Systemvernetzung : Wie Gabriel Chemie den Masterbatch-Prozess digitalisiert

Gabriel Chemie König
© Factory / Elisabeth Biedermann

Wie so oft trügt auch in Gumpoldskirchen der einfache Schein. Helmut König weiß um die Vorurteile gegenüber dem Masterbatchprozess. Obwohl die Herstellung des Konzentrats in Granulatform, das die Kunden von Gabriel Chemie später ihrem Rohkunststoff zur Farbgebung zufügen, recht einfach ist, werden vor allem die verschiedenen Rezepturen und daraus resultierenden Eigenschaften unterschätzt. Bereits zehntausende solcher Betriebsgeheimnisse nennen die Gumpoldskirchner ihr eigen und fast jeden Tag kommen neue dazu. Und wer immer noch zweifelt, dem rechnet König gerne vor: „Vom 100-Kilo-Auftrag bis zum 150-Tonnen-Auftrag wickeln wir bis zu 7.000 Einzelorders pro Jahr ab “, so der CTO. „Das entspricht rund 15.000 Tonnen Masterbatches pro Jahr.“ Kunden wie Standorte sind dabei weit verstreut. Damit König all das im Blick hat, wurde ein grafischer Leitstand für die Produktionslinien eingeführt. Die Gumpoldskirchner wollten diese Transparenz noch viel weitertreiben, stießen aber bald an altbekannte Systemgrenzen, die sie aber jetzt selber umgehen wollen.

Segen und Fluch zweier Systeme

Den Anfang der intelligenten Fabrik machte um die Jahrtausendwende ein grafischer Leitstand auf Basis von proAlpha. Parallel dazu wurden Maschinensteuerungen mit dem Programm Siemens WinCC vernetzt. Die Maschinen wurden dabei bewusst passiv vernetzt, also nicht über den Leitstand, da Masterbatches teilweise in sehr geringen Mengen hergestellt werden. „Quasi Losgröße 1 bei bis zu 100 neuen Farben pro Woche“, begründet es König. proAlpha schaffte zwar die standortübergreifende Vernetzung von immerhin fünf der neun Auslandstöchter, hatte aber einen kleinen Beigeschmack. „Es spricht nicht mit WinCC“, erklärt der CTO.

Noch müsse man also die Maschinenparameter, die in beiden Systemen abgespeichert werden, händisch in die Maschine eingeben. Mit Ausnahme der Palettierung: Dort haben die Masterbatcher es geschafft, beide Systeme zu verweben. Während also das ERP-System proAlpha Vorschläge für das platzsparende Beladen der Paletten ausrechnet, führen die Steuerungen in der Welt von WinCC dies aus. Das spart unnötiges Umschichten der Ware beim Transport zum Kunden. Lediglich das Etikettieren erfolgt noch von Hand – aber auch das soll sich bald ändern.

Visualisierung allein reicht nicht

Im Moment können die Masterbatcher also den Ist-Stand ihrer Anlagen an fünf Standorten in Beinah-Echtzeit – die Parameter der Extruder werden alle zwei Sekunden ausgelesen – sehen. In Gumpoldskirchen, dem größten Standort, greift die Vernetzung dabei am tiefsten. Dort können Mitarbeiter mittlerweile von zu Hause via Smartphone direkt auf die Maschinen zugreifen. Dennoch geht das König noch nicht weit genug. Der CTO sieht erst knapp die Hälfte des Weges zurückgelegt. Es sind die tausenden von Farbtonrezepturen, die er digitalisieren will. Geht es aber um sein USP, bleibt der CTO sehr diskret. Nur so viel verrät er: „Via spezieller Codierung können wir bald Farbtöne standortübergreifend zu denselben Parametern und Qualitätsstandards an allen neun Standorten produzieren.“ Historisch gewachsene, komplizierte Prozesse will er abschaffen und eine clevere, eigens entwickelte Software soll das ermöglichen. Plus: Es sollen damit endlich auch die Systemwelten WinCC und proAlpha miteinander verschmelzen.

Was Sie schon meistern: Standortübergreifende Visualisierung der Anlagenauslastung bei Masterbatchern.

Womit Sie noch kämpfen: Die Vernetzung unterschiedlicher IT-Systemlandschaften, wie Win CC mit ProAlpha.