nur 5 μm bis 250 μm. Beim Einsatz von Dampf sind sogar Schichten mit wenigen Nanometern – also wenigen Millionstel Millimeter – möglich. Sichtbar sind derartige Beschichtungen nicht einmal unter dem Mikroskop – „dafür braucht es schon ein Elektronen- oder Rastersondenmikroskope“, so Willner. Im Gegensatz zu den bereits seit Jahren gängigen Vakuumplasmaverfahren (PVD und CVD Prozesse), bei denen ein Vakuumbehälter die Aufbringungsfläche eng begrenzt, kann die Inocon-Technologie direkt in Produktionsprozesse integriert werden. Das macht sie wesentlich flexibler und effizienter. „Die Aufbringungsbreite unserer Nanoschichten ist mit bis zu zehn Zentimetern bisher existierenden Kaltplasmasystemen deutlich überlegen“, so Willner.

Ein einzigartiger Plasmaplotter

Außerdem erlaubt die neue Technologie Beschichtungen, die bisher gar nicht möglich waren. So konnten Leiterbahnen, Leiterplatten und Antennen wirtschaftlich bisher nur galvanisch erzeugt werden, was aus Umweltschutzgründen zusehends problematisch gesehen wird. Der von Inocon gebaute Plasmaplotter ermöglicht die Produktion so genannter „funktioneller Oberflächen“ ohne Umweltbelastung. Auch die Aufbringung von teils hochschmelzenden Kupfer-, Zinn-, Zink- oder Aluminiumoxid-Pulvern auf temperaturempfindlichen Trägermaterialien ist machbar. Leiterbahnen auf Papier, Holz und Kunststoffen, Leiterplatten, Haft- und Antihaft- sowie Barriereschichten, transmissionserhöhende oder antibakterielle Schichten sind so möglich. Der von Inocon gebaute Plasmaplotter kann sowohl Mikro- als auch Nanoschichten produzieren – hintereinander oder sogar gleichzeitig. So ist etwa die Möglichkeit, nur durch Änderung der Beschichtungsparameter abwechselnd hydrophile und hydrophobe Schichten zu erzeugen, einzigartig.

Selbstreinigende Toiletten

Schier unbegrenzt scheinen die Anwendungsmöglichkeiten dieser funktionellen Oberflächen zu sein. Die erwähnten keimtötenden Armaturen würden etwa auch die Hygienestandards in Schulen, Kindergärten oder auf öffentlichen Toiletten wesentlich erhöhen. Die Oberösterreicher denken allerdings bereits über noch intelligentere Anwendungen nach. „Es wäre möglich, Toilettenschüsseln so zu beschichten, dass sie keimfrei und selbstreinigend sind“, präzisiert Pesendorfer. Das Zusammenspiel biozider, hydro- und lipohiler – also keimtötender, wasserabweisender und fettlösender – Beschichtungen würde das möglich machen. Entsprechende Prototypen sind bereits entworfen worden.

Wärmeverlust von Glas reduzieren

Noch visionärer klingen aber die Anwendungsmöglichkeiten von Glasbeschichtungen. Dass Glas bis zu einer Stärke von 110 Nanometern nicht bricht, war für die Oberösterreicher eine willkommene Überraschung, die die Inocon-Entwickler nutzen wollen. „Damit wird es möglich, Folien oder auch Papier zu beschichten, da das Glas auch beim Zerknüllen unbeschädigt bleibt“, erklärt Pesendorfer. Zusätzlich verringert Glas als Barriereschicht auf PET-Flaschen den Kohlensäure-Verlust. Auch der Transmissionsverlust bei Fensterglas lässt sich mit atmosphärischer Plasmabeschichtung deutlich reduzieren. „Bei einer Dreifach-Verglasung verringert die Beschichtung den Wärmeverlust von 12 Prozent auf sechs Prozent“, nennt Pesendorfer die Ergebnisse erster Versuche. Diese völlig transparenten Nano-Glasschichten verbessern nicht nur die Lichttransmission sondern erleichtern als Haftschicht Folgeprozesse wie das Kleben. Damit – und mit anderen Materialien – werden die Haftfestigkeiten von Drucken auf Glas, Keramik oder Kunststoffen um das bis zu 10fache gesteigert.

Silikon als Ersatz für Teflon

Ein Multitalent ist auch Silikon. Seine hydrophoben Eigenschaften sorgen dafür, dass Verpackungsmaterial dichter wird und das Verkleben der Oberflächen miteinander oder mit feuchten Produkten – etwa Fleisch, Gemüse, Obst – verhindert. Auf diesen Effekt setzt man auch mit den wasserabweisenden Silikonschichten aus verdampften Hexamethyldisiloxan (HMDSO). Als Schutz- oder Antihaftschicht ist es ein vielversprechender Ersatz für das in Kürze nicht mehr zugelassene Teflon. „Silikone sind etwa für den Einsatz als Antihaftschicht in Bratpfannen wesentlich besser geeignet“, erklärt Willner. „Sie sind robuster und hitzebeständiger.“ Auch als Nanoschicht in Verbänden wird Silikon zu einer funktionalen Oberfläche: Es verhindert das Festkleben von Blut auf der Wundauflage.